Carsten Kemmling
· 17.02.2003
Alinghi siegt überzeugend mit 28 Sekunden in einem packenden Rennen und führt 3 : 0. Das Wetterteam machte den Unterschied aus
Das Schweizer Boot hat zum dritten Mal in Folge die Bugspitze vorn. Kurz nach dem Start war das Rennen entschieden. Die Neuseeländer gaben aber nie auf und erarbeiteten sich am Ende der letzten Kreuz eine erstklassige Überholmöglichkeit. Aber schließlich schlug das Pendel wieder in Richtung Alinghi aus.
An der Unterstützung der Kiwi-Fans hat es nicht gefehlt. Während am Sonntag 100.000 Menschen auf 3.000 Booten gezählt wurden, kamen selbst an diesem Dienstag noch zigtausende Zuschauer zum Viaduct Harbour, um dem Heimteam beim Verlassen des Hafens zu applaudieren. Sie hupten und schrien, als NZL 82 und das reparierte Trainingsschiff NZL 81 den Hafen verließen. Vorbei an einem riesigen Banner mit der Aufschrift „Remember Shackleton“. Eine nette Erinnerung daran, dass der Abenteurer seine Crew aus einer hoffnungslosen Situation im Eis rettete. Soll heißen: Nichts ist unmöglich.
Und das war es wirklich nicht. Schon die Vorstartroutine läuft beim Heimteam besser als an den Vortagen. Das obligatorische Sparring mit dem Trainingsboot, das Austesten der Anliegelinien zur Startlinie, die Startanläufe für das Zeitgefühl. Pünktlich vor dem Fünf-Minuten-Signal geht der Wettermann mit den Kommunikationsgeräten von Bord.
Aber schon in diesem Moment haben Barker und Co verloren. Der Alinghi-Wetterchef John Bulger geht noch etwas später von Bord. Genau 30 Sekunden vor dem Eintauchen springt er spektakulär mit einem wasserdichten Köfferchen in den Hauraki-Golf und lässt sich von einem Tender auffischen. In diesen letzten Sekunden, in denen er mit der Afterguard das Wetter diskutiert, kommt die entscheidende Ansage. „Rechts ist besser.“
Es ist keine einfache Entscheidung. Minutenlang sieht man die Entscheidungsträger von Alinghi heftig diskutieren. Es sieht fast wie eine Business-Konferenz aus. Nur die Nadelstreifenanzüge fehlen. Und die permanenten Handbewegungen, mit denen taktische Situationen simuliert wurden, passen nicht dazu. Es gilt, eine schwierige Entscheidung zu treffen.
Vielleicht liegt es an dieser Konfusion, dass Russell Coutts den Kopf nicht ganz frei hat für das Starttiming. Er taucht spät ein und ermöglicht den Neuseeländern, ohne Wegerecht vor dem Bug zu kreuzen. Eine schwache Starteröffnung.
Aber danach ist alles offen. Permanent diskutieren Jochen Schümann und Murray Jones das Wetter. Es gibt auch viele Argumente, die für die linke Seite sprechen. Allerdings hat Alinghi schon einige Rennen bei dieser Windrichtung gesegelt, und da war es immer rechts besser.
Es geht um die finale Entscheidung. Noch zwei Minuten bis zum Start, als die Stimme von Brad Butterworth zu hören ist: „Ich bin glücklich mit der rechten Seite.“ Das ist die Ansage für Coutts, die rechte Seite der Startlinie zu erkämpfen.
Beim Team New Zealand gibt es die gleichen Diskussionen. Ihr Wettermann hat auch die rechte Seite favorisiert, aber die Crew entscheidet sich kurz vor dem Start dagegen. Barker will nach links. Er hat eine starke Position in Lee von Alinghi.
Fast schafft es Barker, den Gegner über die rechte Anliegelinie zu drücken. Aber Coutts segelt mit mehr Speed in Luv vorbei, stellt sich in den Wind, weil er zu früh ist, und schafft es schließlich zu wenden und ganz knapp am Startschiff zu starten.
„Puh, diese Jungs sind so unglaublich gut“, entfährt es dem britischen America's-Cup-Skipper Ian Walker auf dem Medienboot. „Das ist unglaublich exaktes Timing.“ Barker am anderen Ende hat alle Zeit und allen Platz der Welt, verschenkt aber eine halbe Bootslänge.
Dazu kommt wie bestellt der 20-Grad-Rechtsdreher für Alinghi, Coutts wendet und holt sich eine frühe Führung, die er bis auf 150 Meter ausbaut. Es ist der Big point für Alinghi.
Danach versuchen die Neuseeländer mit der gleichen Taktik wie Alinghi am Sonntag aufzuholen. Ruhig und geduldig kommen sie Meter um Meter heran. Der 28-Sekunden-Rückstand an der ersten Tonne reduziert sich im Folgenden auf 20, 17 und 15 Sekunden. Beide Boote sind offensichtlich gleichschnell.
Aber wie sagt Dean Barker so schön in der Pressekonferenz: „Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen nah herankommen und überholen.“ Und dennoch: Die Chance kommt plötzlich auf der letzten Kreuz. Coutts unterwendet den Gegner, anstatt ihn hart zu decken und findet sich prompt in der Außenkurve bei einem Zehn-Grad-Rechtsdreher. Es gibt einen Moment, in dem er nicht mehr den Kiwi-Bug kreuzen könnte.
Aber dann frischt der Wind auf, und Alinghi zieht in Lee heraus. Entweder haben die Trimmer besser auf diesen stärkeren Wind um 15 Knoten reagiert, oder das Boot ist dabei stärker. „Wir segeln höher, wenn wir es müssen“, sagt Konstrukteur Rolf Vrolijk stolz. „Das war unsere Stärke in der gesamten Serie.“
Es ist die Entscheidung. Barker wendet weg und ist für den letzten Vormwind-Kurs nicht mehr in Schlagdistanz. Er hat wieder ein gutes Rennen geliefert, aber nicht gut genug für Alinghi.
Was wäre, wenn auf der Startkreuz die Rollen verteilt gewesen wären und Barker die rechte Seite gehabt hätte, wird Alinghi-Stratege Murray Jones auf der Pressekonferenz gefragt. „Dann hätten sie wohl gewonnen“, antwortet er. Heute hat das Wetterteam den Unterschied ausgemacht. Auch auf diesem Gebiet scheint Alinghi den entscheidenden Tick besser zu sein.
Bei der Ankunft im Hafen schweigen die Massen. Nur wenige klatschen höflich. Akustisch liegen die Schweizer Fans weit vorn. Überall läuten Kuhglocken.