Dieter Loibner
· 04.06.2013
Nach dem Artemis-Crash droht die Herausfordererserie eine Farce zu werden, während hinter den Kulissen der Kampf um Geld und Regeln tobt
"Auch mit Artemis war’s nicht gerade Disneyland”, kommentierte Grant Dalton, der gesprächige Teamchef von Emirates Team New Zealand, die verworrene Lage des America’s Cup, die durch den Tod von Andrew Simpson entstanden war. "Wir haben schon seit zweieinhalb Jahren immer wieder vor dem Risiko gewarnt, dass die Regatta nicht genug Herausforderer anziehen würde, doch nicht alle haben zugehört”, sagte er dem "New Zealand Herald".
Der "weiße Elefant" im Raum sei Artemis und die Frage, ob das schwedische Team spät oder überhaupt an den Start geht, schreibt die Zeitung. "Es gibt Hinweise, dass sie den gesamten Juli nicht segeln werden. Sie haben kein neues Wingsegel. Das Boot könnte strukturelle Modifikationen nötig haben, speziell dann, wenn es das Rumpfdesign aufweist, von dem gesagt wird, es könnte an der Simpson-Tragödie schuld sein."
Daltons Freund und Vertrauter Mick Cookson, in dessen Werft in Auckland die Kats von Team New Zealand und Luna Rossa gebaut wurden, ist jedenfalls äußerst skeptisch. "Ich baue seit mehr als 30 Jahren Rennyachten für das Volvo Ocean Race und den America’s Cup, habe also einiges erlebt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie Artemis aus dieser Lage und mit so wenig Zeit ein Comeback schaffen sollte”, erklärte er YACHT online gegenüber.
Und Dalton präzisiert: "Sie müssen erst das Boot segeln lernen, um ohne Schwierigkeiten an die Grenze gehen zu können. Wir würden dies in der verbleibenden Zeit nicht schaffen.” Sollte Artemis fehlen, so der "Herald", drohe eine Farce, weil nur die beiden verbleibenden Herausforderer Team New Zealand und Luna Rossa Tag für Tag gegeneinander segeln würden. Und das taten sie ja bereits in der Trainingsphase in Neuseeland. Stieße Artemis später doch noch dazu, könnte der Austragungsmodus so geändert werden, dass der Sieger direkt ins Semifinale des Louis Vuitton Cup aufsteigt und der Verlierer gegen Artemis eine Trostrunde segelt.
Kein Wunder also, dass der "Herald" eine derartige Ausscheidungsserie mit der amerikanischsten aller Comic-Figuren vergleicht: Micky Maus.
Die Neuseeländer sind aber auch frustriert, denn sie waren die ersten, die ein Boot im Wasser hatten. "Wir haben den Bootsbau-Cup gewonnen. Und das gleich zweimal", scherzte Cookson. Sie waren auch die ersten, die das Foiling beherrschten und glauben, sich damit einen wertvollen Wissens- und Designvorsprung erarbeitet zu haben, den sie um keinen Preis aufgeben wollen. Und dies ist nur einer der Gründe, weshalb es derzeit hinter den Kulissen zur Sache geht.
Die Teams und das America’s Cup Race Management verhandeln über die Änderungen im Regattaprotokoll, wie zum Beispiel über flexible Startzeiten, die durch die Senkung der maximal zulässigen Windstärke nötig sein werden. Aber es geht auch um Änderungen in den Klassenregeln für Sicherheitsmodifikationen an den Booten, die nur einstimmig beschlossen werden können. Und da legen sich die Kiwis eben quer. Nicht nur ihres Design-Knowhows wegen, sondern auch, weil Änderungen Geld kosten, und das dürfte bei ihnen mittlerweile knapp bemessen sein. Sie sind von Sponsoren und der Unterstützung durch die Regierung abhängig, nicht von Milliardären, wie alle anderen Teams. "Wir können nicht mit den Fingern schnippen und einfach den Chef anrufen", sagte Dalton in der "New York Times". "Es ist schwer, echt schwer.”
Man habe der Reduktion des empfohlenen maximalen Windlimits aus Sicherheitsgründen widerwillig zugestimmt, dies sei "nicht das Ende der Welt”, so Dalton. Gegen eine Änderung der Klassenregeln werde Team New Zealand allerdings ein Veto einlegen, weil sie eine Wettbewerbsverzerrung fürchten. "Wenn Leute an den Regeln schrauben und die Boote ändern, wird jemand dies zu seinem Vorteil zu nutzen wissen."
Russell Green, der Regelsachverständige von Team New Zealand, formuliert das so: "Es macht Angst, wenn sich nach jahrelanger Planung herausstellt, dass die Torpfosten verschoben werden, lange nach den Design-Entscheidungen, die auf den zu erwartenden windreichen Bedingungen San Franciscos getroffen wurden."
Alles in allem keine erfreuliche Lage für die Veranstalter, die vollmundige Versprechen abgegeben hatten und nun in einen Erklärungsnotstand geraten sind. Im Moment fällt ihnen nichts Besseres ein, als unvertonte Videos vom Training via Facebook zu verbreiten, wohlwollende Berichte in obskuren Medien auszuloben oder eine Pressemitteilung über das Sting-Konzert im America’s Cup Pavillon zu veröffentlichen. Dabei grollt es auch von der politischen Bühne: Jane Sullivan, die Sprecherin des America’s Cup Project der Stadt San Francisco, gab der "Times" gegenüber an, die Stadt dürfte vom Cup wohl profitieren, doch die Geldbeschaffung sei schwierig, weil Segeln in den USA nicht populär sei und weil die AC72-Kats die Meinungen polarisieren.
Aaron Peskin, ein ehemaliger Stadtrat, der eine Internet-Aktion startete, um Oracles Eigner Larry Ellison unter Druck zu setzen, die Kosten, die der Stadt durch den Cup entstehen, persönlich zu begleichen, ätzte gar: "Andere wohlhabende Philantropen sind nicht interessiert, Geld für das Hobby des drittreichsten Amerikaners zu spenden, der auf seine letzten 40 Milliarden runtergekommen ist." Und Stadtrat John Avalos äußert eine andere Vermutung: "Larry Ellison hat das Event so groß gemacht, dass es schwer fällt, Teams dafür aufzustellen. Vielleicht führt das dazu, dass er kampflos gewinnt."