Tatjana Pokorny
· 19.11.2023
Deutschlands America’s-Cup-Nachwuchs hat sich am Samstagabend in Kiel erstmals offiziell präsentiert und rund 120 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Sport seine ehrgeizigen Pläne vorgestellt. Sie sind zwei Crews unter einem Teamdach: der am 25. Oktober gegründeten AC Team Germany GmbH.
Beflügelt vom dreimaligen Olympiasieger Jochen Schümann, Segelbundesliga-Gründer Oliver Schwall, dem Kieler Technologie-Experten, P-Star-Entwickler, Olympiateilnehmer und Erfolgscoach Marc Pickel und weiteren Antreibern, wollen zwei deutsche Crews am Youth America’s Cup und am Puig Women’s America’s Cup 2024 in Barcelona teilnehmen.
Auf der internationalen Cup-Bühne vor Barcelona werden sie sich im kommenden Jahr im Rahmen des 37. America’s Cup mit weiteren Herausforderern sowie den Jugend- und Frauen-Mannschaften von Cup-Verteidiger Emirates Team New Zealand und den aktuellen fünf Herausforderern aus Großbritannien, Amerika, Italien, der Schweiz und Frankreich messen.
Das Meldegeld ist entrichtet, die Startplätze bestätigt. Unterstützt wird die Kampagne neben vielen weiteren Aktiven auch von Weltumsegler Boris Herrmann, Laser-Weltmeister Philipp Buhl und SailGP-Steuermann Erik Heil. Das Jugend-Team wird von Initiator und Foiling-Ass Paul Farien aus Kiel angeführt. Der 24-Jährige hatte die Idee zur aufstrebenden Kampagne vor gut einem Jahr, fand starke und prominente Mitstreiter.
Das ist die Chance zum Wiedereintritt in den America’s Cup für Deutschland” (Jochen Schümann)
Paul Farien sagte am Samstagabend bei der Cup-Offensive in Kiel: “Wir kommen hundertprozentig an die Startlinie. Dank Marc Pickel, Jochen Schümann und vielen mehr haben wir auch Chancen mitzumischen, weil wir so viel Knowhow geballt haben.” Jochen Schümann beschreibt die Kampagne als Hoffnungsträger: “Es sind zwei Crews unter einem Teamdach. Es ist wichtig, erst einmal dabei zu sein. Und dann dafür zu arbeiten, dass alles, was wir jetzt für 2024 machen, nachhaltig ist und Bestand hat, um für die Zukunft darauf aufzubauen. Das ist die Chance zum Wiedereintritt in den America’s Cup für Deutschland.”
Carolina Werner, die mit Paul Kohlhoff als jüngstes Team bei den Olympischen Spielen 2016 auf Platz 13 gesegelt war, führt die deutsche Frauenmannschaft für den Puig Women’s America’s Cup an. Zu den Teammitgliedern zählen auch die beiden Medaillengewinnerinnen der Olympischen Spiele 2021 in Japan: 49er-FX-Silber-Steuerfrau Tina Lutz und Nacra-17-Bronze-Vorschoterin Alica Stuhlemmer.
Fernziel der jungen Kampagne im Aufbruch ist der Aufbau eines Fundaments für eine zweite deutsche America's-Cup-Teilnahme nach 2007. Deutschlands mit drei Goldmedaillen erfolgreichster Olympiasegler Jochen Schümann zählt zu den aktiven Förderern und Mitgliedern im Steering Comittee, dem gerade entstehenden Lenkungskreis. Der 69-Jährige zweimalige America’s- Cup-Gewinner sagte in Kiel: “Für die deutschen Segler und Deutschland als Segelnation sind diese beiden Events der Einstieg in die Welt des America’s Cup.”
Marc Pickel, der mit seinem internationalen Netzwerk und eigenen Mitteln einen Hightech-Simulator zu Trainingszwecken nach Kiel geholt hat, sagte: “Ich bin jetzt über 50 Jahre alt. Mir haben viele Menschen in meiner Olympiazeit und darüber hinaus viel Gutes getan. Für mich ist jetzt einmal der Zeitpunkt, etwas zurückzugeben. Unser aller Vorbild ist Team New Zealand. Die haben auch irgendwann einmal angefangen.” Aus diesen Gründen engagiert sich der ehemalige olympische Starboot-Segler und Entwickler des P-Stars für den ambitionierten America’s-Cup-Nachwuchs.
Marc Pickel ging als Förderer in Vorleistung und holte einen der teuren Hightech-Simulator aus Neuseeland zu Trainingszwecken in die neue Foiling Academy Team Germany nach Kiel. Im Simulator trainierte der deutsche Cup-Nachwuchs auch am Abend der offiziellen Team-Präsentation.
Hier können die jungen Segler und Seglerinnen nun wie die Profis im America’s Cup oder im SailGP auf höchstem Niveau für den Einsatz auf dem Wasser lernen. Ein weiteres Ziel ist es, mit neuen Partnern zwei rund 2,8 Millionen teure “Mini-Cupper” vom Typ AC40 zum Training und für Regatten nach Kiel zu holen. Auf diesen von Vierer-Crews gesegelten Foiling-Geschossen werden im kommenden Jahr der Youth America’s Cup und der Women’s America’s Cup ausgetragen.
Natürlich wünschen wir uns einen AC40, der über die Kieler Förde bebt” (Paul Farien)
Paul Farien sagte: “Natürlich wünschen wir uns einen AC40, der über die Kieler Förde bebt. Auch, um das Motto Kiel Sailing City zu beleben und wirklich zu aktivieren.” Der AC40, so Marc Pickel, sei das ideale Trainingsboot, weil die neue Klasse der Mini-Cupper bereits über den 37. America’s Cup hinaus auch für den 38. America’s Cup bestätigt sei. Die parallel neu gegründete Foiling Academy soll im Idealfall zur Herzkammer des deutschen Cup-Aufbruchs werden.
Oliver Schwall zählt neben Marc Pickel, Paul Farien, Carolina Werner und Geschäftsführer Ole Satori zu den Co-Gründern der AC Team Germany GmbH. Er sagt: “Diese Kampagne hat im Grundprinzip drei Stufen. Die erste Stufe ist, mit beiden Teams nach Barcelona zu gehen und dort erfolgreich zu segeln. Die zweite Phase, die sich daran nach dem America’s Cup anschließen soll, ist die potenzielle AC40-Serie, mit der die Lücke zwischen den America’s-Cup-Editionen geschlossen werden soll. Die sehen wir als riesengroße Chance. Dann hat man die Plattform, mit der man sich systematisch mit eigenem Boot auf dem richtigen Sportgerät vorbereiten kann. Dann hast du eine absolut realistische Chance. Und dann in Stufe drei eben der Cup selbst.”
Das Idealbudget für eine erfolgreiche Erstteilnahme an den Jugend- und Frauen-Regatten in Barcelona beziffert das Team mit rund 600.000 Euro. Ein Teil sei bereits vorhanden, die Starts gesichert. “Einige Unternehmen und Mäzene aus der Szene sind eingestiegen, haben uns geholfen. Das ist die Plattform, auf der wir starten können und weitere Unterstützung brauchen”, sagt Oliver Schwall zum Status quo der Kampagne. Das Team sei auch mit der Stadt Kiel im Gespräch. Über den sich in Gründung befindlichen AC Team Germany e. V. können als Mitglieder und Förderer der Kampagne Vereine, Verbände, Sportler und weitere Interessenten an Bord kommen.