Jochen Rieker
· 01.07.2013
Am Donnerstag startet der 34. Cup mit einer Showeinlage. Unterdessen bereiten die Juristen eine womöglich rennentscheidende Schlacht vor
Wie YACHT online bereits berichtet hatte, sorgen die von Wettfahrtleiter Iain Murray angeordneten Sicherheitsmaßnahmen für reichlich Zündstoff. Insbesondere die nachträglich und entgegen den geltenden Klassenregeln erlaubten Trimmklappen an den Rudern der AC72-Kats führen absehbar zu einem Eklat.
Und mehr als das: Käme die technische Änderung durch, die Titelverteidiger Oracle Racing Vorteile verschaffen würde, könnte sie das Finale entscheiden, noch bevor das erste Rennen überhaupt stattgefunden hat. Das allerdings scheint mindestens fraglich, wenn nicht gar unmöglich.
Um das Gerangel, das jetzt entstanden ist, zu verstehen, ist ein kurzer Rückblick nötig. Nach dem tödlichen Trainingsunfall von Artemis Racing Anfang Mai, bei dem Olympiasieger Andrew Simpson ums Leben gekommen war, stand das America's Cup Race Management unter Zugzwang. Um die Sicherheit der extrem leistungsstarken und schwer beherrschbaren Flügel-Katamarane zu verbessern, hatte eine Expertenkommission 37 Maßnahmen vorgeschlagen – darunter eine verbesserte Ausrüstung der Segler, zusätzliche Rettungskräfte auf dem Kurs und eine Reduzierung des Windfensters, in dem die Wettfahrten stattfinden dürfen.
Iain Murray hatte die Vorschläge mit den Teams diskutiert und hoffte auf eine breite Zustimmung. Die bekam er auch für alle Maßnahmen – bis auf die nachträgliche Einführung beweglicher Ruder-Trimmklappen. Team New Zealand und Trainings-Partner Prada, deren Boote mit starren Flügeln an der Ruderspitze ausgestattet sind, wie es die Klassenregeln für den AC72 von Anfang an vorsahen, verweigerten sich der Last-Minute-Änderung.
Dean Barker: "Es gibt kein logisches Argument"
Zum einen, weil sie ihre Boote auch so beherrschen, zum anderen, weil sie die gesamte Konstruktion darauf abgestellt hatten. Jetzt umrüsten zu müssen würde nicht nur Zeit kosten, die vor dem Start der Herausfordererserie am 7. Juli schlichtweg fehlt. Es würde auch Oracle Racing bevorteilen, die schon länger mit beweglichen Trimmklappen unterwegs sind und ihren Kat ohne dieses Hilfsmittel offenbar weniger gut im Griff haben.
Und noch etwas kommt hinzu, argumentiert Neuseelands Skipper Dean Barker: Es gebe "kein logisches Argument" dafür, dass die Trimmklappen die Sicherheit verbesserten. Sein Team habe in 60 Trainingstagen ohne jeden Zwischenfall bewiesen, dass auch starre Tragflügel am Ruder sicheres Foilen ermöglichen, schreibt er in seinem jüngsten Blog zu dem Thema.
Dass unter den neuen Maßnahmen nun sogar vergrößerte, seitlich über die Rümpfe hinausragende Trimmklappen möglich seien, hält Barker für geradezu kontraproduktiv: "Das ist unglaublich gefährlich. Wenn ein Crewmitglied über Bord geht, besteht durch überstehende Flügel ein viel größeres Risiko für schwere Verletzungen."
Prada-Skipper Max Sirena kritisierte in einem Interview mit Sail Racing Magazine: "Es ist das erste Mal in der Geschichte des America's Cup, dass sie (die Wettfahrtleitung, d. Red.) einfach so die Klassenregeln ändern können, ohne Grund. Warum sind sie nicht mit dieser Änderung gekommen, als Oracle letzten Oktober gekentert ist?"
Inzwischen erinnert die Kontroverse, die in immer schärferem Tonfall geführt wird, an jene Zeit unwürdiger Rechtsstreitereien, die schon den 33. America's Cup zwischen Alinghi und BMW Oracle überschattet und Segelfans in aller Welt befremdet hatte. Oder an die vielen anderen Auseinandersetzungen, an denen die älteste Sporttrophäe der Welt so notorisch reich ist.
Diese, die 34. Neuauflage, sollte eigentlich anders werden. Sportlicher, dynamischer, telegener, größer. Dass ausgerechnet unter dem Aspekt vermeintlicher Sicherheitsvorkehrungen nun der ohnehin schon bevorteilte Verteidiger technisch profitieren könnte, würde den sportlichen Wert der Veranstaltung erheblich schmälern. Dabei bleibt der Cup mit nur drei Herausforderern bereits jetzt weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Eine Wettbewerbsverzerrung pro Oracle wäre wahrlich kein guter Auftakt, und das so kurz vor den Feierlichkeiten, die vom 4. Juli an in der Bucht von San Francisco stattfinden. Eine Art Präludium in Moll.
Entschieden ist freilich noch lange nicht, ob die Regeländerung zur Umsetzung kommt. Denn obwohl Iain Murray einen Kunstgriff anwandte, um die Trimmklappen gegen den Willen von Prada und Emirates Team New Zealand durchzusetzen, könnte sich das Blatt rasch wenden.
Cory E. Friedman: "Murrays Position ist nicht stichhaltig"
Die beiden Teams haben Protest eingelegt. Und wenn es nach Cory Friedman geht, einem in Cup-Fragen versierten US-Anwalt und Rechtskorrespondent des Segelportals Scuttlebutt, hat Murray schlechte Karten.
Der Wettfahrtleiter beruft sich auf Passus 16 im Protokoll, wonach die Wettbewerber "alle geltenden Gesetze und Bestimmungen befolgen müssen". Da die US Coast Guard Rennen vor San Francisco nur unter der Maßgabe genehmigt habe, dass alle 37 Maßnahmen des Sicherheitspakets umgesetzt würden, leitet Murray daraus eine Verpflichtung für die Teams ab.
So einfach aber liegt der Fall nicht, argumentiert Cory Friedman. Für ihn ist klar, "dass es kein Gesetz oder keine Bestimmung gibt, die eine Änderung der Klassenregel (in Bezug auf die Trimmklappen, die Red.) erfordern". Und weiter: "Murrays Position ist nicht stichhaltig."
Nach dem Tschingderassabumm des Auftakts zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli werden also die Anwälte das Wort haben. Wieder einmal. Wie der Protest von Team New Zealand und Prada ausgeht, könnte spannender werden als die ersten Rennen, die am Sonntag beginnen sollen. Denn zu denen treten zwei Syndikate an, die sich kennen. Die beiden Sparringspartner, die auch jetzt vereint sind im Kampf – gegen Wettfahrtleiter Iain Murray. Auf dem Wasser zumindest spricht alles für die Kiwis.
Lesen Sie den großen Report über die AC72-Kats, ihre nahezu ungezügelte Vortriebskraft und die Technik, mit der sie gebändigt werden soll, in YACHT 15 – ab Mittwoch, 3. Juli am Kiosk!