Die Klassenregeln und technischen Vorschriften für den 38. America's Cup in Neapel 2027 wurden veröffentlicht. Eine der wichtigsten Entscheidungen ist die Wiederverwendung der Rümpfe aus dem 37. America's Cup in Barcelona 2024 oder modifizierter Versionen aus dem 36. America's Cup von 2021. Diese Maßnahme wurde getroffen, nachdem detaillierte Analysen ergaben, dass die Rumpfformen selbst nur minimale Geschwindigkeitsunterschiede bewirken. Die eigentlichen Leistungsgewinne liegen in den Foils und Systemen.
Dan Bernasconi, Chefdesigner von Emirates Team New Zealand und einer der Hauptverfasser der Regeln, erklärt: „Wir haben als Kollektiv zwischen Verteidiger und Challenger of Record alle Rumpfformen analysiert, die in Barcelona beim AC37 verwendet wurden, und erkannt, dass die Geschwindigkeitsunterschiede allein bei den Rumpfformen minimal waren. Alle Gewinne lagen in Foils und Systemen; daher war es absolut sinnvoll, die Designzeit auf diese Entwicklungsbereiche zu konzentrieren und die Rümpfe wiederzuverwenden."
Die Regeländerung bezüglich der Rümpfe ist drastisch. Jeder Teilnehmer ist auf einen einzigen Bestandsrumpf beschränkt, der bereits beim AC36 oder AC37 verwendet wurde. Diese Maßnahme soll der Kostenkontrolle dienen. An den Bestandsrümpfen sind nur begrenzte Modifikationen erlaubt:
Bestandsrümpfe vom AC36 dürfen mit einem reduzierten beibehaltenen Anteil von 87,5 Prozent modifiziert werden, während neuere Rümpfe aus AC37 strenger reguliert sind.
Eine weitere radikale Änderung betrifft die interne Struktur der Yachten: Die Pedalantriebe werden zugunsten gespeicherter Energie eliminiert. Die Spezifikation einer Einheits-Batterieeinheit, die alle beweglichen Teile auf der AC75 mit Energie versorgen wird, soll in Kürze veröffentlicht werden.
Mit dieser Regel geht eine weitere bedeutende Änderung einher, welche die Zusammensetzung der Crew betrifft. Jede AC75-Yacht wird künftig mit fünf Besatzungsmitgliedern segeln, statt bisher acht, wobei mindestens eine Frau an Bord sein muss. Diese Erweiterung auf fünf aktive Crewmitglieder bedeutet eine stärkere Betonung der Rennstrategie und des taktischen Segelns. Der Focus bei der Auswahl der Crew wird wieder stärker auf den seglerischen Leistungen liegen, da keine spezialisierten Athleten für die Pedalantriebe benötigt werden.
Außer dem eigentlichen America’s Cup wird es auch wieder einen Women’s und Youth America’s Cup geben. Die Regelung mit einem weiblichen Besatzungsmitglied beim America’s Cup soll die Women's America's Cup Teams jedes Syndikats näher an den eigentlichen Cup bringen, da Rotation unvermeidlich sein wird und ein großer Talentpool für die gesamte Kampagne benötigt wird.
Außerdem wird ein „Guest Racer"-Cockpit eingeführt, das es einem Nicht-Teammitglied ermöglicht, während des Rennens an Bord einer AC75 zu segeln – eine Neuauflage eines Programms, das zuletzt 2007 in Valencia zu sehen war. Dies soll den America's Cup für ein breiteres Publikum öffnen.
Spannend wird sein, wie die Konstrukteure die Crewmitglieder auf den Booten verteilen. Beim vergangenen Cup gab es bei jedem Team zwei Steuermänner, auf jeder Bootsseite einen, zusätzlich auf jeder Seite drei weitere Leute, Trimmer und Radfahrer. Positionswechsel in Manövern gab es nicht. Jetzt wurde eine ungerade Crewanzahl bestimmt. Entweder wird also ein Crewmitglied die Seite wechseln, oder die “unterbesetzte” Seite wird mit einem Gast ausgeglichen.
Die Beschränkungen im neuen Regelwerk erstrecken sich weit über den Rumpf hinaus. Das neue Regelwerk setzt klare Grenzen für alle kontrollierten Komponenten:
Komponente | Bestandsmenge | Neue Menge | Gesamtmenge |
Rümpfe | 1 | 0 | 1 |
Foil-Arme | 4 | 4 | 4 |
Foil-Flügel | 3 | 3 | 6 |
Foil-Flaps | 3 | 5 | 8 |
Ruder | 2 | 1 | 3 |
Masten | 2 | 0 | 2 |
Großsegel | 8 | 12 | 20 |
Vorsegel | 10 | 13 | 23 |
Das Regelwerk führt das Konzept der "Bestandsrepliken" ein, das es besonders neuen Teams ermöglicht, Komponenten zu bauen, die exakt den Designs aus früheren Cups entsprechen. Veteran-Teams dürfen Bestandsrepliken nur unter bestimmten Bedingungen bauen, etwa wenn die Original-Komponente verkauft oder irreparabel beschädigt wurde.
Für neue Teams gelten spezielle Kontingente für Bestandsreplika-Segel:
Diese Segel dürfen jedoch nur auf dem zugehörigen Bestandsrumpf verwendet werden.
Für neue Teams, die keinen eigenen Bestandsrumpf haben, gibt es die Möglichkeit einer "Legacy-Replik", was bedeutet, dass sie einen Rumpf bauen können, der exakt einem bereits existierenden Bestandsrumpf entspricht - aber kein komplett neues Design darstellt.
Das neue Regelwerk verbietet jegliche Modell-Tests in kontrollierten Umgebungen wie Windkanälen oder Schlepptanks. Teams dürfen keine Modell-Test-Daten erhalten oder verwenden, die nicht öffentlich zugänglich sind. Dies ist ein weiterer Schritt, um die Kosten zu senken und Wettbewerbsvorteile durch teure Testinfrastruktur zu reduzieren.
Für die Begleitboote gibt es ebenfalls neue Vorgaben: Alle Teams müssen eChase-Boote verwenden, die mit Batterien, Wasserstoff oder Biokraftstoffen betrieben werden. Diese müssen eine Mindestlänge von 10 Metern, eine Mindesthöchstgeschwindigkeit von 35 Knoten und eine Reichweite von 75 Seemeilen haben.
Die Teams werden nun mit der Anpassung ihrer AC75-Yachten beginnen, wobei viel Training auf die AC40-Klasse konzentriert sein wird. Hier dürfen die Teams zwei Boote für die drei geplanten Vorläufer-Regatten 2026 einsetzen. Bei diesen Regatten können die Teams zwei Boote melden, wobei eines eine Mischung aus Jugend- und Frauenseglern gemäß Protokoll aufweisen muss. Ab dem 15. Januar 2026 dürfen die Teams wieder mit ihren AC75-Yachten trainieren.
Die Teams müssen nun wichtige Entscheidungen treffen, die über den Gesamterfolg der einzelnen Kampagnen entscheiden werden. Besonders der Bau und die Einführung der drei erlaubten neuen Foils werden von entscheidender Bedeutung sein, wobei das Segelteam Zeit benötigt, um jeden Foil zu testen und sich damit vertraut zu machen.
Die AC38 Technical Regulations markieren einen Paradigmenwechsel im America's Cup. Statt unbegrenzter technologischer Aufrüstung setzt der Wettbewerb nun auf:
Diese Änderungen könnten den America's Cup für neue Teams zugänglicher machen und gleichzeitig die Gesamtkosten einer Kampagne deutlich reduzieren. Schätzungen zufolge sollen die neuen Regeln dabei helfen, das Ziel eines Kampagnenbudgets von etwa 60 Millionen Euro zu erreichen – deutlich weniger als die dreistelligen Millionenbeträge früherer Kampagnen.