America’s CupMachtkampf um die Zukunft – Alinghi signalisiert Comeback-Chance

Tatjana Pokorny

 · 30.05.2025

Bild mit Symbolkraft: Alinghi schaltet sich wieder in den America's Cup ein.
Foto: Ian Roman/America's Cup
Die Front gegen die neuseeländischen Cup-Verteidiger wird breiter. Nach Vorwürfen von Athena Racing und American Magic hat nun auch das im April zunächst von seinen America’s-Cup-Aktivitäten zurückgetretene Team Alinghi die Kiwis des Rechtsbruchs bezichtigt. Dazu stellten die Schweizer überraschend ein mögliches Cup-Comeback in Aussicht.

Im America’s Cup schlagen die Wogen der Empörung auf Seiten der Herausforderer immer höher. Nachdem bereits am 22. Mai der Challenger of Record (Athena Racing) und das US-Team New York Yacht Club American Magic den neuseeländischen America’s-Cup-Verteidigern in zwei aufeinanderfolgenden Statements mangelnde Transparenz und Kooperation vorgeworfen hatten, hagelte es jetzt neue Kritik. Dabei wird die Tonart schärfer.

38. America’s Cup: Alinghi mischt sich ein

In drei aufeinanderfolgenden und offensichtlich in Timing und Inhalten zuvor miteinander abgestimmten Statements, haben am 29. Mai erst Team Alinghi (Schweiz), dann Athena Racing (Großbritannien) und schließlich American Magic (USA) binnen rund eineinhalb Stunden erneut heftige Vorwürfe gegen das Team New Zealand erhoben. Besonders überraschte der Vorstoß Alinghis.

Die zweimaligen Schweizer America’s-Cup-Gewinner (2003, 2007) hatten sich ursprünglich im April dieses Jahres von ihren Cup-Aktivitäten zurückgezogen. Ihren Rückzug hatten die Eidgenossen im April damit begründet, “keine Einigung mit dem Verteidiger über die Zukunft des Events” erzielt haben zu können.

Es hieß schon im Alinghi-Statement vom 22. April: “Wir hätten uns mehr Verantwortungsbewusstsein, mehr Transparenz und neue Möglichkeiten gewünscht, nicht nur individuell, sondern als Gruppe zu agieren. Auf diese Weise hätten wir alle gemeinsam eine kommerziell tragfähige Veranstaltung auf die Beine stellen können, die weltweite Fernsehübertragungen, Zuschauer und Sponsoren angezogen hätte.”

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Neapel willkommen, Kiwi-Alleingang kritisiert

Als Konsequenz verkündeten die Schweizer im April die Auflösung ihres Teams. Jetzt könnte es zum erneuten Comeback in der Team-Geschichte kommen. Im aktuellen Statement vom 29. Mai verneigt sich das Team des in Rom geborenen 59 Jahre alten Rennstallbesitzers Ernesto Bertrarelli tief vor dem gewählten Austragungsort Neapel, kritisiert aber gleichzeitig scharf das Vorgehen der Neuseeländer.

Im Statement heißt es: “Wir begrüßen zwar von ganzem Herzen die Wahl von Neapel als perfekten Austragungsort für den Cup im Jahr 2027, doch unsere Bedenken haben sich gestern noch verstärkt, als Team New Zealand die Bekanntgabe des Austragungsortes bei einer Veranstaltung in der Stadt feierte.” Hier geht es zum YACHT-Bericht zur betreffenden America’s-Cup-Präsentation durch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

Die von Team Alinghi jetzt geäußerten “Bedenken” richten sich gegen die Festlegung und Bekanntgabe des Austragungsortes ohne Abstimmung mit der Herausforderern. Im Alinghi-Statement heißt es: “Sie hatten kein Recht dazu, ohne zuvor ein Protokoll mit dem Challenger of Record, Athena Racing, zu vereinbaren, der zu den Entscheidungen über den Austragungsort, die für alle Herausfordererteams hinsichtlich Kosten und Logistik von entscheidender Bedeutung sind, nicht konsultiert wurde.”

38. America’s Cup: inakzeptabler Rechteverkauf?

Die Schweizer hatten zuvor bereits ein entsprechendes Schreiben an die laut Cup-Statuten offiziellen Verteidiger der Royal New Zealand Yacht Sqaudron gerichtet. In ihrem Statement wurden sie jetzt noch deutlicher: “Mit der Unterzeichnung eines kommerziellen Vertrags mit der Gastgeberstadt, der die Herausfordererserie um den Louis Vuitton Cup umfasst, hat Team New Zealand etwas verkauft, an dem es keine Rechte hat. Das ist nicht akzeptabel.”

Die Entscheidungen der Neuseeländer seien ein Beweis dafür, dass der Titelverteidiger seinen Pflichten als Treuhänder des America’s Cup nicht nachkomme. Weiter heißt es: “Als zweifacher Cup-Gewinner und ehemaliger Treuhänder fühlt sich Alinghi stets in der Verantwortung gegenüber dem America’s Cup und ist überzeugt, dass diejenigen, die die Veranstaltung organisieren und durchführen, stets das gemeinsame Interesse des Cups über alles andere stellen sollten.”

Gegen Ende des Statements, in dem sich Alinghi deutlich an die Seite von Sir Ben Ainslies Challenger of Record Athena Racing und American Magic stellt, schlagen die Schweizer dann plötzlich positivere Töne an: “Wir bleiben zuversichtlich, dass sich der Titelverteidiger und der Herausforderer auf ein Protokoll einigen können, das einen fairen sportlichen Rahmen für die Regatta und eine wirtschaftlich tragfähige Veranstaltung für alle Beteiligten des America's Cup schafft.”

Alinghi vor Comeback im America’s Cup?

Es folgt zum Schluss des Alinghi-Statements die eigentliche Überraschung, indem der Bertarelli-Rennstall ein weiteres Comeback im America’s Cup in Aussicht stellt. Es heißt: “Wenn dies erreicht werden kann, ist Alinghi bereit, Wege zu suchen, wie wir Teil dieser Zukunft sein können, insbesondere in der wunderschönen Stadt Neapel im Jahr 2027, einem wahrhaft passenden Schauplatz für die größte Segelregatta der Welt.”

Dem Alinghi-Vorstoß folgten am Nachmittag des 29. Mai zwei weitere offizielle Statements von Athena Racing und American Magic. Beklagt werden vom britischen Challenger of Record – dem federführenden Verhandlungspartner der Verteidiger auf Seiten der Herausforderer – weiter “mangelnde Transparenz” auf Seiten der Verteidiger.

Athena Racing habe “in den letzten sieben Monaten in gutem Glauben verhandelt und hat nach wie vor ernsthafte Bedenken hinsichtlich mehrerer Klauseln des Protokolls, das weit entfernt davon ist, ‘endgültig’ zu sein, wie es der Titelverteidiger behauptet.” Das Protokoll im Entwurfstadium hatten die Neuseelländer als Antwort auf die ersten öffentlichen Vorwürfe der Herausforderer hier veröffentlicht.

Machtkampf im America’s Cup: droht ein Rechtsstreit?

Ben Ainslies Cup-Team stellt eigene Aktivitäten in Aussicht: “Athena Racing ist entschlossen, im Namen aller Herausforderer eine Lösung und eine Einigung für den 38. America's Cup zu finden. Wir werden dem Titelverteidiger umgehend ein Protokoll und einen Partnerschaftsrahmen vorlegen, von denen wir hoffen, dass sie eine erfolgreiche Veranstaltung für alle Beteiligten im Jahr 2027 und darüber hinaus ermöglichen werden.”

Das Statement von American Magic folgte der britischen Bekanntgabe. Auffällig oft ist in den Statements der Herausforderer der Vorsurf zu lesen, dass die Verteidiger ihre Pflichten als Cup-Treuhänder verletzen. Auch die Amerikaner werfen den Neuseeländern vor, “die Herausfordererserie ohne Einvernehmen mit dem Challenger of Record verkauft” zu haben. American Magic erklärt seine Unterstützung für den Challenger of Record auf dem Weg zu einem “fairen und ausgewogenem Protokoll”.

Bis eine solche Rahmenvereinbarung getroffen ist, wird American Magic sich nicht zur Teilnahme an der Herausfordererserie zum 38. America's Cup verpflichten.” American Magic

Ob das Kritikgewitter der Herausforderer in Richtung Verteidiger nur den Verhandlungsdruck im Ringen um das Protokoll und bestmögliche Bedingungen für die Herausforderer im 38. America’s Cup erhöhen soll oder bereits ein möglicher Rechtsstreit vorbereitet wird, bleibt abzuwarten. Die Kiwis reagierten auf die jüngste Salve der Vorwürfe knapp und sachlich, berufen sich auf ihre Rechte.

Kiwis antworten kurz und bündig

Das Emirates Team New Zealand ließ wissen: “Der Verteidiger hat gemäß der Deed of Gift (Red.: Cup-Stiftungsurkunde) das Recht und die Pflicht, den Austragungsort zu wählen, und die mit dem Challenger of Record am Ende des 37. America's Cup unterzeichnete Absichtserklärung überträgt dem Verteidiger ebenfalls dieses uneingeschränkte Recht und diese Verpflichtung. Der Verteidiger ist weiterhin entschlossen, mit den Teams zusammenzuarbeiten, um eine Partnerschaft für zukünftige America's Cups aufzubauen.”

In einer weiteren Klarstellung dazu hieß es aus Neuseeland am 29. Mai: “Der Austragungsort für das Match und die vorangehenden CSS (Red.: gemeint ist die Challenger Selection Series, also die Herausfordererserie) wird vom AC38-Verteidiger innerhalb von acht Monaten nach dem Finale des AC37 festgelegt und bekannt gegeben. Die endgültigen Termine für das Match und die vorangehenden CSS werden innerhalb von weiteren zwei Monaten nach Bekanntgabe des Austragungsortes bekannt gegeben.“ Das Tauziehen darum geht weiter.

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