Tatjana Pokorny
· 13.02.2017
Die Neuseeländer haben ihren Katamaran der AC50-Klasse am Valentinstag erstmals getestet und überrascht: Statt Grinder-Muskeln stehen Radler-Waden hoch im Kurs
Ganz neu ist die Idee nicht. Schon in den 1960er-Jahren wurden erste Experimente mit "Pedalen" für Grinder durchgeführt. Pelle Pettersons "Sverige"-Crew hat sie 1977 mit gemischtem Erfolg im America's Cup erprobt. Doch jetzt kommen die Kiwis! Sie haben die klassischen Grinder-Säulen an Bord des muskelbetriebenen Cup-Geschosses durch Fahrradpedale ersetzt, die mit den Beinen angetrieben werden. Das berichtet heute Richard Gladwell online bei Sail World über die aufsehenerregende Premiere vor Auckland.
Wieder einmal sind es die Kiwis, die damit für eine kleine Sensation sorgen. Schon 2013 war es das Emirates Team New Zealand, das mit dem ersten foilenden Katamaran Geschichte schrieb. Die Fachwelt ist sich heute einig, dass die Neuseeländer ihre Innovation damals einfach nur zu früh in der Öffentlichkeit gezeigt hatten und die Konkurrenz rechtzeitig mit der technologischen Aufholjagd starten konnte. So gelang den amerikanischen Cup-Verteidigern damals die Aufholjagd mit einem spektakulären Comeback. Jetzt sind es wieder die Männer um den neuseeländischen Teamchef Grant Dalton, die ihr Boot mit einem technologischen Paukenschlag präsentieren.
Statt konventioneller Grindersäulen mit Kurbeln für jeweils zwei Mann haben die Neuseeländer Pedalen eingebaut, die es ihren Seglern erlauben, die kräftigeren Beine zum Antreiben der Winschen und damit zum Trimmen der Segel einzusetzen, während alle anderen Teams bislang auf das herkömmliche Grinder-System setzen, das weniger effektiv ist, weil Armmuskeln grundsätzlich schwächer als Beinmuskeln sind. Als Extra-Bonus haben die Neuseeländer vier "Grinder-Positionen" pro Seite eingerichtet, während die anderen Mannschaften nur über jeweils zwei Positionen auf jeder Seite verfügen, die von jeweils zwei Männern bedient werden können.
Mit ihrem neuen technischen Lösungsansatz können die Kiwis auf den Punkt mehr Kraft einsetzen als die Konkurrenz. Gleichzeitig werden Stress und Anstrengung für jeden einzelnen "Grinder" reduziert. Beim ersten Test am 14. Februar machte der neue Kiwi-Katamaran in leichten WInden um sechs Knoten einen starken Eindruck auf die wenigen Beobachter. Sail-World-Reporter Richard Gladwell sah, wie der Zweirumpfer schon nach wenigen Sekunden Geschwindigkeit aufnahm, scheinbar mühelos auf die Foils kam und so über etwa einen Kilometer übers Wasser "flog". Auch auf dem Rückweg vor dem Wind kam der Kat binnen zwei, drei Sekunden auf die Foils und erreichte den Hafen ohne "Touch-Down".
Richard Gladwell hat bei der Premiere mindestens ein Spionage-Boot eines anderen nicht identifizierbaren Teams beobachtet. Seiner Einschätzung nach könnte es sich bei der Entwicklung der Pedalen-Plätze an Bord des neuseeländischen Cup-Katamarans um eine starke Antwort auf eine der größten, wenn nicht der größten Herausforderung im 35. America's Cup handeln.