America’s CupKiwis siegen, ein 19-Jähriger lässt den “Roten Mond” leuchten

Tatjana Pokorny

 · 02.12.2023

Die Top-Teams der 2. Vorregatta zum 37. America's Cup: das siegreiche Emirates Team New Zealand und Patrizio Bertellis Luna Rossa Prada Pirelli Team
Foto: America's Cup/AC37 Event Limited
Bei der zweiten Vorregatta zum 37. America’s Cup haben sich die neuseeländischen Herausforderer in Top-Form gezeigt. Die Schau aber stahl dem Cup-Establishment ein 19-jähriger Römer: Marco Gradoni setzte als einer von zwei Steuermännern mit dem italienische Cup-Team Luna Rossa Prada Pirelli glanzvolle Akzente

Stellt euch vor, ihr seid 19 Jahre alt und messt euch mit den besten Seglern der Welt bei einer Vorregatta zur ältesten und wichtigsten Trophäe des Sports. So ist es für den erst 19 Jahre alten Römer Marco Gradoni. Er parierte die Aufgabe mit erstaunlicher Ruhe als echter Teamplayer, sagte nach den drei Rennsiegen der Italiener: “Der ist fürs gesamte Team.”

Azzurri geben dem Cup-Nachwuchs die Chance: drei Siege und Platz zwei beim ersten Einsatz

Als erster Segelsportler hatte Marco Gradoni die Optimisten-Weltmeisterschaft zwischen 2017 und 2019 dreimal hintereinander gewonnen. 2019 wurde das Jahrhunderttalent als jüngster Akteur der Segelsportgeschichte zum Weltsegler des Jahres gekürt. Vier Jahre später nun hält er bereits das Steuer eines AC40-Foilers in Händen, war am Wochenende neben Nacra-17-Olympiasieger Ruggero Tita einer der beiden jungen Lenker und Denker für Patrizio Bertellis Azzurri bei der zweiten Vorregatta zum 37. America’s Cup im Einsatz.

Die Italiener haben nach dem Einsatz ihrer erfahrenen Steuerleute Francesco Bruni und Jimmy Spithill bei der ersten Vorregatta in Vilanova i la Geltrù für Runde zwei in Dschidda ganz bewusst auf ihren Nachwuchs gesetzt, der auf Cup-Kurs wertvolle Erfahrungen sammeln durfte. Nachdem die Youngster bei der Generalprobe in Dschidda noch recht spektakulär von den Foils gefallen und “den Ferrari” vor den Augen ihres Chefs haben tauchen lassen, drehten sie in der dreitägigen Vorregatta bis zum Finale am 2. Dezember in sehenswerter Weise auf.

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Frankreichs Orient Express von Technikproblemen geplagt

Mit dem insgesamt dritten Sieg im siebten und vorletzten von acht Fleetraces bis zum Matchrace-Finale katapultierten sich die Italiener mit dem Luna-Rossa-Segelquartett nach den neuseeländischen Fleetrace-Siegern als zweites Team ins entscheidende Duell. Das Nachsehen hatten Alinghis rote Bullen, die in Vilanova noch siegreichen Amerikaner vom Team NYYC American Magic, Sir Ben Ainslies Team Ineos Britannia und Frankreichs an diesem Wochenende von technischen und Hydraulik-Problemen geplagter Orient Express.

Während sich das Gros der Cup-Prominenz quälte, avancierten Marco Gradoni, Ruggero Tita und ihre beiden Trimmer Vittorio Bissaro und Umberto Molineris zum Gesprächsthema Nummer eins an diesem rasanten Regattawochenende auf dem Roten Meer. “Max Sirena (Red.: Teamdirektor) hat uns eine Riesenchance gegeben, für die wir sehr dankbar sind”, sagte Ruggero Tita bei seiner offiziellen Cup-Premiere.

Dieser Sieg hier auf dem Roten Meer bedeutet uns nach der nicht so guten Vorstellung in Vilanova sehr viel” (Nathan Outteridge)

Die neuseeländischen Cup-Verteidiger spürten bei ihrer Gala vor Dschidda keinen Atem heißer im Heck als den der jungen und angriffslustig agierenden Italiener. Neuseelands vielfach vergoldete Steuermänner Peter Burling und Nathan Outteridge mussten ihr gesamtes Repertoire abrufen, um den am Ende souveränen Gesamtsieg der Kiwis ins Ziel zu bringen.

“Dieser Sieg hier auf dem Roten Meer bedeutet uns nach der nicht so guten Vorstellung in Vilanova sehr viel. Wir sind glücklich, dass wir ein paar saubere Runden abliefern konnten. Und es war schön, am Ende das Duell gegen Luna Rossa Prada Pirelli zu gewinnen”, zog der 37-jährige 49er-Olympiasieger Nathan Outteridge Bilanz. Der Australier ist für die Cup-Verteidigung zum Emirates Team New Zealand gewechselt.

Zwischen 19 und 50 Jahren: Vier Steuermänner machen das Team Luna Rossa Prada Pirelli stark

Die italienischen Shooting-Stars Ruggero Tita und Marco Gradoni empfanden ihre Finalniederlage zwar als weniger schön, dürfen aber stolz auf ihren ersten Einsatz im 37. America’s-Cup-Zyklus zurückblicken. Zum einen, weil sie die Kiwis massiv unter Druck setzen konnten und sich im Finale nur knapp geschlagen geben mussten. Zum anderen, weil sie schon im ersten Anlauf eine ganze Armada an Cup-Stars hinter sich lassen konnten. Als beste der fünf Herausforderer-Kampagnen beenden die Italiener das Jahr in Aufbruchstimmung.

Rennstallbesitzer Patrizio Bertelli jagt den America’s Cup seit der Jahrtausendwende. Es ist seine siebte Herausforderung im Zeichen des “Roten Mondes” (Luna Rossa). Mit gleich vier herausragenden Steuerleuten – Francesco “Checco” Bruni (50 Jahre), Jimmy Spithill (44), Ruggero Tita (31) und Marco Gradoni (19) – haben sich die Italiener in Regie von Teamdirektor Max Sirena einen beeindruckenden Pool aus zwei Cup-Generationen erschaffen. Kein anderes Cup-Team verfügt über eine solche Breite und Tiefe an Top-Steuermännern wie Luna Rossa Prada Pirelli.

Die Kiwis bleiben die Messlatte im 37. America’s Cup

Nach sechs Rennsiegen in drei Tagen gehen aber auch die Kiwis in Bestlaune in die Weihnachtspause. Noch sind sie das Team, das die Messlatte im America’s Cup setzt. Das Emirates Team New Zealand krönte sich zum Saisonende zum Champion auf dem Roten Meer. “Sie sind immer noch die Meister, vor allem im Matchracing, die anderen noch die Gesellen”, stellte der frühere neuseeländische America’s-Cup-Sieger und TV-Kommentator Peter Lester zum Jahresende trocken fest.

Allzu viel Aussagekraft mit Blick auf den Louis Vuitton 37. America’s Cup Barcelona selbst haben die Ergebnisse der Vorregatten wie jetzt in Dschidda allerdings nicht. Die Herausfordererserie Louis Vuitton Cup und das Louis Vuitton America’s Cup Match werden im Spätsommer und im Herbst 2024 nicht mehr auf den Test- und Trainingsyachten vom Typ AC40, sondern auf den neuen AC75-Einrumpffoilern ausgetragen, von denen jedes Team nur einen bauen darf.

Die Stunde der Wahrheit schlägt erst bei der dritten Vorregatta im August 2024

Spätestens bei der dritten und letzten Vorregatta, die im August vor Barcelona auf den AC75-Boliden steigt, wird sich erweisen, welches Team seine Design-Hausaufgaben am besten erledigt und sich die wirkungsvollste Foiler-Plattform für den Cup-Einsatz geschaffen hat. Das Duell zwischen dem besten Herausforderer und den neuseeländischen Cup-Verteidigern ist für den Zeitraum vom 10. bis 20. Oktober angesetzt.

Finale in Dschidda! Hier geht’s zur Wiederholung der Entscheidungen bei der zweiten Vorregatta zum 37. America’s Cup auf dem Roten Meer:

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