America's CupOracle hat kein Kaninchen im Hut

Tatjana Pokorny

 · 12.09.2013

America's Cup: Oracle hat kein Kaninchen im HutFoto: Gullain Grenier
Was nun, Mr. Ellison? Sein Team steht mit dem Rücken zur Wand, kann das Emirates Team New Zealand nicht bändigen

Die US-Verteidiger stehen mit dem Rücken zur Wand: Auch Edeljoker Ainslie kann das Blatt nicht wenden. Die Kiwis segeln auf Kurs Silberkanne

"Do or die", "make or break". Vor dem vierten Renntag war nicht nur den Fans in San Francisco klar, dass es für die US-Verteidiger nach dem Niederlagenhagel der vergangenen Tage schon fast um alles oder nichts gehen würde. Nachdem sie am Dienstag ihre "Verschiebungskarte" gezogen hatten, um Rennen sechs nicht mehr segeln zu müssen und sich "als Gruppe neu aufstellen" zu können, zogen CEO Russell Coutts und das Team am Donnerstag die nächste interessante Karte aus dem Ärmel: Edeljoker Ben Ainslie. Der viermalige Goldmedaillengewinner und erfolgreichste Olympiassegler der Geschichte ersetzte nicht ganz überraschend Routinier John Kostecki. Bei diesem Personalwechsel hatte "Big Ben" Ainslie wenig zu verlieren, eher alles zu gewinnen. Vergönnt war es ihm nicht.

  We catch you because we can: Emirates Team New ZealandFoto: ACEA/Balazs Gardi
We catch you because we can: Emirates Team New Zealand

Nach lässigem Start, in dem sich Neuseelands Steuermann Dean Barker verschätzt, nach eigener Aussage sogar "total blamiert" hatte, und einer Führung von bis zu zwölf Sekunden sah es am Donnerstag im sechsten Rennen zwar für kurze Zeit so aus, als könnten die Amerikaner ihren Herausforderern doch ein wenig Paroli bieten. Doch das Emirates Team New Zealand brauchte nicht lange, um nach dem erhofften und schon bald elegant herbeigeführten Split Boden gutzumachen und die Amerikaner in einem atemlosen Wendeduell niederzuringen. Einmal vorbeigezogen, ergab sich das nun schon beinahe gewohnte Bild: Die "Barker-Boys" zogen Meter um Meter davon und kreuzten die Ziellinie mit 47 Sekunden Vorsprung.

Die Moderatoren der Live-Sendung fragen sich und ihre Gäste immer wieder, was die Amerikaner wohl tun könnten, um ihre Wiederauferstehung einzuläuten. Kommentator Gary Jobson stellt fest: "Da ist kein Kaninchen aus dem Hut in Sicht."

  Am liebsten vor Alcatraz: Die "Barker Boys" machen keine GefangenenFoto: ACEA/Ricardo Pinto
Am liebsten vor Alcatraz: Die "Barker Boys" machen keine Gefangenen

Im zweiten Rennen des Tages schien Dean Barker seiner zuletzt zu oft verlorenen Starts endgültig überdrüssig, agiert beherzter. Sein Taktiker Ray Davies hatte es in der Pause zwischen den beiden Rennen schon angekündigt, als er gefragt wurde, ob Team New Zealand bei den Starts absichtlich so konservativ agiere, um nur ja keinen Schaden zu riskieren: "Nein, gar nicht! Wir würden sie am liebsten zerschmettern." Konzentrierter und mit perfektem Timing gewannen die Kiwis den Start zur siebten Hatz über den Kurs zwischen Golden Gate Bridge und Alcatraz und kreuzten die Linie fast gleichzeitig mit dem Startschuss. Das gelungene Timing ermöglichte den schnörkellosen Start-Ziel-Sieg. Larry Ellisons Elitetruppe konnte nur chancenlos hinterhersegeln.

Die Neuseeländer demonstrieren ihre Überlegenheit in dieser siebten Begegnung mit perfekten Wenden, einer taktisch fehlerlosen Leistung und überragender Geschwindigkeit. Als die rasende "Aotearoa" die letzte Luvtonne rundet, sind die Amerikaner noch nicht einmal in Sicht. Der Vorsprung der Kiwis mit ihrem 56 Jahre alten Grinder, Guru, Antreiber und Teamboss Grant Dalton an Bord beträgt längst mehr als einen Kilometer. "Sie scheinen keine Antwort auf die Geschwindigkeit der Kiwis zu haben", sagt einer der Reporter, "es muss verheerend für sie sein." Das demoralisierende Muster der Neuseeländer: "We catch you because we can!"

  Tapfer sein, lächeln und winken: Die Fans huldigen dem Verteidiger, doch Siege gab es nicht zu feiernFoto: ACEA/Balazs Gardi
Tapfer sein, lächeln und winken: Die Fans huldigen dem Verteidiger, doch Siege gab es nicht zu feiern

Mit einem im Vergleich zum Emirates Team New Zealand etwa dreimal so großen Budget, allen technologischen Möglichkeiten, genügend Vorbereitungszeit und einem Rennstall voller Segelstars müssen sich die Verteidiger nun unter anderem fragen lassen, warum sie sich von den Kiwis mit ihrem 60-Millionen-Euro-Budget derart vorführen lassen. Die Fragen, die Larry Ellison möglicherweise seinem CEO Coutts stellt, dürften kaum charmant ausfallen.

Die Tageszusammenfassung