Tatjana Pokorny
· 16.09.2024
Den 16. September durfte man am Abend einen kuriosen Tag im Louis Vuitton Cup nennen. In beiden Halbfinalbegegnungen stand es nach jeweils vier Rennen am Wochenende 4:0 für die Favoriten. Alles deutete darauf hin, dass die schon in der Qualifikation potentesten Teams von Luna Rossa Prada Pirelli und Ineos Britannia auch ihren letzten noch fehlenden Punkt in den „First to win five“-Halbfinalserie der Herausforderer zum 37. America’s Cup würden einheimsen können.
Doch mit veränderten Bedingungen – statt der furiosen Sonntagsschau in 16, 17 Knoten Wind wurde nur eine guten Handvoll Knoten an der schnell fließenden Grenze zur Lotterie serviert – veränderte sich auch das Spiel der Herausforderer. Nur jeweils ein Leichtwind-Duell konnte am Montag zwischen Ineos Britannia und Alinghi Red Bull Racing sowie Luna Rossa Prada Pirelli und American Magic ausgetragen werden.
Schon der Blick auf die reinen Ergebnisse verriet, dass es besondere Matches waren. In beiden Begegnungen gewannen nicht die Favoriten, sondern die Teams mit dem Rücken zur Wand. Dabei fielen die Briten schon in der Vorstartphase von den Foils. Dann eröffnete Alinghi Red Bull Racing das Rennen mit einem ganz knappen Frühstart und musste sich zunächst zurückfallen lassen. Es war in der Folge aber für die Briten sichtlich schwerer, auf den Foils zu bleiben. “Britannia” quälte sich in der zarten Brise mächtig.
Cup-Veteran und TV-Kommentator Peter Lester stellte die Frage in den Raum, ob die Briten womöglich in diesem Bereich einen Anteil für den Erwerb ihrer dominanten Vorwind-Schnelligkeit bezahlen? Leichter tat sich an diesem Tag das Schweizer “BoatOne” in den mit sechs bis neun Knoten angesagten Winden, die eher am untersten Limit blieben. Dabei ging es für die Eidgenossen ums Cup-Überleben: Verlieren sie das nächste Rennen, ist ihre Kampagne abrupt beendet.
In den kniffligen Bedingungen hatten beide Boote naturgemäß ihre großen J1s gesetzt. Beide Teams beschränkten die Anzahl ihrer Manöver aufs Minimum. Am Top-Tor führte Ineos Britannia mit 17 Sekunden Vorsprung. Die erste Leemarke umkurvte Englands Segelstolz 1 Minute und 10 Sekunden vor dem Schweizer BoatOne”. Alles schien den erwarteten Gang zu gehen. Dann aber fielen die Briten zu Beginn der zweiten Kreuz bei ihrer ersten Wende kurz vor Erreichen der Kursbegrenzung wieder von den Foils.
Wir haben es immer gesagt: Bevor du nicht diese fünf Punkte hast, ist es nicht vorbei.” Ben Ainslie
Die Schweizer nutzten den Vorteil, indem sie ihre erste Wende extrem hoch auf den Foils meisterten und die Führung übernahmen. Während die Briten sich auch in der Folge mit dem Foiling mühten, hatte Alinghi Red Bull Racing den Vorsprung auf einen halben Kilometer ausgebaut, als die Wettfahrtleitung den Kurs auf eine Seemeile verkürzte. An der zweiten Luvtonne war der Vorsprung von Alinghi Red Bull Racing auf einen ganzen Kursabschnitt angewachsen. Da fielen die Briten erneut von den Foils.
Eine weitere gute Nachricht erreichte die Eidgenossen, als die Wettfahrtleitung den Kurs auf fünf Abschnitte (statt sechs) verkürzte. Doch schon in der nächsten Halse fielen sie selbst von den Foils. Das Rennen lief nun mit beiden AC75-Foilern im Verdrängermodus weiter. Das war nicht schön anzusehen, blieb aber spannend. Auch, weil eine Weile unklar war, ob die weit führenden Schweizer den Kurs in “kriechender” Weise bei acht, neun Knoten Bootsgeschwindigkeit der sonst leicht 45 Knoten Speed erreichenden Foiler innerhalb des Zeitlimits von 45 Minuten würden meistern können.
Als “BoatOne” schließlich die Ziellinie kreuzte, hätten Erleichterung und Freude an Bord und auf den umliegenden Alinghi-Zuschauer- und Begleitbooten nicht größer sein können. Das Schweizer Team hat seinen Rückstand im Halbfinale der Herausforderer-Runde zum America’s Cup auf 1:4 verkürzt und sich damit mindestens eine weitere Halbfinal-Begegnung mit Ineos Britannia erkämpft.
Natürlich wollen die die Ziellinie gerne mit 45 Knoten kreuzen. Aber acht Knoten sind auch fein, wenn sie einen SIeg bringen. Als nehmen wir den.” Arnaud Psarofaghis
Das Schicksal teilten an diesem Tag auch die Favoriten in der zweiten Halbfinal-Begegnung der Herausforderer-Runde zum 37. America’s Cup. Auch Luna Rossa Prada Pirelli musste sich im Schwachwindrennen geschlagen geben. NYYC American Magic nutzte die Chance zum ersten Siegpunkt.
Nach einer kurzen Startverschiebung, damit der Wind ein wenig auffrischen konnte, segelte “Patriot” danach pünktlich in die Vorstartbox ein, bevor “Luna Rossa” folgte. Beide Crews hatten den Foiling-Stress und das Wettkriechen zuvor beobachtet und agierten äußerst vorsichtig. Sie wahrten große Abstände zueinander, um womöglich lähmenden Flügelschlägen ihrer Gegner aus dem Weg zu gehen.
Zum Start tauchten beide Boote von der Luvseite der Linie ein. Bei anfangs drei, vier Knoten höherer Geschwindigkeit von “Luna Rossa”, eröffneten die Teams ihr fünftes Halbfinalduell mit einem Wettrennen bis zur Kursbegrenzung. Beide Boote wendeten im Gleichtakt, aber die Italiener hatten die bessere Bootsposition in Luv und “Patriot” verlor zunächst an Boden.
Den Piloten Jimmy Spithill und Francesco Bruni und ihrer Crew auf “Luna Rossa” gelang ein weitgehend fehlerfreier Vorwindkurs: Die Belohnung: 17 Sekunden Vorsprung am zweiten Tor. Dann aber gelang der “Patriot”-Crew nach einem Split ein entscheidendes Manöver: Mit Vorfahrt zwangen sie “Luna Rossa” bei der nächsten Begegnung auf dem Kurs, zur Kollisionsvermeidung mit einem raumgreifenden Manöver zu reagieren. Dabei fingen sich die Azzurri einen Penalty ein, weil sie die Kursbegrenzung überfahren hatten.
Während sich “Luna Rossa” beim erneuten Split wieder von dem Dämpfer erholte, kam es oben am Tor wieder zu einer Wegerechtsverletzung. Und wieder kassierte “Luna Rossa” die Strafe, weil sie der mit Wegerecht kommenden “Patriot” beim Kreuzen beider Yachten zu nahe kam. Das Tor erreichte “Patriot” danach mit drei Sekunden Vorsprung. Die Fans beider Teams hielten jetzt den Atem an.
Das Duell blieb packend. Am letzten Tor dann versuchten die Italiener noch, ihre Gegner in eine Wegerechtsverletzung im Zwei-Längen-Kreis zu locken. Dabei fielen sie selbst von den Foils, während “Patriots” Piloten Tom Slingsby und Lucas Calabrese die Marke mit ihrem Boot großzügig und sicher rundeten. Anschließend steuerten sie American Magic fehlerfrei zum ersten Siegpunkt in ins Ziel. Auch in diesem Halbfinal-Duell steht es nun 4:1 für das Luna Rossa Prada Pirelli Team. Den Italienern bleiben wie Ineaos Britannia drei Matchpunkte.
Die Halbfinal-Begegnungen werden am Mittwoch (18. September) fortgesetzt. Zuvor beginnt am Dienstag (17. September) um 14 Uhr der Unicredit Youth America’s Cup mit den ersten vier Fleetraces für die Pool-A-Mannschaften mit Mutter-Teams im aktuellen 37. America’s Cup. Hier geht es zur Live-Übertragung. Die Youth-Crew vom AC Team Germany ist – wie die Halbfinalisten im Louis Vuitton Cup – ab Mittwoch mit der Pool-B-Flotte erstmals auf dem Cup-Kurs vor Barcelona in vier Fleetraces gefordert. Auch diese Rennen werden dann live übertragen.
Louis Vuitton Cup, Halbfinale, Rennen 9 – Alinghi Red Bull Racing vs. Ineos Britannia:
Louis Vuitton Cup, Halbfinale, Rennen 10 – NYYC American Magic vs. Luna Rossa Prada Pirelli: