Lars Bolle
· 10.05.2017
Beim Training gestern legte Oracle Team USA den AC 50 auf die Seite. Außerdem: Hintergründe zum neuen Rad-Antrieb beim Verteidiger
Während bisher noch kein anderes Cup-Team mit seinem neuen AC50-Katamaran gekentert ist, passierte dies gestern dem Verteidiger Oracle Team USA bereits zum zweiten Mal. Während des Trainings, bei dem Vorstartmanöver geübt werden sollten, misslang offenbar eine Halse mit anschließendem schnellem Anluven, das Boot legte sich auf die Seite. In nur drei Minuten konnte der Kat aber wieder aufgerichtet und zur Basis geschleppt werden. Laut einer Erklärung des Teams wurde niemand verletzt, und es seien nur geringe Schäden aufgetreten, man wolle heute das Training fortsetzen.
Die Kenterung im Video
Ob die Kenterung mit neuen Manöverabläufen zu tun hatte, ist nicht geklärt. Beim Verteidiger wurde vor zwei Tagen eine neue Installation entdeckt, ein Fahrrad hinter dem Steuermann. Damit sind die Neuseeländer nicht mehr die einzigen, die auf Radantrieb setzen. Allerdings hat diese Änderung bei Oracle Team USA vermutlich andere Hintergründe als bei den Neuseeländern.
Und aus einer anderen Perspektive
Emirates Team New Zealand hat im Cockpit vier Fahrräder, auf denen die Crew für die Hydraulikpower sorgt, die zur Bedienung fast aller Systeme benötigt wird. Per Beinkraft kann mehr Energie erzeugt werden als mit den Arm-Grindern, die alle anderen Teams einsetzen. Team New Zealnd zeigte in dieser Konstellation beim Training bereits sehr agile Manöver und sehr guten Speed.
Das Video des Teams, mit Onboard-Aufnahmen
Jedoch ist die höhere Energiebereitstellung nur ein Grund, weshalb die Neuseeländer auf Fahrräder setzen. Bei ihnen sind die Funktionen Steuermann und Foiltrimmer zumindest zeitweise geteilt. Während bei allen anderen Teams der Steuermann zugleich die Richtung des Kats wie auch die Fluglage über Foilverstellung über unterschiedliche Bediensysteme am Rad einstellen, ist bei den Neuseeländern Steuermann Peter Burling vor allem für das Steuern zuständig. Die Foil-Verstellung übernimmt über weite Strecken sein ehemaliger 49er-Vorschoter Blair Tuke, der auf dem vordersten Rad, direkt über dem Foil, sitzt. Da er dafür freie Hände benötigt, die er an einem Grinder nicht hätte, war dies ein weiterer Grund für die Neuseeländer, die Crew auf Räder zu bringen. Allerdings verlangt diese Aufgabenteilung eine extrem gute Abstimmung beider Aktiver, die so nur bei Burling/Tuke durch ihre gemeinsamen 49er-Jahre gegeben ist.
Beim Oracle Team USA ist Steuermann Jimmy Spithill für beides, Kurs und Fluglage, verantwortlich. Das neue Fahrrad hinter seiner Steuermannsposition dient offenbar vor allem dem Gewichtstrimm auf Vormwindstrecken. Dort ist es wichtig, das Gewicht achtern zu haben. Dieser Trimm kann zwar auch über eine entsprechende Verstellung der T-Foils am Ruder erreicht werden, jedoch erzeugt dies mehr Widerstand am Foil. Auf dem Rad sitzt Taktiker Tom Slingsby, der auf Amwindkursen jedoch an vierter Position von vorn wie gehabt am Grinder stehen wird, weil es auf diesem Kurs besser ist, das Crewgewicht etwas weiter vorn zu haben.
Dass Slingsby achtern auf einem Rad sitzt, hat sehr wahrscheinlich weniger mit der erhöhten Kraft zu tun, die er per Pedal erzeugen kann, sondern vielmehr mit dem begrenzten Platz, der dort zur Verfügung steht. Ein Grinder würde mehr Raum beanspruchen als ein Rad.
Damit scheint Oracle Team USA nicht etwa den Pedalantrieb der Neuseeländer zu kopieren, sondern einfach eine neue Trimmvariante zu testen. Mit der Kenterung hat diese jedoch offenbar nichts zu tun, die Videos zeigen, dass sich während des Manövers kein Crewmitglied hinter dem Steuermann befand.
In einem großen Technikreport wird die Funktionsweise der neuen AC50-Katamarane ausführlich erklärt, mit bisher einmaligen und exklusiven Einblicken in die Ruder und Foil-Verstellung. Diesen Report, wie auch alles weitere Wichtige zum kommenden America’s Cup, finden Sie in einem 32-seitigen Cup-Spezial in YACHT 12/2017, ab 24. Mai, zwei Tage vor Beginn der Round Robins, am Kiosk.