America’s CupSchweizer Sieg über “Patriot” – “Hätten noch Power für 20 Wenden mehr gehabt”

Tatjana Pokorny

 · 05.09.2024

Team des Tages im Louis Vuitton Cup: Alinghi Red Bull Racing bezwang NYYC American Magic
Foto: Ivo Rovira/America's Cup
Das Schweizer Team Alinghi Red Bull Racing hatte an Renntag sechs kein Geburtstagsgeschenk für Tom Slingsby. Im Gegenteil: Die Eidgenossen besiegten Slingsbys US-Team NYYC American Magic und holten einen möglicherweise sehr wertvollen zweiten Punkt für ihr Louis-Vuitton-Cup-Konto. Ineos Britannia und Frankreichs “Orient Express” dagegen mussten Nehmerqualitäten beweisen.

Gleich zwei Teams kassierten am Donnerstag in der Round-Robin-Rückrunde des Louis Vuitton Cup zwei Niederlagen. Briten und Franzosen hatten einen schweren Tag. Beide verloren jeweils einmal gegen das Emirates Team New Zealand. Das sind Niederlagen, die im Kampf der insgesamt fünf Herausforderer um vier Halbfinalplätze im Louis Vuitton Cup keine Auswirkungen haben. Beide verloren aber auch jeweils ein Match gegen Herausforderer-Rivalen, das sie besser gewonnen hätten.

Heiß umkämpftes Match, 13 Sekunden Vorsprung

Eines der packenden Duelle des Tages bestritten NYYC American Magic und und Ineos Britannia. Die Briten hatten die Amerikaner im Kampf um den bevorteilten Start zunächst im Griff, fielen aber in den unbeständigen Winden von den Foils. Gerade noch rechtzeitig kamen Sir Ben Ainslie, sein Co-Pilot Dylan Fletcher-Scott und die Crew danach wieder in Fahrt, gingen knapp hinter “Patriot” durch und starteten direkt auf die rechte Kursseite durch. Am ersten Tor zeigten die 20 Sekunden Vorsprung der amerikanischen “Patriot” nicht ganz, wie hart und eng die Teams schon auf dem ersten Abwind-Abschnitt miteinander gefochten hatten.

Eine Runde Armdrücken später hatte “Britannias” intensiv kämpfende Crew ihr Defizit auf nur noch 16 Sekunden gedrückt und damit viele Beobachter beeindruckt. Das atemlose Duell setzte sich auch auf dem zweiten Vorwind-Kurs fort, an dessen Ende “Patriot” und ihre britischen Verfolger nur noch neun Sekunden trennten. Als die Amerikaner an der letzten Marke von den Foils fielen, nutzten die Briten die Chance und gingen in Führung. Bis zu rund 80 Meter Vorsprung erarbeiteten sie sich auf dem letzten Vorwand-Abschnitt, hatten das Ziel schon in Sicht.

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Dann aber brachte eine schwache Halse der Briten in der Kursmitte “Patriot” wieder ins Spiel, deren Team mit den Co-Piloten Tom Slingsby und Nathan Outteridge dem Ziel entgegenstürmten und die Linie 13 Sekunden vor “Britannia” kreuzten. Das Match hatte Klasse. “Wir brauchten es. Es war nicht schön, aber wir haben den Job erledigt”, fasste “Patriot”-Steuermann Paul Goodison den atemlosen Aufreger zusammen.

Happy Birthday, Tom Slingsby!

Für Tom Slingsby war der Sieg ein schönes Geschenk zum 40. Geburtstag, den er an diesem 5. September im Louis Vuitton Cup auf den Kurs vor Barcelona feierte. Der 1984 im australischen Wahroonga geborene Ausnahmesegler, dreimalige SailGP-Saisonsieger, dreimalige Weltsegler des Jahres und Laser-Olympiasieger von 2012, hat den America’s Cup 2013 einmal schon als Stratege mit dem Oracle Team USA gewinne können.

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Damals war auch der am Donnerstag geschlagene Ben Ainslie als Taktiker an Slingsbys Seite. Beide waren gegen zuvor erfolglose Vorgänger eingewechselt worden und stehen seitdem in der Geschichte des Americ’a Cup neben ihrem 2013er-Steuermann Steuermann Jimmy Spithill alle gemeinsam für das größte Comeback, das der Kampf um die “Auld Mug” je erlebt hat. 1:8 hatten die Amerikaner vor elf Jahren gegen das Emirates Team New Zealand schon zurückgelegen. 9:8 gewannen sie das legendäre Cup-Match noch.

Heute sind die drei klugen Cup-Köpfe – Spithill, Slingsby und Ainslie – Steuerleute für drei gegnerische Teams. Alle haben ein Ziel: den Louis Vuitton Cup zu gewinnen und die Cup-Verteidiger vom Emirates Team New Zealand im 37. Match um den America’s Cup ab 12. Oktober herausfordern zu dürfen. Bislang liegt in diesem besonderen Dreikampf Jimmy Spithill als Co-Pilot für das bei seiner siebten Cup-Herausforderung stark auftretende Luna Rossa Prada Pirelli Team vorne.

Italienens “Luna Rossa” dominiert Herausforderer

Die Italiener haben in der Herausforderer-Wertung ohne die Neuseeländer bereits fünf Siegpunkte auf dem Konto. Dazu: keine Niederlage. Ben Ainslie liegt mit den Briten im Herausforderer-Klassement ohne die neuseeländischen Cup-Verteidiger mit drei Siegen bei zwei Niederlagen auf Platz zwei vor NYYC American Magic. Die Amerikaner kamen bislang auf drei Siege und drei Niederlagen. Mit Luna Rossa Prada Pirelli konnte bislang keines der anderen Teams mithalten.

In ihrem einzigen Duell des Tages deklassierten die Italiener am Donnerstag den wankenden französischen “Orient Express”, der in den teilweise fiesen Leichtwindschwankungen nach Blitz und Donner an den beiden Vortagen zu oft von den Foils fiel. Für die Franzosen war der sechste Renntag doppelt hart. Nicht alleine die Niederlage gegen “Luna Rossa” schmerzte. Rennen 20 im Louis Vuitton Cup hatte – ohne eigene Beteiligung – ebenso weh getan. Da hatte Alinghi Red Bull Racing eine Gala abgeliefert und Tom Slingsby seinen zweiten Geburtstagspunkt verwehrt.

Alinghi Red Bull Racings Crew auf “BoatOne”, angefeuert vom Rückrundensieg über Frankreich am vergangenen Dienstag, ging hochmotiviert ins Dull gegen NYY American Magic. Eine Vorstadt-Strafe gegen die Amerikaner verschaffte den Eidgenossen einen frühen Vorteil, aus dem sie im weiteren Rennverlauf mit konzentrierter Leistung Kapital schlugen. Sauber ausgeführte Manöver und gute Positionierungen zu den unbeständigen Winden beflügelten die Schweizer ebenso wie ihr Vermögen, an diesem so schwierigen Segeltag auf den Foils zu bleiben.

Im Ziel waren wir ziemlich erschöpft. Es war ein körperlich harter Tag. Aber wenn sie noch 20 Wenden mehr gebraucht hätten, hätten wir einen Weg gefunden, die Kraft dafür zu liefern.” Nils Theunick

Mit satten 40 Sekunden Vorsprung im Ziel sicherte sich Alinghi Red Bull Racing den zweiten Punkt im Louis Vuitton Cup. “Nach dem Start waren wir noch relativ dicht mit den Amerikanern zusammen, mussten heute wirklich auf den ersten Kursabschnitten gegen sie spielen”, sagte Co-Pilot Maxime Bachelin. Kurz nach dem Rennen hatte auch Steuermann Psarofaghis auf das Intensiv-Geschehen auf dem Kurs hingewiesen: “Das waren viele Wenden heute. Aber wir hatten die Power, hätten auch noch 20 Wenden mehr fahren können.”

Der Tag heute hat sich angefühlt wie zehn Runden gegen Mike Tyson.” Nathan Outteridge

Dass die Kiwis in den insgesamt fünf Rennen am Donnerstag ihre beiden Begegnungen gewannen, schien beinahe zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein. War es aber nicht. Es gab in ursprünglich angesagten acht bis zwölf, tatsächlich aber im Verlauf des Tages meist nur fünf oder sechs Knoten Wind viele schwierige Aufgaben zu lösen. “Dazu waren die Winde sehr drehend”, berichtete “Taihoro”-Co-Steuermann Nathan Outteridge nach den beiden Erfolgen für das Emirates Team New Zealand.

Auf und Ab für den “Orient Express”

Auch die Neuseeländer bekamen in ihrem zweiten Match in der kuriosen wie teilweise erbarmungswürdigem Begegnung mit dem “Orient Express” die grenzwertigen Bedingungen zu spüren, bei denen manch eine Club-Regatta gar nicht erst begonnen hätte. Auch Peter Burling, Nathan Outteridge und ihre Crew fielen von den Foils. Plötzlich war ihr riesiger Vorsprung von mehr als 700 Metern nichts mehr wert. Die Franzosen übernahmen in fünf Knoten die Führung, hatten oben am Tor 21 Sekunden Vorsprung. Doch der hielt nicht.

Mit der letzten Halse am Ende des ersten Vorwind-Abschnitts fiel der “Orient Express” wieder von den Foils, ging unfreiwillig in Verdränger-Modus. Die Kiwis holten sich ihre Führung zurück, während die Franzosen Mühe hatten, wieder in Fahrt zu kommen. “Tairhoro” umkurvte den steckengebliebenen “Orient Express” sogar und brachten den restlichen Lauf fehlerfrei ins Ziel.

Bemerkenswert an der Louis-Vuitton-Cup-Wertung inklusive der neuseeländischen Herausforderern war am Abend von Tag sechs, dass die Kiwis sie nicht anführten. Nach einem in Folge ihres Kranunfalls verpassten und damit den Briten geschenkten Rennen an Tag 2 sowie einer Blitz-und-Donner-Niederlage gegen stark agierende Italiener, liegt Neuseeland im Louis-Vuitton-Klassement aller Teilnehmer mit 6:2-Bilanz “nur” auf Platz zwei hinter Luna Rossa Prada Pirelli mit 6:1-Bilanz.

Was passiert nach dem rennfreien Freitag?

Die spannendste Frage vor dem freien Freitag, der Fortsetzung der Rennen am 7. September und den Entscheidungen am 8. September bleibt: Welches Team scheidet aus? Ist Alinghi Red Bull Racing mit dem Sieg über NYYC New York Magic die Vorentscheidung im Duell mit Frankreichs Orient Express Racing Team um den vierten und letzten Halbfialplatz schon gelungen? Oder kommt am 7. und 8. September doch alles noch einmal ganz anders, weil es weitere Überraschungen gibt?

Die Franzosen geben sich als Last-Minute-Team mit steiler Lernkurve noch nicht geschlagen. Steuermann Quentin Delapierre sagte am Donnerstagabend in Barcelona: “Es ist noch nichts entschieden. Es gibt am Samstag und Sonntag viel zu tun. Wir haben ein schnelles Boot und wir haben uns als Crew sehr verbessert, sind viel dichter dran.” Wird dichter dicht genug sein für den Endspurt im Louis Vuitton Cup?

Louis Vuitton Cup, Renntag 6, Match 18 – NYYC American Magic vs. Ineos Britannia:

Louis Vuitton Cup, Renntag 6, Match 19 – Luna Rossa Prada Pirelli vs. Orient Express Racing Team:

Louis Vuitton Cup, Renntag 6, Match 21 – Ineos Britannia vs. Emirates Team New Zealand:

Louis Vuitton Cup, Renntag 6, Match 20 – Alinghi Red Bull Racing – NYYC American Magic:

Louis Vuitton Cup, Renntag 6, Match 24 – Orient Express Racing – Emirates Team New Zealand:

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