Tatjana Pokorny
· 06.02.2010
"Alinghi 5" oder "USA" – wer gewinnt das 33. Duell?
Die Buchmacher räumen America´s-Cup-Verteidiger Alinghi einen Tag vor dem Showdown vor Valencia winzige Vorteile im Duell gegen Herausforderer BMW Oracle Racing ein. Tatsächlich deuten die Experten-Analysen auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin.
Wer beim Online-Wettbüro William Hill sein Geld auf eines der beiden Cup-Teams setzen will, muss kurz vor dem 33. Duell um den America´s Cup auf große Gewinnaussichten verzichten. Im Falle eines Alinghi-Sieges zahlen Buchmacher für 10 Euro Einsatz nur 11 Euro aus. Gewinnt Herausforderer BMW Oracle Racing, gibt es für 10 Euro 12,50 Euro zurück. Vorteil für die Eidgenossen, die am Montag von den vorhergesagten Windbedingungen profitieren könnten.
Die Wetterprognosen für die erste von maximal drei Begegnungen im 33. America´s Cup kündigten am Sonntag vornehmlich leichte Winde an, für die eher der Schweizer Katamaran „Alinghi 5“ als der Trimaran „USA“ optimiert sein soll. Die Nachricht vom „Alinghi-Auftaktwetter“ machte am Sonntag schnell die Runde im America´s-Cup-Hafen von Valencia. Die Teams selbst aber hielten sich mit Angaben zur Chancenverteilung oder gar übertriebenem Selbstbewusstsein merklich zurück. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir den Cup verteidigen, liegt etwa bei 50:50“, sagte Alinghis Chefdesigner Rolf Vrolijk.
„Wenn die Winde so schwach wehen wie vorhergesagt, wird Alinghi gewinnen“, prophezeit Stuart Alexander vom Londoner Independent. James Boyd dagegen, versierter Cup-Beobachter aus Großbritannien und Herausgeber des Online-Magazins „The Daily Sail“, setzt auf die Amerikaner: „Wenn es keinen Bruch gibt, dann tippe ich auf Oracle. Gibt es Bruch, dann stehen die Chancen 50:50.“ Auch ap-Korrespondent Bernie Wilson aus den USA setzt auf sein Heimteam: „Ich glaube mehr und mehr, dass Oracle gewinnt. Der Flügel ist der Schlüssel.“ Top-Fotograf Carlo Borlenghi, unter anderem für die Schweizer im Einsatz, gibt lächelnd zu: „Ich habe nicht die geringste Idee, wer gewinnt.“ Der Schweizer Journalist Lori Schüpbach sagt: „Ich würde mein Geld auf Alinghi setzen, weil das Team besser vorbereitet ist.“ Eine Begründung für Schüpbachs Votum: „Die Eidgenossen haben die beiden für Duell eins und zwei am 8. und 10. Februar festgelegten Kurse bereits mehrfach im Training absolviert, BMW Oracle Racing angeblich noch nicht einmal.“
Schon bei den America´s-Cup-Siegen eins und zwei in den Jahren 2003 und 2007 war Alinghi auch deshalb so gut, weil das Team im Vorwege eine intensive Risikominimierung betrieben und keine extremen Designlösungen gewählt hatte. Von diesem Ruf profitieren sie in der öffentlichen Meinungsbildung heute noch. Gerade weil es um ein Duell auf den schnellsten und modernsten Mehrrumpfern geht, die je gebaut wurden, traut eine knappe Mehrheit den Schweizern ein sichereres Handling der monströsen Boote zu. Auch, weil Gegner BMW Oracle sehr risikofreudig auf einen revolutionären Kohlefaserflügel statt ein konventionelles Segel setzt. Kritiker glauben, der Flügel sei noch zu wenig erprobt. Andere aber behaupten, er könne sich als heilbringende Wunderwaffe entpuppen.
Bis zu einer halben Milliarde Euro haben die Teams des Schweizer Pharma-Milliardärs Ernesto Bertarelli und des US-Software-Giganten Larry Ellison in ihren Traum von der ältesten Sporttrophäe der Welt investiert. Der 44-jährige Bertarelli gewann die Silberkanne 2003 erstmals mit einem europäischen Team und verteidigte sie mit Alinghi 2007 vor Valencia. Das nun per Gerichtsurteil erzwungene Duell gegen die Amerikaner unter Ausschluss weiterer Teilnehmer nennt der zweimalige America´s-Cup-Sieger Jochen Schümann «potenzierten Wahnsinn».
Knapp acht Millionen Euro beträgt das Veranstaltungsbudget der 33. Cup-Auflage. Davon werden rund 30 Prozent in die Organisation der Regatta, weitere 20 Prozent in die Film- und Fernsehproduktion gesteckt. Zweieinhalb Jahre nach Ausbruch einer in 159 Jahren Cup-Geschichte nie da gewesenen Gerichtsschlacht kommt es am Montag ab 10.06 Uhr zum Showdown der beiden verfeindeten Mannschaften auf dem Wasser. Die Rennen werden live und kostenfrei im Internet übertragen – wenn Wind und Wetter den Start ermöglichen. Die meisten Beobachter sind auf Wartezeiten eingestellt. Denn selbst wenn die Winde vor der Küste angenehm wehen, könnte es weit draußen ganz anders aussehen, stürmen oder gar Flaute herrschen. Allein im ersten Rennen ist der Parcours 20 mal 20 Seemeilen groß – als doppelt so groß wie die gastgebende Stadt Valencia.
Der erste Kurs führt die Teams am Montag über einen Kurs von 20 Seemeilen Länge – einmal hoch, einmal runter. Rolf Vrolijk erinnert: „Die Bedingungen werden großen Einfluss auf das Ergebnis haben. Nach dem ersten Rennen, vermutlich schon nach den ersten Minuten, werden wir wissen, wer welche Schokoladenseiten hat und dieses Duell gewinnen kann.“
Ihre Crew-Listen wollen die Teams erst am Montagmorgen bekannt geben. Alingi-Eigner Bertarelli hat seinen Platz an Bord bereits bestätigt, will sogar das Ruder der „Alinghi 5“ abwechselnd mit dem Franzosen Loïck Peyron. Kontrahent Larry Ellison dagegen winkte mit schwacher Ausrede ab: „Es gibt nun einmal ein Gewichtslimit und wir haben die Grenze erreicht. Deswegen bin ich vermutlich beim ersten Rennen nicht an Bord. Das ist zwar enttäuschend, aber ich möchte auf keinen Fall unsere Chancen, dieses Rennen zu gewinnen, beeinträchtigen.“ Auch der dreimalige Cup-Sieger Russell Coutts wird sich die Seeschlacht voraussichtlich nur von außen ansehen und nicht selbst segeln. Gesteuert wird die „USA“ vom 30 Jahre jungen Australier James Spithill. Spitzname: Jimmy Spitfire.
Das Duell wird im Modus «best of three» ausgetragen. Wer sich zwei Siege sichert, hat den 33. America´s Cup gewonnen. Zumindest auf dem Wasser, denn vor Gericht sind noch Urteile anhängig. Die Rennen sollen am Montag, am 10. und gegebenenfalls am 12. Februar ausgetragen werden, falls beim möglichen Stand von 1:1 ein Entscheidungsmatch notwendig wird. Gibt es aufgrund widriger Bedingungen Ausfälle, sind Reservetage bis zum 25. Februar und notfalls auch darüber hinaus vorgesehen. Das Budget der Veranstalter soll bis zum 20. Februar reichen. „Geht das Duell darüber hinaus“, so Manager Michel Hodara, „müssen wir neu nachdenken.“
Bis dahin aber steht das Duell der Giganten im Scheinwerferlicht. Dass der America´s Cup trotz aller Gerichtstreitigkeiten seine Faszination bewahrt hat, beweisen unter anderem die mehr als 800 akkreditierten Pressevertreter aus aller Welt. Der Cup mag mit seinem aktuellen Duell der Superlative entgleist sein. Er hat im Schatten der Schlacht zwischen zwei Segelsupermächten viele seiner Werte eingebüßt. Aber seine Magie wirkt noch. Wer daheim mitfiebern möchte, kann das live und kostenfrei via Internet tun.