America's Cup"Direktor droht mit Cup-Absage”

Dieter Loibner

 · 03.07.2013

America's Cup: "Direktor droht mit Cup-Absage”Foto: Josh Edelson, AFP/Getty Images
Iain Murray

Der Blick auf den Kalender zeigt: Es ist nicht der 1. April. Und doch nimmt der Streit um die Ruderfrage beim Cup immer schrägere Formen an

  Oracle sagt, die Ruderklappen sind nur unter fünf Knoten Bootsgeschwindigkeit verstellbar, weil dies das Neigen des Ruderschafts erfordertFoto: Guilain Grenier/Oracle Team USA
Oracle sagt, die Ruderklappen sind nur unter fünf Knoten Bootsgeschwindigkeit verstellbar, weil dies das Neigen des Ruderschafts erfordert

Sollte die Jury den Protesten von Emirates Team New Zealand und/oder Luna Rossa stattgeben, drohe Regattadirektor Iain Murray die Regatta kurzerhand abzusagen, berichtete gestern der "San Francisco Chronicle". Er werde die US Coast Guard benachrichtigen, dass unter den von den Kiwis und den Italienern gewünschten Bedingungen die Sicherheit der Regatta nicht gewährleistet sei, womit den Küstenwächtern nichts anderes übrig bliebe, als die Veranstaltungsgenehmigung zu widerrufen. "Ohne Genehmigung keine Regatta”, sagte Murray. Die erste Wettfahrt der Herausfordererserie des Louis Vuitton Cup, das sei am Rande erwähnt, ist für Sonntag, den 7. 7. 12:15 Ortszeit (21:15 MESZ) angesetzt.

  Iain MurrayFoto: Josh Edelson, AFP/Getty Images
Iain Murray

Es geht immer um dieselbe Sache: die Ruder mit den Trimmklappen, die diese Boote beim Foilen, also bei der Fahrt auf den "Tragflächen”, besser kontrollieren helfen. Die beiden Herausforderer, Team New Zealand und Luna Rossa, haben bei der internationalen Jury Protest gegen die Änderungen eingelegt, die Folgendes beinhalten: Das Ruder kann nun weiter hinten im Rumpf positioniert sein, was die Kontrolle weiter verbessert. Das Ruderblatt soll länger sein, und es sollen symmetrische Klappen installiert werden, die größer und schwerer sind als die asymmetrischen und dabei über die maximale Bootsbreite hinausreichen dürfen, was bisher ebenfalls nicht zugelassen war. Die Ruder sind auch in der Längsachse zu kippen, womit der Anstellwinkel der Trimmklappen verändert wird. Dies war früher nur vor dem Ablegen gestattet, darf aber jetzt bis fünf Minuten vor dem Start geändert werden. Während der Fahrt soll dies nicht möglich sein, weil das Ruder dabei nicht unter Last stehen darf, erklärt Tom Slingsby von Oracle Team USA. Slingsby vertritt auch die Ansicht, dass symmetrische "Elevators” strukturell stärker und damit sicherer seien.

Luna Rossas Skipper Max Sirena nahm am Medientag kein Blatt vor den Mund und stellt glatt in Abrede, dass es bei diesen heiß diskutierten Änderungen wirklich um Sicherheit geht. "Was mich so aufregt, ist, dass nur ein Boot (Oracle) seit dem Stapellauf am 24. April außerhalb der Klassenbestimmungen segelt. Warum konstruiert man ein Boot, das nicht den Regeln entspricht? Und dann bittet (Murray) die anderen Teams, eine Woche vor dem Beginn des Louis Vuitton Cup die Position der Ruder und die Trimmklappen zu ändern."

Kiwis und Italiener wehren sich gegen die modifizierten Ruder, weil sie die Rauschefahrt auf den Foils mit den regelkonformen Anhängen beherrschen, die kürzer sind und kleinere asymmetrische Elevators haben. Es geht hierbei um größere Geschwindigkeit mit kleineren Elevators oder mehr Manövrierbarkeit mit größeren Klappen. Sie glauben, dass diese Änderungen dem Verteidiger Oracle in die Hände spielen, der seit dem Stapellauf des zweiten Bootes am 24. April ständig modifizierte Ruder einsetze, um beim Foilen mehr Kontrolle zu haben. Der erste Oracle-Kat, das war auf dem Video der Kenterung im Oktober gut zu sehen, hatte Trimm- und Verwindungsprobleme, die die Neuseeländer und Italiener mit dem Design ihrer Boote angeblich besser im Griff haben.

Max Sirena von luna Rossa erklärt die Ruderlage

Eine neue Ruderkonstruktion bedarf zudem der Änderung der Klassenvorschriften, die allerdings nur mit der Zustimmung aller Teilnehmer erfolgen kann, die aber nicht vorliegt. Murray hatte das neue Design mit in das Paket der Sicherheitsbestimmungen aufgenommen, die nach dem Tod von Andrew Simpson bei der Kenterung von Artemis am 9. Mai erlassen und die der US Coast Guard mit dem Antrag zur Erteilung der Veranstaltungsbewilligung vorgelegt wurden. Diese Genehmigung wurde erteilt, kann aber jederzeit widerrufen werden. Und ohne Genehmigung könne eben nicht wettgesegelt werden. Und darauf scheint Murray nun zu pochen.

Das Sicherheitsargument im Zusammenhang mit Artemis scheint allerdings nach wie vor nicht schlüssig. Denn erstens ist bis jetzt nicht bekannt, ob das Auseinanderbrechen des Bootes beim Unglück am 9. Mai eine Folge der Kenterung war oder ob die Kenterung von einem kapitalen Materialschaden herrührte. Zweitens ist nicht klar, dass zu kleine Trimmklappen an den Rudern zum Artemis-Crash beigetragen haben. Drittens war das Boot der Schweden der einzige AC72-Kat, der auf jedem Kurs in Verdrängerfahrt daherkam, also sich nicht auf tragflügelähnlichen Schwertern aus dem Wasser heben konnte, weil die Designer diesen Trend verschlafen hatten. Die AC72-Kats waren nämlich ursprünglich nicht als Tragflügelboote konzipiert, deshalb sind die Klassenbestimmungen, zumindest was das Design der Ruder angeht, alles andere als ideal.

Verspäteter Aprilscherz oder nicht: Dass die Absagedrohung, die der "Chronicle" aus Murrays Worten herausgehört haben will, tatsächlich passieren könnte, glaubt keiner. Obwohl: Weniger spannend als dieser Louis Vuitton Cup, bei dem nun einen Monat lang nur Schausegeln auf dem Programm steht, kann die Sache fast nimmer werden. Da hilft wohl nur ein Bier. Inmitten der chaotischen Lage gaben die Veranstalter gestern deshalb bekannt, dass eine italienische Brauerei der offizielle Lieferant ist. Mamma mia, Bier aus Italien! Wenn das nicht Grund zur Freude ist für Sirena und das Luna-Rossa-Team.

Heute, am US-Nationalfeiertag, beginnen die Festlichkeiten, die auch am Freitag fortgesetzt werden. Es gibt unter anderem Ansprachen, Weinverkostung, Autogrammstunden, Flugakrobatik, Bootsparaden und Livemusik. Ach ja, gesegelt wird auch: Am Freitag zwischen 13:15 und 14:15 Ortszeit (22:15 und 23:15 MESZ) stellen sich die schwimmfähigen AC72 den Speed-Trials. Mit großen oder kleinen Rudertrimmklappen.