Tatjana Pokorny
· 16.01.2021
Der Sieg war für das Team unter amerikanischer Flagge schon zum Greifen nah, doch dann änderte ein gewagtes Manöver alles. Die Briten dominieren weiter
Dramatische Szenen in der Herausfordererrunde zum 36. America's Cup: Im sechsten Duell der Vorrunde zwischen dem italienischen Luna Rossa Prada Pirelli Team und American Magic ist die US-Yacht "Patriot" gekentert. Dabei lag das Team nach zunächst verpatztem Start mit hohen Geschwindigkeiten schnell gut im Rennen, hatte schon auf dem ersten Kursabschnitt die Führung übernommen. Der erste amerikanische Sieg nach drei Niederlagen war bei der fünften Tonnenrundung vor dem letzten Kursabschnitt zum Greifen nah, als "Patriot" in einer Bö erst wie eine Rakete in den Himmel über Auckland schoss und sich dann beinahe wie in Zeitlupe auf die Seite legte. Eine schnelle Durchzählung ergab, dass alle Crew-Mitglieder den spektakulären Unfall überstanden hatten und an Bord oder im Wasser mit mindestens einer Hand am Boot waren. Der Rennsieg ging entsprechend des Reglements an die bei der vierten Tonnenrundung trotz Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 48 Knoten noch mit 42 Sekunden zurückliegenden Italiener mit ihren beiden Steuerleuten Francesco Bruni und Jimmy Spithill.
Hier ist im zweiten Rennen des Tages kurz vor Schluss auch die Kenterung von "Patriot" in mehreren Wiederholungen und mit den Kommentaren der Reporter Ken Read, Nathan Outteridge und Shirley Robertson zu sehen
Die Kenterung fand kurz nach Rundung der letzten Luvtonne statt. Steuermann Dean Barker setzte das Manöver so an, dass "Patriot" um die Tonne wendete, um dann sofort abzufallen und auf den Vorwindkurs zu gehen. Dabei hörte man Großsegeltrimmer Paul Goodison gleich zweimal rufen: "Das wird ein hartes Manöver, das wird ein hartes Manöver." Seine Rufe hatten den Charakter einer eindringlichen Warnung. Das Team hätte alternativ auch die andere Marke des Tores wählen können, um dann umgehend zu halsen; es wäre der leichtere Weg gewesen. Stattdessen aber hatten sich Barker und sein Team für Wende und Abfallen entschieden. Dabei wurden sie bei hohem Tempo auch noch von einer starken Bö erwischt, wie den Kommentaren der Segler in der Live-Übertragung zu entnehmen ist.
Das entscheidende Problem beim Abfallen war offensichtlich, dass das Leebackstag nicht aufgefiert werden konnte. Dadurch konnte "Patriot" nicht korrekt abfallen. Stattdessen beschleunigte das Geschoss unkontrolliert, luvte an. Das führte zum Strömungsabriss an den Foils, wodurch Boot und Foils komplett aus dem Wasser in die Luft schossen, zurückfielen und nach Lee kenterten. Die Mannschaft und ihre Helfer auch aus Kreisen der America's-Cup-Organisatoren und der anderen Teams waren Stunden nach dem Rennen noch damit beschäftigt, "Patriot" zu stabilisieren und in den Hafen zurückzubringen. In einem Team-Statement vom Team New York Yacht Club American Magic hieß es: "American Magic ist aufrichtig dankbar für die ganze Unterstützung, die dem Team in Folge des heutigen Vorfalls zuteil wurde."
Zuvor hatte sich Sir Ben Ainslies Ineos Team UK im fünften Prada-Cup-Vorrundenduell gegen Patrizio Bertellis Luna Rossa Prada Pirelli Team den vierten Sieg in Folge gesichert. Damit führen die Briten die Tabelle im Prada Cup nach dem ersten Wochenende mit 4:0 an. Auf Platz zwei liegt der italienische "Challenger of Record" mit 2:2 Punkten. Abgeschlagen und am Sonntag beinahe K.o.-geschlagen, sind die weiter sieglosen Amerikaner mit einer Bilanz von 0:4 nur Dritte. Die Herausfordererrunde zum 36. America's Cup wird am 22. Januar mit dem zweiten Rennwochenende fortgesetzt. Wer den Prada Cup gewinnt, darf die Verteidiger vom Emirates Team New Zealand im 36. Duell um den America's Cup herausfordern.