America's CupKiwis siegen beim Cup-Auftakt – erneut

Jochen Rieker

 · 13.08.2011

America's Cup: Kiwis siegen beim Cup-Auftakt – erneutFoto: Gilles Martin Raget
Siegten in der Serie: Dean Barker und Crew von Emirates Team New Zealand

Am Sonnabend hatte Oracle Racing mit James Spithill das Matchrace gewonnen. Das letzte Fleetrace und die Serie aber dominierte Dean Barker

So sieht er also aus, der neue, der 34. America's Cup. Schnell. Grell. Modern. Aber am Ende siegen trotzdem die gleichen Crews wie vorher. Und es sind, wenig überraschend, die besten.

Team Neuseeland dominierte mit wenigen Ausnahmen das gesamte Geschehen in Cascais, dem ersten von insgesamt vier Tour-Stopps der laufenden America's Cup World Series 2011/12, die am 10. September im englischen Plymouth ihre Fortsetzung findet.

Auch im abschließenden Fleetrace beeindruckten die Kiwis. Es war ein makelloser Sieg nach anfänglich deutlichem Rückstand – mehr als 200 Meter lagen sie nach der ersten Vormwind-Strecke zurück. Auch nach der Kreuz fehlte noch fast eine halbe Minute auf Jimmy Spithill. Doch im zweiten Durchlauf holten sie auf, brachten die Amerikaner unter Druck und zogen souverän vorbei. Bravo, Deano!

  Leiser Auftritt, großes Können: Dean Barker (l.) knüpft an einstige Glanzleistungen an. Nur im Matchrace reichte es nicht zum SiegFoto: Gilles Martin Raget
Leiser Auftritt, großes Können: Dean Barker (l.) knüpft an einstige Glanzleistungen an. Nur im Matchrace reichte es nicht zum Sieg

Der einzige Gegner, der ihnen in der Woche von Cascais gleichkam, war eben jenes Team Oracle Racing mit Boot Nummer 4, die Crew um den amtierenden Cup-Sieger Spithill, der tags zuvor das Matchrace-Finale mit 2:0 gegen die Kiwis gewonnen hatte – wohl auch deshalb so scheinbar klar, weil sich die Mannschaft von Dean Barker durch Manöverfehler beim Gennaker-Setzen selbst im Weg stand.

Überraschungen?

Nicht wirklich. Allenfalls die bestechende Frühform der Kiwis erstaunt. Immerhin sind sie – wie viele andere Teams auch – Newcomer in der Mehrrumpfszene. Na ja, teils. Erheblichen Anteil am guten Abschneiden hatte zweifellos Kat-Legende Glen Ashby, der Dean Barker an Bord bestens unterstützt und ergänzt.

Auch die reichlich inkonsistente, am Ende auch unbefriedigende Leistung von Oracle-Racing-CEO Russell Coutts auf dem zweiten US-Kat überrascht. Er, der im Cup bis dato Ungeschlagene, der erfolgreichste Skipper überhaupt, unterlag im Matchrace am Sonnabend gegen Underdog Team Korea. Ein Schnitzer, und beileibe nicht sein einziger in dieser Serie.

Ansonsten bildet das abschließende Rennen vom Sonntag die Realität gut ab. Mit Neuseeland, Oracle und Artemis Racing liegen die vier durchfinanzierten Teams vorn. Der Rest, darunter am auffälligsten Team Korea um den englischen 49er-Steuermann Chris Draper und das französische Team Energy um Loïck Peyron, sind bisher allenfalls für Überraschungen gut. Zu groß der Trainingsrückstand auf den AC-45-Katamaranen, zu knapp die Finanzierung, die gerade mal für die nächsten Rennen der AC World Series reicht. Ob die "little guys", wie sie im Cup-Umfeld genannt werden, überhaupt bis zum eigentlichen Cup 2013 durchhalten, ist ungewiss.

Was Cascais sonst noch an Einsichten gebracht hat für die Beobachter, die vor Ort waren und deren Eindrücke nicht nur auf Computerbilder, Tweets und vorgefasste Meinungen beschränkt blieben, lässt sich kompakt so zusammenfassen:

  • Die Boote One-Design-Katamarane mit Flügelriggs sind eine Offenbarung. Wer sie live gesehen, noch besser gesegelt hat, ist hin und weg. Selbst bei 5 Knoten Wind lassen sich mit diesen Waffen Regatten segeln. Ab 15 Knoten ist Action garantiert, ab 25 Knoten wird ein Raumschotsgang zum Stunt. Extrem hart für die Crew, die eigentlich ein bis zwei Mann mehr bräuchte. Halsen und Wenden allerdings sehen speziell bei Leichtwind unbeholfen langsam aus. Dennoch: Niemand kann ernsthaft die alten Cupper vermissen. Umso mehr, weil gleiche Waffen tatsächlich spannende Rennen und viele Führungswechsel bringen.
  • Das Wettfahrt-Format Zu viele Wertungen, darunter Tagessiege, die nichts bringen außer Erfahrung oder eine Speed-Wertung à la Dragster-Rennen, die langweilig ist und bei unstetem Wind eine reine Lotterie. Eine Matchrace-Qualifizierungsrunde, die Regatta-Direktor Ian Murray fünf Minuten Erklärzeit abverlangte (ohne Rückfragen). Das passt noch nicht wirklich. Aber das neue Kurslayout, die virtuellen Begrenzungslinien, Penalties, Halbwindstart, die gesamte Kursüberwachung, die Wettfahrtleitung – Respekt! Alle Skipper lieben es, und mit ein bisschen gutem Willen versteht man es auch rasch genug.
  • Die mediale Vermittlung Unerreicht. Trotz Blackout zu Beginn, trotz nicht wirklich sinnigen Archiv-Listen auf YouTube, wo man einzelne Zusammenschnitte oder Wiederholungen regelrecht suchen muss, trotz teils arg hochgejazzter TV-Kommentierung – nie wurde Segeln besser präsentiert!
  • Der Zirkus "Das ist noch nicht der Cup", sagte Team-Energy-Chef Bruno Peyron am Sonntag. Und er hat Recht. Es ist nur das Warmlaufen, erste Stufe, leichter Trab. Dennoch beeindruckend, was die Verantwortlichen alles aufbieten. Nicht mal Nebel und Flaute am ersten Tag – ausgerechnet! – brachten die Veranstaltung aus dem Takt. Dazu gab's jeden Abend Party. Perfekte Logistik. Das volle Paket. Wer Cascais ernsthaft mitverfolgt hat, auf den ist der Cup-Virus aller Wahrscheinlichkeit nach schon jetzt übergesprungen.
  • Die Dominanz der Verteidiger Nicht wirklich erkennbar. Die One-Design-Kats schaffen relativ gleiche Ausgangsbedingungen. Und wer glaubt, Coutts und Spithill hätten sich absichtlich zurückgehalten, um es künstlich spannend zu machen, kennt ihren brennenden Ehrgeiz nicht. Wohl erst in den AC 72 wird es stärkere Abstände geben, wird Finanzkraft potenziell echten Vorsprung verheißen. Einstweilen schafft nur Training, Können und physische Ausdauer echte Vorteile auf dem Wasser.
  • Die Reaktionen der Fans Zurückhaltend. Gespalten. Manche kamen mit den Live-Feeds nicht zurecht und bemängelten ruckelige Bilder, andere verstanden das Format nicht, andere plagen noch Phantomschmerzen vom Abschied der Monohulls und wegen der jahrelangen Schlammschlachten zwischen Alinghi und BMW Oracle vor dem 33. Cup. Aber das sind typische Reaktionen zu Beginn einer neuen Serie. Wenn überhaupt etwas erstaunt, dann, dass die Download-Zahlen auf YouTube noch recht gering sind. Wer die Replays am Abend anschaute, zählte zu den wenigen hundert, bestenfalls ein paar Tausenden. Was die These zulässt: Ein neues Publikum erreicht der AC bisher noch nicht, und das alte, uns Segler, müssen die Veranstalter auch erst noch voll und ganz gewinnen.
Kurz vor der Bahnmarke
Foto: AC Media