Match des Tages war an diesem Sonntag im Americas’s-Cup-Revier vor Barcelona die Begegnung zwischen Ineos Britannia und Frankreichs Orient Express Racing Team. Die Franzosen rauschten bei um die zwölf Knoten Wind schon mit 45 Knoten Speed äußerst entschlossen in die Startbox hinein. Den Briten unterlief beim fast ebenbürtigen Start beider Boote ein hauchdünner Frühstart. Nach Bereinigung lagen sie zunächst 100 Meter zurück. Das erste Gate erreichten die Franzosen mit 13 Sekunden Vorsprung vor “Britannia”.
Auf dem zweiten Kursabschnitt spielten die britischen Co-Piloten Sir Ben Ainslie und Dylan Fletcher-Scott mit ihrem Team “Britannias” offensichtliche Vorwind-Stärken aus. Noch vor Erreichen des Lee-Tores übernahmen die Briten die Führung. Während sie die Marke schnell und sauber rundeten, verlor der “Orient Express” hier etwas an Boden. Auf Kursabschnitt drei eroberten die Franzosen die Führung wieder zurück. Auf Kurs zum Luv-Tor setzten dann die Briten eine Wende zu dicht vor den Bug der Franzosen – den Penalty gegen “Britannia” kritisierte Ben Ainslie nach dem Rennen nicht.
Beim dritten Gate rundeten die Franzosen die Tonne mit 20 Sekunden Vorsprung vor “Britannia”, die ihren Rückstand von rund 200 Metern zu Beginn von Kursabschnitt vier aber schnell wieder drückte. Beim vierten Tor war der Vorsprung der beherzt und schnell segelnden Franzosen auf zwölf Sekunden zusammengeschmolzen. “Britannia” holte sich die Führung auf etwa der Hälfte von Kursabschnitt fünf zurück. Beim fünften und letzten Tor vor dem Zieldurchgang hielten die Briten eine Führung von elf Sekunden. Downwind machten sie daraus im Ziel 16 Sekunden.
Hut ab vor den Franzosen. Sie hatten die wenigste Zeit auf dem Wasser und haben eine starke Leistung gezeigt.” Sir Ben Ainslie
“King Ben” Ainslie zeigte seine Erleichterung über den Sieg in diesem heiß umkämpften Duell direkt nach dem Rennen ungefiltert. Der 47-jährige viermalige Olympiasieger und America’s-Cup-Sieger mit dem Oracle Team USA 2013 sagte: “Das war ein Rennen für die Fans, ein verdammt gutes Rennen! Wir haben uns einfach mit der Zeit und der Distanz zur Startlinie etwas verhauen und haben dann noch auf dem Kurs einen Fehler gemacht. Alle Teams verbessern sich laufend. So langsam kommen wir dahin. Hut ab vor den Franzosen. Sie hatten die wenigste Zeit auf dem Wasser und haben eine starke Leistung gezeigt.”
Ähnlich sah es “Orient Express”-Steuermann Quentin Delapierre: “Wir waren dicht dran, aber es war nicht gut genug für den Moment. Aber wir werden versuchen zurückzukommen und eine großartige zweite Round-Robin-Runde zu haben. Für uns wird eine höhere Konstanz wichtig sein. Die Briten haben heute ein wirklich gutes Rennen bestritten.”
Sonntagabend markierte die Halbzeit der doppelten Round-Robin-Runde, in der jedes Team zweimal auf jedes andere trifft. Der Louis Vuitton Cup wird am 3. September fortgesetzt. Bis dahin thronen in der Herausforderer-Wertung OHNE die teilnehmenden Neuseeländer Italiens America’s-Cup-Jäger an der Spitze. Patrizio Bertellis Luna Rossa Prada Pirelli Team hat alle anderen Herausforderer einmal geschlagen. Die Azzurri führen das Klassement bei ihrem siebten Cup-Anlauf seit 2000 mit 4:0 Punkten an.
In der Louis-Vuitton-Cup-Wertung MIT den Herausforderern stehen die Kiwis selbst mit 4:1 Siegen an der Spitze. Ihre einzige Niederlage war dem Nicht-Antreten gegen Ineos Britannia am Tag nach dem Kranunfall geschuldet. Ihnen folgen in dieser Wertung aller sechs Cup-Teams die Italiener ebenfalls mit 4:1 Siegen. Der italienische Verlustpunkt resultiert aus dem verlorenen Duell gegen die Kiwis.
Am Sonntag gewann die rasende «Luna Rossa» ihr Duell gegen die nach Rückschlägen in Serie offensichtlich wiedererstarkten Schweizer vom Team Alinghi Red Bull Racing. Nach missglückten Starts und verlorenen Duellen in Serie, boten die Co-Piloten Arnaud Psarofaghis und Maxime Bachelin mit ihrer Crew an diesem Sonntag ein anderes, ein entschlossenes Bild. Nach sauberem Start hielten zunächst die Schweizer eine knappe Führung, die in der Folge schnell und mehrfach wechselte. Tor 1 erreichte “Luna Rossa” nur vier Sekunden vor den Eidgenossen.
Dan aber rauschte “Luna Rossa” zunehmend davon. Die Schweizer konnten ihren Rückstand aber immer wieder verkürzen, kämpften mit allen Mitteln. Auf Kursabschnitt vier war ihr Rückstand dennoch auf mehr als 500 Meter angewachsen. Die Italiener agierten, als hätte ihr “Silberblitz” noch einen Extra-Gang. Erst, als die Schweizer ihren Rückstand bis zum vorletzten Kursabschnitt noch einmal auf unter 200 Meter drücken konnten und nach harter Woche hellwach wirkten, nahmen die Italiener sie in lose Deckung. Im Ziel hatten die Azzurri aber wieder 26 Sekunden herausgesegelt.
Die Schweizer waren nach dem phasenweise sehr spannenden Duell mit den Klassenbesten unter den Herausforderern aus Italien trotz ihrer Niederlage viel besserer Dinge als noch am Tag zuvor. Co-Generalmanager Silvio Arrivabene sagte am Abend: „Heute hatten wir einen guten Start gegen das wahrscheinlich stärkste Team und sicherlich die stärksten Matchracer in der Flotte im Moment. Wir waren in der Lage, während des Rennens im Spiel zu bleiben, also bin ich wirklich stolz auf die Jungs.”
Das ist eine Art, sich von den letzten drei Tagen zu befreien, die schwierig waren.” Silvio Arrivabene
Das Ziel für die Rückrunde des Round-Robin-Wettbewerbs bis zum Louis-Vuitton-Cup-Halbfinale gab Silvio Arrivabene auch gleich vor: “Bei dieser Regatta geht es nur darum, die zu schlagen, die man schlagen muss, um die nächste Etappe zu erreichen. Das ist völlig offen. Wir werden uns am Dienstagmorgen sehr darauf konzentrieren, das zu erreichen.”
Im Blick hatte Arrivabene bei seinen Worten das Duell gegen das vorletzte Team des Zwischenklassements: Das Orient Express Racing Team hatte die Schweizer im ersten Duell der Hinrunde überraschend bezwungen und verfügt mit dem Design-Schwesterschiff der neuseeländischen “Taihoro” über ein schnelles Boot.
Das ermutigende Match der Eidgenossen gegen “Luna Rossa” hatte den eher unglücklicklichen Sonntagsauftakt für Alinghi Red Bull Racing schnell vergessen lassen. Da hatten die Schweizer vor dem Duell gegen Neuseelands Verteidiger – eine Begegnung ohne Punktauswirkung auf den Kampf der Herausforderer um den Einzug ins Halbfinale des Louis Vuitton Cup – zur Reparatur in den Hafen zurückkehren müssen. Auf “BoatOne” war beim Setzen des Großsegels die Mastschiene beschädigt worden.
Für eine Reparatur auf dem Wasser war der Wellengang zu stark. Zwar hatte Alinghi Red Bull Racing die Reparatur im Hafen blitzschnell ausgeführt, doch reichte es nicht mehr ganz zum pünktlichen Antritt zum ersten Match des Tages. Weil sie sich bei Rennbeginn noch mehr als 100 Meter außerhalb der Kursbegrenzung befanden, kassierten die Schweizer nicht nur einen Penalty, sondern wurden direkt vom Rennen disqualifiziert.
Wie hungrig die Schweizer und auch die Kiwis auf Rennpraxis waren, demonstrierten sie dadurch, dass sie sich trotzdem ein phasenweise interessantes Duell lieferten, es aber vor dem Zieldurchgang abbrachen. Einen überzeugenden Sieg holten sich die Neuseeländer später im letzten Sonntagsduell gegen NYYC American Magic. Nach Split-Start und einer eher seltenen, nicht ganz sauberen Wende der Kiwis, war es anfangs die amerikanische “Patriot”, die Tor eins mit zehn Sekunden Vorsprung erreichte.
Einen Kursabschnitt später waren es nach spannendem Powerplay zweier ebenbürtig wirkender Gegner immer noch neun Sekunden Vorsprung, mit denen die Co-Piloten Tom Slingsby und Paul Goodison “Patriot” um die nächste Wendemarke peitschten. Am zweiten Luv-Tor sind es nur noch fünf Sekunden. Beim ersten Zusammentreffen der Boote danach hatte “Patriot” noch einmal den Bug knapp vorne. Dann nutzten die Kiwis auf dem Vorwind-Abschnitt den besseren Druck auf der linken Seite, kamen mit Steuerbordvorteil zurück und erreichen das letzte Lee-Tor mit acht Sekunden Vorsprung.
Danach zogen sie ab, während “Patriot” die Marke mit Problemen zu langsam rundet. Ihren rund 100 Meter großen Vorsprung verteidigten die Kiwis unbarmherzig. An der letzten Wendmarke war ihr Vorsprung auf 16 Sekunden ausgebaut. Auf der Zielgeraden ließen Peter Burling, Nathan Outteridge und ihre Crew noch einmal “Taihoros” Muskeln spielen. Die Ziellinie erreichten sie mit fast einer halben Minute vor den Amerikanern, die zulegen werden müssen, wenn sie den souverän agierenden Neuseeländern in knapp eineinhalb Monaten die “Bodenlose Kanne” entreißen wollen.
Der von den Veranstaltern als “Serious Sunday” (dt.: ernsthafter Sonntag) bezeichnete Renntag mit mehr Wind als noch am Vortag hat mehrfach gezeigt, wie spannend es in den Duellen zur Sache gehen kann, wenn etwa ebenbürtige Gegner in genügend Druck agieren können. Bei Spitzengeschwindigkeiten der AC75-Foiler von mehr als 45 Knoten (85 km/h) auf dem Wasser war die Segelschau vor Barcelona am Sonntag spannender anzusehen als manches erbarmungswürdige Match an den Vortagen. Den Pausentag nach dem Wochenende werden alle Teams intensiv für weitere Verbesserungen nutzen.
Louis Vuitton Cup, Tag 4, Match 13 – Ineos Britannia vs. Orient Express Racing Team:
Louis Vuitton Cup, Tag 4, Match 14 – Alinghi Red Bull Racing vs. Luna Rossa Prada Pirelli:
Louis Vuitton Cup, Tag 4, Match 15 – NYYC American Magic – Emirates Team New Zealand: