America’s Cup“Rendezvous mit dem Schicksal verschoben”, Louis Vuitton Cup bleibt spannend

Tatjana Pokorny

 · 08.09.2024

Bewegter "Orient Express" vor Barcelona
Foto: Ricardo Pinto/America's Cup
Die mit viel Spannung erwartete Entscheidung über die Besetzung der Halbfinalplätze im Louis Vuitton Cup ist vertagt. Nach kuriosem Verlauf des achten Renntages musste Renndirektor Iain Murray die ausstehenden Duelle am Sonntag verschieben. Mit dem 9. September wurde ein Reservetag aktiviert. Zwei Teams müssen weiter bangen, ob sie eine Runde weiterkommen oder frühzeitig ausscheiden.

Schon am Vormittag dieses achten Renntages wusste Regattadirektor Ian Murray, dass es ein unangenehmer Tag werden könnte. Vier verschiedene Wetterprognosen lagen ihm vor. Am Ende war von allen etwas eingetroffen, aber nicht das Beste. Das Ergebnis der Wetterkapriolen von Barcelona war der Totalausfall des achten Renntages in der doppelten Round-Robin-Runde des Louis Vuitton Cups. Die drei ausstehenden Matches sollen am Montag nachgeholt werden. Die weiteren Windaussichten waren aber am Sonntag alles andere als vielversprechend.

Vierter Halbfinalist weiter gesucht

Angesetzt waren am Sonntag die Duelle zwischen Ineos Britannia und dem ums Cup-Überleben kämpfenden Orient Express Racing Team. Danach die Begegnung zwischen Luna Rossa Prada Pirelli und Alinghi Red Bull Racing. Auch die Schweizer haben das Halbfinale noch nicht sicher erreicht, für das sich Luna Rossa Prada Pirelli, Ineos Britannia und NYYC American Magic schon sicher qualifiziert haben. Mit zwei Punkten auf dem Louis-Vuitton-Cup-Konto liegt der Vorteil im Fernduell mit den Franzosen aber bei den Eidgenossen.

Bewertung

Zwischen den Italienern und den Briten geht es im Finale der Round-Robin-Phase an der Spitze der Herausforderer-Wertung nicht mehr um den Einzug ins Halbfinale. Beide Teams haben ihre Semifinal-Tickets sicher. Entschieden wird aber in ihrem indirekten Duell, welcher der beiden Rennställe sich seinen Halbfinalgegner als Sieger der Herausforderer-Wertung zum Tanz wählen darf.

Für die verschiedenen Szenarien und alle Fragen nach möglicherweise notwendig werdenden Stechen bei Punktgleichheit an der Spitze oder im Keller bot Ian Murray am Sonntag eine einfache Formel zum Verständnis: Verlieren sowohl Großbritannien als auch Italien ihre Matches, gibt es weder im Spitzenkampf noch im “Duell der Kellerkinder” einen Gleichstand. Italien würde die Herausforderer-Wertung gewinnen, die Schweizer den letzten Halbfinalplatz besetzen.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Was passiert, wenn…?

Gewinnt Italien und verliert Großbritannien, gibt es ein Tie-Break-Rennen um den letzten Halbfinalplatz zwischen Alinghi Red Bull Racing und Frankreichs “Orient Express”. Verliert Italien und gewinnt Großbritannien, gibt es ein Tie-Break-Rennen um den Sieg. Die Schweizer würden ins Halbfinale einziehen. Die von allen herbeigesehnte Auflösung des Geflechts fiel am Sonntag aus. Ob sie am Montag erfolgen kann, blieb in Barcelona unsicher, weil die Wetterprognosen nur wenig Wind für die kommenden Renntage bereithalten.

Bis zur Verschiebung hatte das Sonntagsprogramm die beteiligten Teams ebenso wie Beobachter und Fans auch ohne Rennen in Atem gehalten. Flutartiger Starkregen und eine schwache Sicht auf dem Kurs hatte die Wettfahrtleitung zunächst dazu bewogen, die Teams in den Hafen zurückzuschicken, um sie nach Durchzug der Regenfront wieder auf den Kurs zu bitten. Frankreichs “Orient Express” hatte sich zu einer Trainingseinheit entschieden. In ruppiger Welle wurden sie plötzlich von einem technische Problem unter Hochdruck gezwungen, zur Reparatur in den Hafen zurückzukehren.

Es war eine große Teamleistung, das Boot wieder in Ordnung zu bringen und rechtzeitig zum Start in den Rennbereich zurückzukehren.” Benjamin Muyl

Die Bilder der Reparaturszenen an Deck, die aus dem französischen Teamcamp kamen, sprachen Bände. Es sah aus, als würde ganz Frankreich versuchen, das Boot für das anstehende “Überlebensrennen” wieder flottzumachen. Frankreichs Design-Chef Benjamin Muyl erklärte: „Während des Trainings vor der Regatta hatten wir bei einem Manöver einige Probleme an Bord, so dass wir an Land kommen mussten, um Reparaturen durchzuführen.”

Mehr Details waren den Franzosen zum technischen Problem auch auf Nachfrage zunächst nicht zu entlocken. Spät, aber eben noch rechtzeitig und in imposanter Höchstgeschwindigkeit, schleppte der Teamtender den französischen AC75-Foiler dann wieder raus zum Kurs. Kaum war der atemlose MacGyver-Einsatz vollbracht, wurde der Rennstart bei einem satten Rechtsdreher verschoben. Auch ein weiterer Versuch, das Duell zwischen Briten und dem Drama-geplagten “Orient Express” auf die Bahn zu bekommen, konnte nicht vollzogen werden.

Das Rendezvous mit dem Schicksal ist auf morgen verschoben.” Orient Express Racing Team

Ein letzter Versuch war für 16.20 Uhr angesetzt. Der scheiterte in inzwischen zu leichten Winden. Der Renntag wurde abgebrochen, das Programm auf Montag verschoben. Frankreichs Coach Thierry Douillard sagte: „Wir sind froh, dass wir unser Boot wieder in die Halle stellen und sicherstellen können, dass alles in Ordnung ist. Hoffentlich können wir dann morgen einen wirklich guten Tag haben.“ Der verschobene Renntag beginnt auch am Montag um 14.10 Uhr und ist via America’s-Cup-YouTube-Kanal live zu verfolgen. Alternativ werden die Rennen auch live via America’s-Cup-Homepage oder bei Servus TV gezeigt.

Steuermannswechsel auf “Patriot”

Unbeantwortet ließ das US-Team NYYC American Magic am Sonntag Fragen nach dem Wohlergehen von Co-Steuermann Paul Goodison. Der gut informierte amerikanische Blog Sailing Anarchy hatte darüber berichtet, dass der Brite am Vortag an Bord von “Patriot” gestürzt sei und sich dabei mehrere Rippen gebrochen habe. In der kurzen Meldung hieß es dort unter der Überschrift “Achtet darauf, wo ihr hintretet”:

“Achtet auf eine Pressemitteilung zum Unfall von Paul Goodison nach dem Rennen. Offenbar liegt er mit gebrochenen Rippen und einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Lucas Calabrese springt morgen für Goodie ein. Offenbar ist er rückwärts getreten und in eine der Luken gefallen.”

Die Meldung wurde am Sonntag von mehreren Medien aufgegriffen, vom amerikanischen Team aber auch auf Nachfrage nicht kommentiert. Es gab keine Angaben zum Zustand von Paul Goodison, der 2008 zum Laser-Olympiasieg segelte und ein Jahr später Weltmeister wurde. Die Crew-Listen für den achten Renntag wiesen den 37-jährigen Argentinier Lucas Calabrese als Co-Piloten für Tom Slingsby am Steuer von “Patriot” aus.

Da die Amerikaner am noch ausstehenden letzten Renntag der Round-Robin-Runde im Louis Vuitton Cup auf die neuseeländischen America’s-Cup-Verteidiger treffen, hat ihr Match keine Auswirkungen auf die Herausforderer-Wertung im Kampf um die Halbfinalplätze. American Magics dritter Platz ist zementiert.

Hier geht es zu den Zwischenständen in der doppelten Round-Robin-Runde im Louis Vuitton Cup – einmal inklusive der teilnehmenden neuseeländischen Cup-Verteidiger und einmal ohne. Letzteres Klassement ist relevant für die Ermittlung der vier Halbfinalisten unter den fünf Herausforderern.

Der Rückblick auf den kuriosen Sonntag im Louis Vuitton Cup mit viel Action, aber ohne Rennen – Replay der Live-Übertragung inklusive einiger Wiederholungsrennen, aber auch dem Reparaturrennen der Franzosen gegen die Zeit und weiteren Beobachtungen der TV-Kommentatoren:

Meistgelesen in der Rubrik Regatta