Tatjana Pokorny
· 18.10.2024
Als die beiden Rennen des Tages am Freitagabend längst zu Ende waren, war das America’s Cup Race Village von Barcelona entlang der Kaimauer von Port Vell immer noch lebendig bevölkert von Fans der neuseeländischen America’s-Cup-Verteidiger. Kiwi-Flaggen, Kiwi-T-Shirts, Kiwi-Plakate dominierten die langgestreckte Cup-Meile so wie zuvor auf dem Kurs das Emirates Team New Zealand die Rennen. Es war ihre Wiedergutmachung für die Stolperer am vergangenen Mittwoch, als die Briten zweimal gewonnen und auf 2:4 verkürzt hatten. An diesem 18. Oktober lief es wieder umgekehrt. Und wie!
Zweimal gewannen “Taihoros” Steuermänner Peter Burling und Nathan Outteridge in den Starts die Kursseite, die sie wollten. Zweimal hatten sie den richtigen Riecher, bekamen den Winddreher, der sie anschob. Zweimal hatten sie nach Split-Starts bei der ersten Wiederbegegnung den Bug vorne. Zweimal bauten sie danach ihre Führung in extrem drehenden Winden zwischen acht und zehn Knoten dominant aus. Zweimal war es ein Kilometer, den sie als Vorsprung ins Ziel brachten.
“Dabei waren wir uns als Segler heute sehr einig, was die Druckunterschiede und die Dreher betrifft”, erklärte Neuseelands Steuerbord-Trimmer Andy Maloney die Gala seiner Crew zum effizienten wie zielsicheren Teamwork.
Rennen 7 gewann das Emirates Team New Zealand nach knapp 25-minütiger Segeldemonstration mit 1 Minute und 13 Sekunden Vorsprung vor den Briten. In Rennen 8 überzeugten die Kiwis über insgesamt 26:37 Minuten, bevor “Taihoro” die Ziellinie 55 Sekunden vor ”Britannia” mit den zweimal in Folge geschlagenen Co-Steuermännern Sir Ben Ainslie und Dylan Fletcher erreichte. Soweit die nackten, für die Briten etwas unbarmherzigen und für Grant Daltones “All Blacks des Segelsports” höchst erfreulichen Zahlen.
Skipper Peter Burling war anzuhören und anzusehen, wie wohl ihm auch persönlich dieser Doppelerfolg als Balsam auf den zwei Tage zuvor erlittenen “Wunden” tat. Er sagte: “Dieser Befreiungsschlag tat nach Mittwoch gut. Das waren zwei in allen Bereichen solide bestrittene Rennen. Die Bedingungen waren ganz klar andere. Es war einfach fantastisch.” Mit “anderen Bedingungen” meinte Burling vor allem den deutlich zurückgegangenen Seegang, der “Taihoro” am Mittwoch noch Probleme gemacht und “Britannia” so gut hatte aussehen lassen.
An diesem fünften Renntag im 37. Match um den America’s Cup lief es anders herum. Eher so wie in den ersten Tagen des Duells, als die Kiwis ebenfalls erfolgreich agierten: Da hatten sie wie in den Rennen 7 und 8 heute bei glatterem Wasser wieder weniger Mühe, ihren “Dry bulb” auch wirklich trocken zu halten. Als “Dry Bulb” wird ein Ausgleichsgewicht zum “Wet bulb” am Foil-Arm beschrieben.
Der “Dry bulb” sorgt dafür, dass die Foils insgesamt das vorgeschriebene Gewicht erreichen, obwohl die Foiloberfläche im Wasser maximal reduziert wird. Zudem gilt es entsprechend des Reglements, bei der Anordnung von “Wet bulb” und “Dry bulb” den vorgeschriebenen Gewichtsschwerpunkt zu berücksichtigen. Dabei greift die Daumenregel: Je höher man den “Dry bulb” setzt, je größer muss der “Wet bulb” sein.
Der “Dry Bulb” sitzt bei bei den Neuseeländern tiefer als bei den Briten. Die wiederum haben ihren “Dry bulb” zudem weiter hinten platziert. Was dazu führt, dass der neuseeländische “Wet bulb” kleiner gestaltet werden konnte und weniger Widerstand erzeugt. Erst höhere Wellen machen den Kiwis die Arbeit schwererer, weil sie dann Probleme bekommen, ihren “Dry bulb” wirklich trocken zu halten.
Die Briten hatten diese und andere “Dry bulb”-Varianten ebenfalls untersucht, hatten aber Bedenken, den ihren so tief zu setzen wie die Kiwis, weil die Wetterstatistiken eher darauf hinwiesen, dass er kaum trocken bleiben würde. Dass Mitte Oktober in Barcelona so regelmäßig wie in diesem 37. Match um den America’s Cup die Winde so leicht und die Wellen selten dramatisch sein würden, entspricht in der Häufigkeit nicht ganz den britischen Erwartungen.
Unter dem Strich weist das Design der neuseeländischen Foils auf eine Optimierung in Richtung leichterer Winde und flacherem Wasser auf. Die zahlte sich in den jüngsten beiden Rennen am Freitag zusätzlich zur Segel-Gala aus. Die “Kiwi-Rakete” mag glattes Wasser. Und Peter Burling und seine Crew das Segeln mit ihr: “Wir lieben es!”, entfuhr es dem sonst eher nüchtern kommentierenden Piloten nach den gelungenen Rennen. “Es ist wie ein toller Segeltag bei uns zuhause vor Takapuna”, erklärte der kluge Kopf mit bodenständigem Charakter mit Verweis auf die Traumreviere in seiner Heimat.
Beim Stand von 6:2 im Duell mit den Herausforderern vom Team Ineos Britannia haben sich die viermaligen America's-Cup-Gewinner aus Neuseeland nun fünf Matchpunkte erarbeitet. Der Coup eines dritten Cup-Sieges in Folge, den noch kein Team in der Geschichte der “Auld Mug” geschafft hat, ist nun zum Greifen nah, konnte schön am Samstag Realität werden. Burlings Co-Pilot Nathan Outteridge sagte: “Gute Aussichten bedeuten nicht, dass es schon geschafft ist. Also lasst es uns machen!”
Ben Ainslies Briten dagegen stehen trotz guter Starts am Freitag mit dem Rücken zur Wand. Der 47-jährige viermalige Olympiasieger sagte: “Unsere Starts waren heute gut, aber es drehte sich alles darum, wer den ersten Dreher richtig erwischt. In einer drehenden Offshore-Brise wie heute geht es darum, diese Dreher gut zu kriegen und im Druck zu bleiben. Da haben die Kiwis einfach einen besseren Job gemacht. Sie haben heute zweimal die richtige Kursseite nach dem Start erwischt und sind sehr gute Rennen gesegelt. Aber wir sind noch da und werden nicht aufhören zu kämpfen.”
Weiter sagte Ainslie, dessen Team hart für den ersten britischen America’s-Cup-Sieg arbeitet: “Wir sind einen langen Weg bis hierhin gegangen. Wir haben uns massiv verbessert. Wir müssen einfach morgen in anderen Bedingungen da rausgehen und ein paar Punkte aufs Konto bekommen.”
Wir haben keine zweiten Chancen mehr.” Ben Ainslie
Dass die Kollision mit einem Objekt im Wasser das Ruder von “Britannia” mitentscheidend beschädigt habe, verneinte Ben Ainslie zunächst. Er habe das Ruder zwar noch nicht gesehen und sein Team hätte im zweiten Rennen “ein paar Themen mit dem Ruder” gehabt, doch er wolle “nicht behaupten, dass es das Thema des Tages für unser Team” gewesen sei, auch wenn man sich das Ruder sicher ansehen müsse. “Die Kiwis haben gut gesegelt”, war Ainslie wichtig festzuhalten.
Ob er als 2013 Beteiligter am historisch größten Cup-Comeback, als das Oracle Team USA aus einem 1:8-Rückstand noch einen 9:8-Sieg gemacht hatte, wieder an ein solches Aufholwunder glaube? “Ja, es wird etwas in der Art brauchen. Wir liegen 2:6 zurück. Wir sind im Hintertreffen. Das ist die Natur des Spiels. Wir haben ein großartiges Team, das es bis hierher geschafft hat. Wir werden bis zum Ende fighten.”
Das Duell um den America’s Cup zwischen dem Emirates Team New Zealand und Ineos Britannia wird am Samstag mit Rennen 9 – und falls nötig und angesichts der flauen Windprognosen möglich – auch mit Rennen 10 fortgesetzt. Die älteste und wichtigste Trophäe des Segelsports gewinnt das Team, das zuerst sieben Punkte holt.
Das Match um den 37. America’s Cup, Rennen 7:
Das Match um den 37. America’s Cup, Rennen 8: