America’s CupHalbfinalisten im Louis Vuitton Cup ermittelt – Au revoir, “Orient Express”!

Tatjana Pokorny

 · 10.09.2024

Frankreichs "Orient Express" ist im Louis Vuitton Cup ausgeschieden
Foto: Ricardo Pinto/America's Cup
Überglückliches Schweizer Kuhglockengeläut in Alinghi Red Bull Racings Hauptquartier in Barcelona. Tränen und ein Abschied mit Stil bei Frankreichs Orient Express Racing Team. Im Louis Vuitton Cup sind die vier Halbfinalisten gefunden. Für Frankreichs Last-Minute-Kampagne mit wenig Geld, aber viel Herzblut, Kreativität und Energie markierte der 9. September das Ausscheiden in der Herausforderer-Runde zum 37. America’s Cup.

Des einen Freud war des anderen Leid am neunten Renntag im Louis Vuitton Cup vor Barcelona. Die doppelte Round-Robin-Phase im Louis Vuitton Cup, in der alle Teams jeweils zweimal auf jedes andere trafen, endete zu Wochenbeginn mit Tie-Break-Spannung und blau-weiß-rotem Herzschmerz. Für Ineos Britannia, den britischen Challenger of Record, war die Freude dagegen groß. Die Briten sicherten sich im Stechen mit Luna Rossa Prada Pirelli den Sieg in der Herausforderer-Wertung.

Louis Vuitton Cup: Die Zeit als Feind der Franzosen

Gleich das erste Match des Tages besiegelte aber zunächst das Aus für Frankreichs mitternachtsblauen “Orient Express”. Die Franzosen unterlagen der auch in sehr leichten Winden dominant schnellen und stark gesegelten “Britannia” mit den Co-Piloten Sir Ben Ainslie und Dylan Fletcher-Scott klar. Nur ein Punkt auf dem Louis-Vuitton-Cup-Konto reichte den Franzosen in der Endabrechnung nicht zum Sprung ins Halbfinale.

“Heute sind wir traurig, aber wir werden umso stärker wiederkommen”, sagte Steuermann Quentin Delapierre nach dem finalen Rennen für das Team von Stephan Kandler und Bruno Dubois. Noch ein letztes Mal hatten sich am Morgen vor dem Rennen Frankreichs Segelgrößen im französischen Teamcamp versammelt: Frühere Steuerleute und Cup-Lenker wie Bruno Troublé, Marc Pajot, Franck Cammas als Teammitglied und viele mehr waren in dieser Woche gekommen, um Les Bleus beim Ablegen zum letzten Gefecht anzufeuern.

Bewertung

Doch nur ein Jahr der Vorbereitung erwies sich schließlich als zu kurz im Vergleich zu den drei bis vier Jahren, die andere Teams hatten. Auch wenn die Konkurrenz die steile Aufstiegskurve der Franzosen immer wieder ansprach und das Geschwindigkeitspotenzial des “Orient Express”, der auf Basis eines von den Neuseeländern erwordenen Design-Pakets entstanden und weiterentwickelt worden war, mit viel Respekt kommentierte.

Les Bleus: Enttäuschung und Stolz

Die große Segelnation, die am 10. November zum zehnten Mal die besten Hochseesegler zur Solo-Weltumseglung mit der Vendée Globe bittet und wieder selbst zur sportlichen Weltbühne wird, muss im America’s Cup weiter auf den Durchbruch warten.

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Das Orient Express Racing Team verabschiedete sich vom Louis Vuitton Cup “mit Stolz und Enttäuschung”, behält aber mit seinem Jugend- und Frauen-Team zwei heiße Eisen im Feuer für den Unicredit Youth America’s Cup (17. bis 26. September) und den Puig Women’s America’s Cup (5. bis 13. Oktober). An beiden Wettbewerben nehmen auch deutsche Teams teil.

Frankreichs jüngste America’s-Cup-Kampagne war erst im Februar letzten Jahres ins Leben gerufen worden. Das Team hat seit der Übergabe des AC75-Foilers am 6. Juni nur 46 “Flugstunden” mit dem “Orient Express” absolviert. Es war allen Beteiligten klar, dass der zu erklimmende Berg sehr steil sein würde.

Der deutsch-französische Co-Gründer Stephan Kandler zog emotional, aber auch mit Blick in die Zukunft Bilanz: “Wir sind enttäuscht, und das müssen wir erst einmal verdauen. Aber wir wussten, dass wir von weit hinten gestartet sind. Wir haben es geschafft, aufzuholen, Fortschritte zu machen und unseren Rückstand zu verringern.”

Stefan Kandler sagte auch: „Wenn wir uns für einen Moment von dem Wettbewerbsgedanken lösen und das Gesamtbild betrachten, sind die Ergebnisse sehr ermutigend. Dank dieses Projekts des Orient Express Racing Teams verfügen wir jetzt über eine AC75, eine AC40, eine mobile Basis und einen Hauptsitz, der in Lorient eingerichtet wird. Wir verfügen über Talente in allen Bereichen, um eine AC75 zu verwalten. Wir sind entschlossen, an der nächsten Edition des America's Cup und an anderen Events teilzunehmen, die es uns ermöglichen werden, Teil des Teams zu bleiben.”

Positiv auffällig: Neuseelands “Taihoro”

Stephan Kandler ist überzeugt: “Es liegt an uns, uns zu erholen und zum 38. Cup zurückzukommen. Wir wünschen den anderen Challengern und dem Defender tolle Rennen. Möge das beste Team gewinnen!“ Das beste Team der doppelten Round-Robin-Runde waren die neuseeländischen Cup-Verteidiger. Ihre Leistungen bei der ungewöhnlichen Teilnahme am Wettbewerb der Herauforderer mag keine Rolle am Kampf der fünf Challenger um vier Halbfinalplätze gespielt haben. Positiv auffällig agierten die Kiwis allemal.

Nur eine kampflose Niederlage nach dem Kranunfall und ein Verlustpunkt in einem der Duells mit “Luna Rossa” unterbrachen den Siegeslauf der Kiwis kurz. Kein Herausforderer konnte die acht Siegpunkte erreichen, mit denen das Emirates Team New Zealand den für beide Seiten lehrreichen Schlagabtausch mit den Herausforderern an der Spitze des Klassements mit allen Teams beendete. Die reine Herausforderer-Wertung ohne die neuseeländische “Taihoro” gewann “Britannia” mit sieben Siegen vor “Luna Rossa” (5 Siege).

Briten und Azurri zogen in dieser Reihenfolge ins Louis-Vuitton-Cup-Halbfinale ein. Es folgten NYYC American Magic (4 Siege) und das glücklichste Team am 9. September: Laut ertönten die Kuhglocken in Alinghi Red Bull Racings Hauptquartier in Barcelona, als das Schweizer “BoatOne” nach dem Finaltag der doppelten Qualifikationsrunde in den Hafen zurückkehrte. Der Tag hätte auch ihr Aus bedeuten können, doch es kam anders. Mit der Niederlage des “Orient Express” im ersten Rennen war der Schweizer Halbfinaleinzug bereits besiegelt.

Es geht nur ums Weiterkommen.” Silvio Arrivabene

Ihren zwei Siegpunkten konnten die Eidgenossen sogar noch einen dritten hinzufügen, weil es im Duell mit den Italienern an Bord von “Luna Rossa” ein Problem mit dem Steuerbord-Foil gab. Weder konnten die Azzurri manövrieren noch ordnungsgemäß in die Startbox eintauchen. Dafür wurden sie disqualifiziert. Anschließend musste sich die bis hierher so starken Italiener im Stechen um den Sieg in der Herausfordererwertung nach den Round-Robin-Runden auch den Briten geschlagen geben.

Alinghi Red Bull Racings Co-Generalmanager Silvio Arrivabene sagte am Abend in Barcelona nach dem teilweise verlustreichen und schweren Auftakt für sein Team: „Die Round-Robin-Runde glich für uns einer Achterbahnfahrt. Das ist bei Matchrace-Regatten, anders als in Fleetracing-Formaten, aber oft der Fall. Es geht nur ums Weiterkommen.”

Weiter sagte Silvio Arrivabene: “Die Round-Robin-Runde zog sich über zwei Wochen. In dieser Zeit ist viel passiert. Wir hatten unterschiedliche Windbedingungen und alle Boote erlebten mal technische Probleme. Heute hatten wir uns auf einen guten Kampf gegen Luna Rossa gefreut. Am Ende des Tages zählt aber allein, dass wir weitergekommen sind. Nun haben wir ein paar Tage zum Ausruhen. Gleichzeitig können wir Dinge untersuchen, Daten analysieren und dann in guter Verfassung zum Halbfinale antreten.“

Wen bittet Ineos Britannia zum Halbfinaltanz?

Welche Teams in den Halbfinalbegegnungen aufeinandertreffen werden, bleibt bis Freitag (13. September) offen. Ineos Britannia hat mit dem Sieg in der Herausforderer-Wertung das Recht erworben, sich den Gegner zum Halbfinaltanz im Modus “First to win five” zu wählen. Das Team, dass zuerst fünf Punkte erreicht, zieht ins Finale ein. Die Wahl kann sich als Segen oder Fluch erweisen. Sie wird oft mit “Pick your own poison – wähle dein eigenes Gift” beschrieben.

Gegen wen Sir Ben Ainslie und sein Rennstall vom 14. bis zum 19. September um den Einzug ins Finale ringen wollen, bleibt bis zum Ende der Woche offen. Der viermalige Olympiasieger Ben Ainslie sagte: “Das Team hat bei der Vorregatta und dieser Round Robin gute Arbeit geleistet und aus all diesen Rennen Lehren gezogen.”

Der America’s Cup ist ein Entwicklungsspiel.” Sir Ben Ainslie

Zur Gesamtleistung von Ineos Britannia bis hierhin sagte Ainslie: “Unsere jüngste Leistung ist ein echter Verdienst des Teams, und zwar nicht nur derjenigen auf dem Wasser, sondern auch derjenigen in der Basis in Barcelona und im Vereinigten Königreich - all die harte Arbeit zahlt sich aus. Wir haben die ganze Zeit gesagt, dass der America's Cup ein Entwicklungsspiel ist. Wir waren bei der Vorregatta und zu Beginn dieser Round-Robin-Phase noch etwas eingerostet, aber mit jedem Tag, den wir dieses Boot segeln, werden wir besser und besser. Ich denke wir haben ein großartiges Paket, aber noch einen langen Weg vor uns.”

Die Entscheidungen im Kampf um den Halbfinaleinzug im Louis Vuitton Cup

Louis Vuitton Cup, Renntag 9, Match 28 – Orient Express Racing Team vs. Ineos Britannia:

Louis Vuitton Cup, Renntag 9, Match 29 – Luna Rossa Prada Pirelli vs. Alinghi Red Bull Racing:

Louis Buitton Cup, Renntag 9, Match 30 – Emirates Team New Zealand vs. NYYC American Magic

Louis Vuitton Cup, Renntag 9, Match 31 (Stechen) –  Ineos Britannia vs. Luna Rossa Prada Pirelli

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