America's CupNach dem Albtraum das Traumfinale

Dieter Loibner

 · 25.08.2013

America's Cup: Nach dem Albtraum das TraumfinaleFoto: Gilles Martin-Raget/ACEA
Die große Feier zum Sieg beim LVC. Doch die Kiwis hoffen, es war nicht die letzte

Die Kiwis fegen Luna Rossa mit 7:1 aus dem LVC und fordern ab 7. September die Milliardärstruppe von Oracle um den America's Cup

Das zwei Monate mehr oder weniger belanglose Vorgeplänkel ging gestern mit einem weiteren Sieg der überlegenen Neuseeländer über Luna Rossa im Finale des Louis Vuitton Cup zu Ende. Überlegen stürmten die Neuseeländer zum Sieg in der Herausforderserie und dürfen nun gegen Cup-Verteidiger Oracle ran. Nach den vielen Enttäuschungen bisher ist diese Paarung mit Sicherheit das Beste, das der Veranstaltung passieren konnte.

  Nebel auf dem Kurs, aber sonst alles klar: Spiel, Satz und Sieg NeuseelandFoto: Gilles Martin-Raget/ACEA
Nebel auf dem Kurs, aber sonst alles klar: Spiel, Satz und Sieg Neuseeland

Der exorbitante Vorsprung der Kiwis von 3:20 Minuten in einem Nebelrennen, das nur 33 Minuten dauerte, sagt dabei so ziemlich alles über das Kräfteverhältnis aus. "Wir kamen, um den America’s Cup zu gewinnen”, gab der siegreiche Skipper Dean Barker zu Protokoll. ”Den Louis Vuitton Cup zu gewinnen ist ein Teil der Vorbereitung.” Man hat also höhere Ziele vor Augen und will sich für die Schmach von 2003 revanchieren, als sie den Cup daheim mit 0:5 an Alinghi verloren und für 2007, als sie in Valencia wieder gegen die Schweizer knapp das Nachsehen hatten.

Team New Zealand gewinnt den Louis Vuitton Cup

Die Italiener mühten sich mit unterlegenem Material nach Kräften, hatten allerdings den Kampf schon vor der ersten Schlacht verloren, weil sie mit einem Boot der ersten Generation antraten. Sie konnten es zwar verbessern, blieben aber klar hinter den Kiwis, die einfach schneller waren und vor allem mit eingespielten Manövern viel gewannen. ”Die Neuseeländer hatten alles im Griff. Sie sind ein wirklich starkes Team, und ich freue mich darauf, sie im Match zu sehen", sagte Max Sirena, der Skipper der Unterlegenen. "Nächstes Mal werden wir stärker sein", fügte er abschließend hinzu. Wie auch das nächste Mal aussehen wird. Die AC72 sind ja nach Ende der Cup-Wettfahrten Museumsstücke oder teurer Sondermüll.

  Doppelt hält besser: Beide Oracle-Boote beim TrainingFoto: Guilain Grenier/Oracle Team USA
Doppelt hält besser: Beide Oracle-Boote beim Training

Oracle gegen Team New Zealand ist unter den gegebenen Umständen ein Traumfinale, aber auch das einzig logische, so ungleich die Protagonisten auch sein mögen: Die Firma eines Magnaten gegen das Team, das ein segelverrücktes Land repräsentiert. Der fahnenflüchtige Neuseeländer Russell Coutts im Dienste Oracles gegen seine Ex-Kollegen. Es sind die beiden stärksten Segelteams, die über ähnliches Leistungspotenzial verfügen dürften, sich aber von der Philosophie her voneinander unterscheiden wie Tag und Nacht.

Oracles Überschlag

Oracle hat quasi "unbegrenztes” Budget, das fast ausschließlich aus der Portokasse des Teaminhabers Larry Ellison kommt, der dem Softwarekonzern Oracle vorsteht und einer der reichsten Männer der Welt ist. Die Amerikaner haben die besten Segler eingestellt, die man für Geld bekommen kann. "Sie haben den Markt regelrecht leergekauft”, kommentierte ein langjähriger Beobachter der Szene. So ist etwa der englische Superstar und vierfache Olympiasieger Ben Ainslie nur Steuermann des B-Teams. Oracle ist auch das einzige Team, das zwei voll einsatzfähige AC72 gleichzeitig auf dem Wasser haben kann und macht von dieser Möglichkeit auch ausgiebig Gebrauch, um das Wettkampfsegeln zu simulieren und damit das Potenzial der Boote weiterzuentwickeln. Beim Design setzte der Titelverteidiger auf optimierte Aerodynamik bei Rumpf- und Wingdesign. Dies sollte bei leichterem und mittlerem Wind ein Vorteil sein, geht aber auch zu Lasten der Steifigkeit der Plattform. Wie sich das auswirken kann, war bei der Kenterung im Oktober letzten Jahres gut zu sehen, bei der sich der Kat während des Beschleunigens stark zu verwinden begann, bevor ein Rumpf abtauchte, was einen spektakulären Überschlag zur Folge hatte.

Team New Zealand wird im Unterschied zu Oracle von mehreren Großsponsoren unterstützt, die etwa zwei Drittel des Gesamtbudgets von ca. 100 Millionen Dollar bestreiten. Der Rest kommt von kleinen Firmen und der öffentlichen Hand, die diesen Cup dementsprechend zur Staatsaffäre hochstilisiert, weil der Gewinn für das Land im Südpazifik positive Konsequenzen haben würde. Nicht nur was den Nationalstolz angeht, sondern auch wirtschaftlich, besonders was den Tourismus und die Bootsindustrie betrifft. Die Neuseeländer waren die ersten, die das Foilen mit diesen eigentlich nicht dazu konzipierten AC72-Kats beherrschten, sie konnten sich damit auch einen Erfahrungsvorsprung sichern, der allerdings im Laufe der Zeit schrumpfte. Wie Oracle haben die Kiwis zwei Boote gebaut, die sie allerdings nicht gleichzeitig segeln können, weil ihnen dazu die nötigen Mittel und Leute fehlen. Das erste Boot, das dem entspricht, mit dem Luna Rossa in San Francisco am Start war, diente als Entwicklungsplattform, von der ausgehend ein zweites gebaut wurde, das sie jetzt auch segeln.

Kapitaler Stecker der Kiwis

Schon frühzeitig entschieden sie sich beim Design für Steifigkeit mit freiliegenden Diagonalverstrebungen und größeres Rumpfvolumen im Bug, um für die oberen Regionen des Windlimits gerüstet zu sein. Während sie damit bewusst aerodynamische Nachteile in Kauf nehmen, verdanken sie dieser Entscheidung mit größter Sicherheit, dass sie einen kapitalen Stecker beim Louis Vuitton Cup glimpflich überstanden haben. Offensichtlich auch die exquisite Bootsbeherrschung von Dean Barker und Kollegen, vor allem bei den Halsen, die vollständig auf den Foils gefahren werden. Die Abläufe sind präzise koordiniert und choreografiert und wurden im Laufe der Ausscheidungswettfahrten perfektioniert. Vielleicht ein kleiner Vorteil gegenüber Oracle.

Um’s auf einen Nenner zu bringen: Der Verteidiger dürfte bei leichterem Wind Vorteile haben, während die Neuseeländer darauf hoffen, dass San Franciscos frischem Westwind nicht der Atem ausgeht. Die Windlimits für den America’s Cup sind bekanntlich höher als die beim Louis Vuitton Cup, was den Kiwis ebenfalls in die Karten spielen könnte. Sollte der Unterschied zwischen den Booten gering sein, wie von Veranstalterseite kolportiert, wird den Starts größte Bedeutung zukommen. Denn auf der San Francisco Bay gibt's gegen gleichwertige oder marginal langsamere Konkurrenten, die im Matchracing geübt sind, kaum Überholmöglichkeiten. Aber wenn’s knapp hergeht, könnte es gut sein, dass auch Spitzenseglern mal eine Halse oder ein Bojenmanöver misslingt, womit es doch zu Führungswechseln kommen könnte.

  Zweiter und dennoch Sieger: Luna Rossa bekam nachträglich den Gesamtsieg bei der America's Cup World Serie zugesprochen, nachdem Oracle/Spithill Punkte aberkannt wurdenFoto: Gilles Martin-Raget/ACEA
Zweiter und dennoch Sieger: Luna Rossa bekam nachträglich den Gesamtsieg bei der America's Cup World Serie zugesprochen, nachdem Oracle/Spithill Punkte aberkannt wurden

Egal wie oder warum, aber nach den dürftigen Vorstellungen braucht der Cup dringend ein paar elektrisierende Wettfahrten, um zumindest einen Bruchteil der großartigen Versprechungen zu rechtfertigen, die vor Beginn der Veranstaltung von den Ausrichtern gemacht wurden.

PS: Zu den nicht enden wollenden Peinlichkeiten bei diesem Cup passt es dann auch, dass die Saisonwertungen der America’s Cup World Series Regatten, die mit den kleineren AC45-Kats gesegelt wurden, empfindlich korrigiert werden mussten. Wegen illegaler Manipulationen an den Booten von Oracle/Spithill, Ben Ainslie Racing und Hagara/Steinacher Racing wurden den genannten Teams für die Regatten, die nach Newport 2012 stattfanden, alle Punkte aberkannt. Oracle/Spithill verlor damit auch beide Gesamtsiege bei der America’s Cup World Serie 2011/2012 und 2012/2013. Die Pokale dafür werden nun den neuen Gewinnern, Team New Zealand und Luna Rossa Piranha, zugeschickt. Ob Oracle durch diese Affäre auch Punkteabzüge fürs Cupfinale drohen oder gar die Suspendierung einiger Segler, die angeblich in die Affäre verwickelt waren, steht noch nicht fest.

Das Programm America’s Cup Match (Best-of-17)

Samstag, 7. September: Rennen 1 (13.10 Uhr Ortszeit/22.10 Uhr MESZ), Rennen 2 (14.10 Uhr Ortszeit/23.10 Uhr MESZ)
Sonntag, 8. September: Rennen 3 (13.10 Uhr Ortszeit/22.10 Uhr MESZ), Rennen 4 (14.10 Uhr Ortszeit/23.10 Uhr MESZ)
Dienstag, 10. September: Rennen 5 (13.10 Uhr Ortszeit/22.10 Uhr MESZ), Rennen 6 (14.10 Uhr Ortszeit/23.10 Uhr MESZ)
Donnerstag, 12. September: Rennen 7 (13.10 Uhr Ortszeit/22.10 Uhr MESZ), Rennen 8 (14.10 Uhr Ortszeit/23.10 Uhr MESZ)
Samstag, 14. September: Rennen 9 (13.10 Uhr Ortszeit/22.10 Uhr MESZ), Rennen 10* (14.10 Uhr Ortszeit/23.10 Uhr MESZ) (*falls nötig)