Tatjana Pokorny
· 19.09.2013
Auch Jochen Schümann ist von den spannenden Duellen im Finale fasziniert. Und hält eine deutsche Cup-Teilnahme in Zukunft wieder für möglich
Deutschlands erfolgreichster Segler hat viel Kritik am neuen America's-Cup-Format geübt. Zu extrem, zu weit weg vom Segelsport, zu dünn besetzt sei der Kampf um die Silberkanne bei seiner 34. Auflage. Doch der 59-Jährige gibt auch freimütig zu, dass er von den Rennen im Finale fasziniert ist und sie am Bildschirm live verfolgt.
YACHT online: Herr Schümann, Sie haben das neue America's-Cup-Format mehrfach kritisiert. Aber Hand aufs Herz, fiebern Sie nicht auch mit?
Schümann: Die letzten Rennen waren spannend anzusehen: Tolles Matchracing, tolle Bilder! Dabei muss ich den Kiwis ein Riesenkompliment machen. Sie beeindrucken mich mit ihrem technischen Können und der Umsetzung auf dem Wasser. Man merkt einfach, dass sie 30 Jahre gemeinsame Teamkultur in die Waagschale werfen können. Ihre große Erfahrung ermöglicht Erfolg auch mit kleinem Budget. Und das Ganze mit nur einem Boot.
YACHT online: Freuen Sie sich über den Ergebnisstand im America's Cup?
Schümann: Ja, ich freue mich sehr! Der America's Cup wäre bei den Kiwis in den besten Händen. Es wäre das Beste für die Segelwelt, wenn sie den Cup gewinnen würden.
YACHT online: Warum?
Schümann: Sie werden die nächste Cup-Auflage so konzipieren, dass wieder viele Nationen daran teilnehmen können, also ihn wirklich bezahlbarer und damit zugänglicher machen. Ich kann mir auch immer noch vorstellen, dass sie auf Monohulls zurückkehren. Denn ob wir für diese Art von Wettbewerb mit Foilen und Fliegen in Zukunft mehr Teams gewinnen können, muss bezweifelt werden. Dieser Wettbewerb wird nach wie vor ein Stück weit entfernt vom Segelsport, dafür aber sehr nahe an der Fliegerei ausgetragen. Dabei soll es doch kein Red Bull Air Race sein, oder?
YACHT online: Wie schafft es David Neuseeland mit seinem verhältnismäßig kleinen Budget von rund 60 Millionen Euro, Goliath Amerika mit seinem etwa dreimal so großen Budget in diesem Duell derart in Bedrängnis zu bringen?
Schümann: Es ist kein Zauberwerk: Sie waren vor einem Jahr als Erste mit ihrem Boot auf dem Wasser und haben als Erste gefoilt. Am Ende zählt wie fast immer die Zeit auf dem Wasser.
YACHT online: Dabei hat der Verteidiger doch personell verpflichtet, was die professionelle Segelwelt zu bieten hat …
Schümann: Ja, die Amerikaner haben gute Leute an Bord. Doch das bessere, erfahrenere Team sind die Neuseeländer.
YACHT online: Oracles Steuermann Jimmy Spithill zeigt aber immer wieder, dass er ein brillanter und furioser Matchracer ist …
Schümann: Ja, er ist gut. Aber auch ein bisschen das ewige Talent. So ein richtig großes Ding hat er noch nicht gewonnen. Der amerikanische Cup-Sieg 2010 mit Jimmy am Steuer zählt aus meiner Sicht nicht als herausragende Leistung, weil es ein ungleicher Wettbewerb war. Vergleicht man die Erfolge der Steuerleute, dann geht der Vergleich eindeutig zugunsten von Dean Barker aus. Doch im Team New Zealand wird gar nicht auf ein oder zwei Leute allein fokussiert. Die sind einfach gut als Team, eben als Team New Zealand.
YACHT online: Machen Sie sich manchmal Gedanken darüber, wie es Ihrem ehemaligen Alinghi-Teamkollegen Russell Coutts ergehen wird, falls sein Oracle Team USA den Cup verliert?
Schümann: Wenn man zu satt wird, wird es eben manchmal schwer. Der nimmt sich nach dieser Auflage hoffentlich einmal ein Jahr Auszeit …
YACHT online: Nehmen wir für einen Moment an, die Kiwis könnten an diesem Wochenende einen ihrer sieben Matchpunkte verwandeln und den Cup gewinnen. Glauben Sie an die Chance einer deutschen Teilnahme bei der nächsten Cup-Auflage?
Schümann: Diese Chance hat es immer gegeben, und sie ist weiterhin da. Es gibt in Deutschland Enthusiasten, die richtige Technologie und die Leute. Das Sailing Team Germany wurde zwar nicht zu AC-Zwecken gegründet, aber die langfristige Vision jeder Leistungsförderung beinhaltet natürlich in der Konsequenz auch die Stärkung des Profisegelns in Deutschland.