Pascal Schürmann
· 26.05.2004
Tony Kolb im Interview nach seiner gestrigen offiziellen Berufung ins Team BMW Oracle Racing
Alles neu macht der Mai. So jedenfalls sieht es aus Sicht von Weltumsegler Tony Kolb aus. Der 28-Jährige unterzeichnete seinen neuen Arbeitsvertrag bei Larry Ellisons America's-Cup-Kampagne BMW Oracle Racing. Und ist darüber "sehr glücklich". Yacht online traf den Familienvater in München zum Gespräch, bevor er erneut die Koffer packt, um sich in seinem künftigen Wohnort Valencia eine Bleibe zu suchen.
YACHT online: Zunächst unseren Glückwunsch zum neuen Job. Wer hat Sie ins Team geholt und wann haben Sie unterschrieben?
Tony Kolb: Unterschrieben habe ich am 5. Mai. Ich bin sehr glücklich darüber. Nachdem mit John Kostecki, Ross Halcrow, Dirk de Ridder, Noel Drennan und Jamie Gale schon eine ganze Reihe meiner ehemaligen "illbruck"-Kollegen im Team waren, holten sie mich dazu.
YACHT online: Sie haben ein mehrwöchiges Training mit dem Team in Auckland absolviert. Steht schon fest, in welcher Position Sie eingesetzt werden?
Tony Kolb: Das steht noch nicht endgültig fest. Ich halte mich aber für einen typischen Bow/Midbow-Menschen. Mir liegt die Action auf dem Vorschiff. Ich bin kein besonders guter Steuermann oder Trimmer, aber ich war schon immer körperlich ziemlich fit. Deswegen passt das Vorschiff als Einsatzbereich.
YACHT online: Werden Sie auch im technischen Bereich einen Verantwortungsbereich übernehmen?
Tony Kolb: Die Position des Boat Captains ist vage im Gespräch und eine Perspektive. Ich kenne mich gut aus mit Hydraulik, Masten und Riggs. Das würde passen. Allerdings habe ich technisch noch keinen kompletten Einblick, weil ich in Neuseeland zunächst nur an Trials teilgenommen habe und noch ziemlich viel vor mir geheimgehalten wurde.
YACHT online: Ihr neuer Boss Chris Dickson gilt im Allgemeinen als exzellenter Segler, aber auch als harter "Peitschenschwinger". Wie kommen Sie mit ihm zurecht?
Tony Kolb: Ich finde Chris sehr sympatisch. Er ist einfach enorm ehrgeizig und steckt sich und anderen ständig hohe Ziele. Ich mag diese Arbeitsweise, weil man so nicht in die Luft hinein arbeitet.
YACHT online: Der neue Job wird auch das Leben Ihrer Familie grundlegend verändern. Wie sehen Ihre Pläne aus?
Tony Kolb: Ich fliege in der kommenden Woche wieder nach Valencia, wo wir schon unsere neuen Trainingsboote liegen haben. Dann werde ich erst einmal eine Wohnung mieten. Meine Frau Kim, unsere Tochter Marie und ich werden dort ab dem nächsten Jahr ziemlich permanent leben. Es ist eine Traumstadt, und ich freue mich sehr auf diese neue Erfahrung.
YACHT online: Sie sind der fünfte Deutsche, der nach Ralf Steitz, Jochen Schümann, Weert Kramer und Tim Kröger um den America's Cup segeln wird. Haben noch weitere deutsche Segler eine Chance, in Ihr Team zu kommen?
Tony Kolb: Für jeden guten Segler aus aller Welt gibt es eine Chance, sich bei uns zu bewerben.
YACHT online: Wie beurteilen Sie die Chancen für eine künftige deutsche America's-Cup-Herausforderung, auf die hierzulande so viele Fans und auch Protagonisten wie Jochen Schümann hoffen und hinarbeiten?
Tony Kolb: Als es noch die alte Nationenregel gab, hätte ich mir eine deutsche Kampagne gewünscht. Aber heute ist das doch egal. Der Zug ist abgefahren. Und man braucht auch mehr Erfahrung, als wir in Deutschland haben. Aber ein paar mehr deutsche Mitstreiter würde ich mir schon wünschen. Ich denke aber, dass unser Team mit dem neuen Namen und mit mir schon einige Identifikationsmöglichkeiten für deutsche Fans bietet.
YACHT online: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft nach dem America's Cup 2007 vor?
Tony Kolb: Ich werde in diesem Job ganz sicher nicht zum Millionär. Also muss ich noch ein bisschen arbeiten. Ich möchte weiter aktiv im Regattasport tätig sein, solange ich fit genug dafür bin. Außerdem möchte ich auch gern noch mal um die Welt segeln. Und vielleicht einen neuen Olympia-Anlauf nehmen.
YACHT online: Aber nach Ihrem Ausstieg bei Marc Pickel doch nicht etwa wieder im Starboot?
Tony Kolb: Nein, lieber allein im Finn-Dinghi.
YACHT online: Wie viele America's-Cup-Teams erwarten Sie, wenn es 2007 vor Valencia losgeht?
Tony Kolb: Ich glaube an zwölf Teams. Die Rennen in Valencia sind doch hochattraktiv. Die Action findet wirklich hautnah vor dem Strand statt. Da können die Zuschauer das Fieren der Schoten hören.
Das Interview führte Tatjana Pokorny