Jochen Rieker
· 18.09.2003
Packendes Leichtwind-Duell mit Oracle BMW – Sieg von Schümann & Co. trotz Taktik-Fehler auf der zweiten Kreuz
Die Schlappe vom Mittwoch muss das Team wach gerüttelt haben. Am Donnerstag siegte Alinghi mit dem Penzberger Jochen Schümann am Steuer nach dem bislang spannendsten Match beim Moet Cup vor San Francisco – wenn auch knapp.
Damit steht es in der alles entscheidenden Pro-Serie nun ausgeglichen 2:2. Am Morgen hatte die Wettfahrtleitung überraschend bekannt gegeben, dass das 4. Match, das eigentlich bereits Mittwoch gesegelt worden war, wiederholt werden müsse. So ging Alinghi nicht mit einem 3:1-Rückstand auf die Bahn, wie gestern berichtet, sondern nur mit einem 2:1.
Eine Fehlentscheidung in der Vorstartphase hatte Mittwoch zum Abbruch und einem Neustart des Pro-Rennens geführt. Ein Zuschauerboot hatte knapp vor Alinghi und Oracle BMW die Startbox gekreuzt. Weil eine spätere Analyse belegte, dass offenbar kein zwingender Grund für den Restart gegeben war, den Gavin Brady gewann, beschlossen die Umpire eine Annulierung der Wettfahrt. Sie soll Freitag oder Samstag nachgeholt werden.
Damit verringerte sich der Vorsprung des US-Teams um Oracle-Gründer Larry Ellison. Eigentlich hätte Oracle BMW bereits Donnertag die Best-of-Seven Serie und damit den ersten Moet Cup der Geschichte für sich entscheiden können. Doch nun ist alles wieder offen. Ob ein Protest der Schweizer oder höhere Einsicht der Schiedsrichter zu dem Entschluss führte, war am Donnerstag nachmittag vor Ort zunächst unklar.
Alinghi jedenfalls machte das Beste aus der veränderten Ausgangslage. Bei deutlich leichterem Wind aus West (12 bis 15 Knoten) agierten Jochen Schümann und seine Afterguard entschlossener.
Von Steuerbord kommend nutzen sie ihren Wegerechtsvorteil und erzwingen einen Dial-up. Nach mehreren Pirouetten nähern sich beide Schiffe auf Backbordbug segelnd der Linie. Während es Alinghi gelingt, durch Anluven einen Frühstart zu verhindern, entscheidet sich Gavin Brady an Bord von Oracle BMW im letzten Moment zu einer Wende, nur 50 Meter von der Linie entfernt. Sie soll ihn aus dem Abwindkegel von Alinghi bringen.
Der Nachteil des späten Manövers: Als Brady auf den alten Bug zurückgeht, liegt er zwar in Luv von SUI-64, muss aber erst wieder Fahrt aufnehmen. Jochen Schümann dagegen steuert die Schweizer Yacht mit vollem Speed und etwa einer Länge Vorsprung über die Linie. Perfekt!
Schon auf der ersten Kreuz deckt der dreimalige Olympiasieger und amtierende Cup-Champion, der erstmals in einer Serie an Bord von SUI-64 selbst steuert, nicht sehr eng. Offenbar ahnt Taktiker Brad Butterworth, dass das Schiff bei diesen Bedingungen mehr Potenzial hat als in den Vortagen, wo es mit bis zu 25 Knoten blies. Bis zur Mitte des ersten Schenkels baut Alinghi den Vorsprung auf über 70 Meter aus, segelt dabei einen Tick höher und schneller als Oracle BMW.
Jenseits von Alcatraz bleiben beide Boote lange auf Backbordbug, bis die Amerikaner auf die rechte Seite wegwenden. Das kostet sie ein Manöver mehr bis zur Luvtonne und weitere Zeit. An der ersten Bahnmarke liegen sie bereits 24 Sekunden zurück.
Alinghi kann vor dem Wind zwar nicht entwischen, hält aber den Abstand bis zur zweiten Tonne. Eine eigentlich komfortable Situation. Statt konsequent zu decken und sich auf die Speedvorteile am Wind zu verlassen, riskieren die Schweizer jedoch zu viel.
Auf der zweiten Kreuz fahren sie weit nach links raus, sehr nahe ans Ufer heran. Das macht man im Matchrace eigentlich nur, wenn man sich sehr sicher ist. Dawn Riley, die das Rennen vom Golden Gate Yacht Club aus kommentiert, wunderte sich über den unkonventionellen Schlag: „Ich würde extrem nervös werden, wenn ich so weit weg von meinem Gegner wäre“, sagt sie. Phasenweise beträgt der Seitenabstand mehrere hundert Meter.
Was auch immer Brad Buttwerworth zu der Taktik veranlasst haben mag: Sie geht nicht auf.
Schon bei der Annäherung ans Luvfass wird klar: Oracle BMW hatte weiter draußen den klar besseren Wind. Und mit Sicherheit haben die US-Boys mehr Erfahrung auf dem extrem schwierig zu lesenden Revier. Umso unverständlicher die Entscheidung der Schweizer. Als sich die Kurse der beiden Cupper 300 Meter vor der Tonne erstmals wieder kreuzen, liegt Alinghi achteraus und im Abwind von USA-76.
Zehn Sekunden beträgt der Abstand vor dem zweiten und letzten Vorwind-Gang. Genug, um zurückzuschlagen. Und genau das versuchen die Schweizer. Nachdem die Matches am Mittwoch noch einseitig und unspektakulär verlaufen waren, steigert sich die Spannung bei der fünften Begegnung in der Pro-Driver-Serie nun auf Thriller-Niveau.
Jochen Schümann deckt Oracle BMW von achtern kommend geschickt ab und schafft es bereits auf der ersten Hälfte des Bahnschenkels, die Ellison-Crew zu überlaufen. Gavin Brady versucht zu kontern und will Alinghi hochluven. Doch handelt er sich dabei eine Penalty ein, als er mit seinem Spi das gegenerische Schiffes touchiert.
Es ist die Vorentscheidung.
Denn Alinghi lässt sich nicht mehr in einen In-Fight zwingen, der womöglich in einer Strafe für die Schweizer hätte enden können. Auch als ein Frachter zwischen den Kontrahenten und der Leetonne durchfährt, behält Brad Butterworth den Überblick - und die Führung.
SUI-64 geht mit einer guten Länge Vorsprung auf die letzte Kreuz und lässt fortan nichts mehr anbrennen. Anders als zuvor deckt Jochen Schümann nun konsequent bis zum Finish vor dem Golden Gate Yacht Club, auf dessen Mole mehrere Tausend Zuschauer das bislang beste Match der Serie verfolgen. Weil das US-Team noch einen Strafkringel drehen muss, endet das Rennen für Alinghi mit 41 Sekunden Vorsprung.
Wie sagte Oracle BMW Skipper Chris Dickson am Mittwoch nach zwei ungefährdeten Siegen: „Es war eine Menge Arbeit, und wir hatten nie das Gefühl, wir könnten es uns gemütlich machen.“
Das war offenbar keine Übertreibung. Zumindest bei Leichtwind scheint Alinghi wieder zu alter Stärke zurück gefunden zu haben. Denn am späten Nachmittag gewann auch Ernesto Bertarelli sein Rennen gegen Larry Ellison.
Stand des Moet Cups nach 4 von 7 Rennen der Pro-Serie:
Alinghi: 1 0 0 1
Oracle BMW: 0 1 1 0
Hintergrund: Beim Moet Cup werden parallel Eigner- und Profi-Regatten gesegelt. In der sogenannten Owner-Driver-Serie (Best-of-Five) stehen Larry Ellison und Ernesto Bertarelli selbst am Steuer. Entscheidend für den Sieg im Moet Cup sind jedoch allein die Pro-Driver-Rennen (Best-of-Seven).
Die Serie endet am Samstag Nachmittag und ist der Auftakt einer ganzen Reihe von Veranstaltungen, die die Wartezeit bis zum nächsten America´s Cup 2008 verkürzen sollen. Nächster Event: Juni 2004 in Newport, Rhode Island.