Tatjana Pokorny
· 29.01.2021
Sie waren schneller, konsequenter und selbstbewusster als American Magic: Patrizio Bertellis Azzurri kämpfen mit Großbritannien um den America's-Cup-Einzug
Der zweite und schon letzte Rennntag im einzigen Halbfinale der Herausfordererrunde zum 36. America's Cup brachte keine Überraschungen mehr. Das Ergebnis lässt Italiens Cup-Fans träumen. Wie schon zum Halbfinal-Auftakt am Vortag, setzten sich die Azzurri mit "Luna Rossa" auch am Samstag zweimal gegen das entzauberte Team American Magic durch, gewannen die Semifinalbegegnung mit 4:0 ungeschlagen und schickten die Amerikaner nach Hause.
"Wir sind gegen ein formidables italienisches Team angetreten, und sie haben uns geschlagen", lautete die einfache wie frustrierende Bilanz des mit seinem Team ausgeschiedenen US-Skippers Terry Hutchinson. Und die Italiener? Die hatten sich schon nach den ersten beiden Halbfinalsiegen gar nicht mehr mit dem aktuellen Gegner, sondern bereits mit den nun kommenden britischen Finalgegnern verglichen. Auch am Samstag waren die Augen der Azzurri vor allem auf Sir Ben Ainslies Ineos Team UK gerichtet. Auf die Frage, was sich Steuermann Francesco Bruni möglicherweise vom britischen Boot wünschen würde, sagte der selbstbewusst: "So ziemlich nichts. Aber einen guten Wettbewerb."
American Magics neuseeländischer Steuermann Dean Barker sagte nach den deutlichen Niederlagen auf dem Wasser zum Abschied des Teams vom New York Yacht Club: "Die Italiener haben keine Fehler gemacht. Es ist für uns frustrierend, die letzten Rennen im Halbfinale nicht mehr bestreiten zu können. Diese Möglichkeit gab es einfach nicht mehr. Das Boot nach der Kenterung vor zwei Wochen wieder aufs Wasser zu bringen war eine herausragende Leistung unseres Teams. Darauf bin ich stolz. Aber wir sind im Halbfinale gegen eine Mannschaft angetreten, die seit der letzten Begegnung einen Riesenschritt vorwärts gemacht hat." Der Amerikanern selbst ist das nach ihrer spektakulären Kenterung mit großem Loch im Rumpf trotz absolviertem Reparatur-Marathon nicht mehr gelungen.
Historisches Herausforderer-Finale
Während die Amerikaner ihre Koffer packen, rüstet sich Patrizio Bertellis Team Luna Rossa Prada Pirelli für das historische rein europäische Herausforderer-Finale gegen Sir Ben Ainslies Ineos Team UK. Die Paarung bedeutet doppelt gute Nachrichten für europäische Cup-Fans, denn mit dem bevorstehenden Duell zwischen den Teams aus Italien und dem Vereinigten Königreich ist jetzt schon sichergestellt, dass ein europäisches Team in das 36. Duell um den America's Cup (ab 6. März) gegen die neuseeländischen Cup-Verteidiger einziehen wird. Die Frage ist: Können die Briten ihre zuletzt in der Vorrunde auch gegen Italien gezeigte Dominanz fortsetzen, oder haben die Italiener tatsächlich einen so großen Sprung im sich rasant schnell entwickelnden Technologie- und Handling-Wettbewerb mit den neuen futuristischen Einrumpf-Foilern gemacht, wie es in den vergangenen beiden Tagen aussah?
Die Antworten werden beide Teams ab dem 13. Februar auf dem Wasser geben. Das Finale der Herausfordererrunde wird im Modus "First to win 7" ausgetragen – wer zuerst sieben Siegpunkte verbuchen kann, zieht ins 36. Match um die älteste und wichtigste Trophäe des Segelsports ein und trifft dort auf das Emirates Team New Zealand. Pradas Co-Steuermann Jimmy Spithill, bekannt für markige Sprüche und ein starkes Selbstbewusstsein, sagte vor der Begegnung: "Wir haben in den Vorrundenrennen gegen die Briten viel liegengelassen, waren ziemlich enttäuscht. Wir haben inzwischen aber gut aufgeholt, auch wenn noch viel zu tun bleibt. Wir werden uns sicher nicht gegenseitig unterschätzen und alles dafür tun, dass die Poms uns gegenüber Wiedergutmachung für die Vorrunde leisten." Pradas italienischer Steuermann Francesco Bruni spitzte das Vorhaben seins Teams noch stärker zu: "Wir werden einen guten Kampf gegen die Briten führen. Wir wollen jedes Rennen gewinnen."
Bruno Troublé, 1983 Initiator der damals noch unter dem Namen Louis Vuitton Cup eingeführten Herausfordererserie und heute Moderator der täglichen Pressekonferenzen in Auckland, sagte YACHT online: "Es gab Mitte des 20. Jahrhunderts eine Reihe europäischer Herausforderer im America's Cup. Die 'Shamrock(s)', 'Endeavour', 'Souvereign'… Aber es haben als europäische Teams nur 'Il Moro di Venezia' 1992 und 'Luna Rossa' im Jahr 2000 das Finale der Herausfordererrunde erreicht, bevor Alinghi den America's Cup 2003 und 2007 gewann. Ich freue mich schon darauf, die Italiener oder die Briten im America's Cup zu sehen." Bruno Troblés Cup-Prognose: "Es wird viel enger, als wir erwarten!"