America’s CupComeback nach 13 Jahren –  die Schweizer zeigen ihr Hauptquartier

Tatjana Pokorny

 · 15.09.2023

Der Haupteingang des Schweizer Basiscamps in der spanischen America's-Cup-Metropole Barcelona
Foto: Mitja Kobal/Red Bull Content Pool
In dieser Woche hat das Team Alinghi Red Bull Racing die Türen seines neuen Hauptquartiers in Barcelona bis ins Innere geöffnet. Einige wenige Cup-Beobachter, darunter die YACHT, durften das Cup-Zuhause der Schweizer auch in Bereichen kennenlernen, die sonst für Außenstehende strikt verschlossen bleiben. Die Bilder dazu lieferte das Team, denn Fotografieren war bis auf zwei Ausnahmen streng verboten. Zwei deutsche Bootsbauer sind hier auch aktiv

Schlicht und schnörkellos, sehr funktionell, geschmackvoll und großzügig im Gästebereich, dazu versehen mit einer kleinen Prise Humor – so lässt sich das Hauptquartier von Alinghi Red Bull Racing in der Moll d’Espanya unweit des Real Club Náutico de Barcelona gut beschreiben.

Ein ehemaliges Multiplex-Kino ist der neue Heimathafen

Hier haben sich die Schweizer ein früheres Multiplex-Kino zum Hauptquartier im America’s Cup gewählt, neu geplant und umgebaut. Ende Juli sind sie eingezogen. Nun gewährten sie einigen Beobachtern erstmals einen tieferen Einblick in ihren neuen Heimathafen im maritimen Herzen der Cup-Metropole.

Wer es durch den Haupteingang zur Stahltreppe geschafft hat, blickt dort auf ein Schild: “Welcome to the first and only Base visit for media! Please take the stairs behind you.” Zwei recht steile Treppen später wird man aufgemuntert: “Almost at the second floor!”. Fast geschafft. Oben angekommen, werden die Besucher schließlich von einem glänzenden Foto der begehrten Silberkanne und der ältesten Botschaft der America’s-Cup-Welt erleuchtet: “There is no second! But we are very happy to welcome you here!”

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Nebenan machen 2024 die J-Class-Yachten für ihre WM fest

Dahinter geht es direkt in die Lounge von Alinghi Red Bull Racing – ein riesiger, puristischer Raum, der nur von lichtdurchfluteten Glasfenstern vor der Terrasse getrennt ist. Draußen blickt man auf den Hafen, in dem 2024 ein Stück oberhalb des Basiscamps auch die Schönheiten der J-Class festmachen werden, die anlässlich des America’s Cup ihre Weltmeisterschaft vor Barcelona austragen werden.

Der Empfang im Gästebereich fällt herzlich aus – die Schweizer sind nach 13 Jahren Abwesenheit mit viel neu entfachter Lust und erfolgshungrig in den Schoß der Cup-Familie zurückgekehrt. Die Lounge bietet eine mannshohe Leinwand mit großzügiger Sitzecke, hohen Bartischen und Stühlen. Den Mittelpunkt bildet ein moderner langer, am Ende geschwungener und natürlich bestens ausgestatteter Tresen.

Einmalige Öffnung für Fans am 21. September

Gleich dahinter steht ein Segelsimulator, der sogar Nichtsegler mit viel Spaß schnell nachempfinden lässt, wie sich ein Cup-Foiler so steuert. Flankiert ist der Simulator von zwei Teammitgliedern, die Neugierigen den Einsatz im Handumdrehen erklären.

Am 21. September dürfen das alles auch die Fans erleben. An diesem Tag wird Alinghi Red Bull Racing sein Hauptquartier einmalig für die Öffentlichkeit öffnen. Kurz vor dem Mercé-Wochenende werden die Schweizer ihre Fans mit diversen Aktivitäten zum Mitmachen und vielen Teammitgliedern empfangen. Wer dann gerade in Barcelona ist, hat eine gute Chance, das Camp selbst kennen zu lernen.

Das Fitness-Studio lässt keine Wünsche offen

Der Rundgang durch die “heiligen Hallen” beginnt mit Einblicken in die fast ein wenig aseptisch wirkende Kantine, wo die insgesamt etwa 100 Teammitglieder aus allen Arbeitsbereichen je nach ihren Arbeitszeiten verköstigt werden. Man könnte neidisch werden, denn es kommen Genüsse höchster Qualität auf den Tisch. Die Mahlzeiten kreiert der mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Starkoch Romain Fornell in Zusammenarbeit mit den Ernährungsexperten von Alinghi Red Bull Racing.

Gleich hinter der Kantine – ein gemeiner Zufall? – geht es ins 400 Quadratmeter große Fitness-Studio für die aktiven Mitglieder im Team Alinghi Red Bull Racing. An einer Wand stapeln sich blitzende Hanteln aller Größen meterhoch. Hier packen vor allem die Grinder zu. Die sogenannte Power Group der Segel-Crew absolviert hier mehrere Einheiten täglich. Die schwerste Hantel hat zweimal 50 Kilogramm im Angebot. Uff.

“Alles super geheim hier”

Fitness-Trainer Alex Hopson lächelt. Er hat schon Großbritanniens Olympiasegler auf Kurs gebracht und achtet nun darauf, dass die Eidgenossen entsprechend ihren unterschiedlichen Aufgaben in Top-Form sind. Natürlich sind in diesem “Gym” auch alle anderen modernen Trainingsgeräte zu finden, die es für gestählte Cup-Kämpfer oder auch künftige “Radfahrer” braucht.

Alles riecht noch neu in diesem Basiscamp, vor allem auf den Fluren im ersten Stock, wohin sich Außenstehende nur in Ausnahmen und nur in Begleitung begeben dürfen. “Alles super geheim hier”, hört man immer wieder. Die Büros verbergen sich hinter Sicherheitstüren, die nur mit persönlichen elektronischen Ausweisen und Codes zu öffnen sind – Sicherheit hat insbesondere in den Arbeitsbereichen der Designer und Ingenieure nicht nur in diesem Cup-Gebäude höchste Priorität.

Wir sind den Seglern nah – und allen anderen auch” (Aurore Kerr)

Die Denker haben zusätzlich zu ihren Arbeitsplätzen vor großen Bildschirmen einen Bonus: Sie können durch Fenster direkt in die eigene Werft schauen. Die Genfer Strukturingenieurin Aurore Kerr erzählt: “Wir sind seit zweieinhalb Monaten hier. Die Atmosphäre ist super. Wir sind den Seglern nah – und allen anderen auch.” Sie hatte zuvor einmal ein Praktikum beim US-Herausforderer American Magic absolviert und sich dort mit Foilerstrukturen befasst. Jetzt ist sie bei Alinghi Red Bull Racing als Strukturanalytikerin für Foils genau in ihrem Element.

Nach dem nur fernen Blick auf die Büros – allesamt zu geheim, um sie aus der Nähe betrachten zu dürfen – geht es zurück zur Treppe, weiter hinunter und um die Ecke hinaus auf den seitlichen Vorplatz direkt am Hafen. Schräg gegenüber auf der anderen Seite ist Patrizio Bertellis Team Luna Rossa Prada Pirelli beheimatet. Die Azzurri jagen den Cup seit der Jahrtausendwende.

Nachbarn sind die Briten und ihr Team Ineos Britannia

Zwei Minuten Fußweg entfernt auf der gleichen Seite der Schweizer haben die Briten ihr Hauptquartier für Anlauf Nummer drei errichtet, die 1851 von den Amerikanern von der Isle of Wight entführte Trophäe endlich in ihr Mutterland zurückzuholen. Auch die anderen Teams haben sich nicht weit entfernt ein Zuhause auf Zeit gebaut.

Vom Schweizer Hafenvorfeld aus blickt man in Landrichtung auf die blaue Rückseite des Basiscamps, an der in großen roten Lettern der Teamname prangt. Klar, dass auch der rote Bulle vom Titelsponsor nicht fehlt, der ebenso auf den Yachten abgebildet ist und gerade hier in Spanien eine kämpferische Note ins Spiel bringt. Nebeneinanderliegend, befinden sich hier die Eingänge zu den drei unterschiedlich großen und an diesem Tag sämtlich geöffneten Hallen: links das Segelloft, mittig die Rigging-Abteilung und rechts die “Werft”, wo die Bugspitze des Schweizer AC40-Racers kess hervorragt.

Manche Sachen wirken vielleicht verrückt. Aber das ist nur so, weil es vorher noch keiner gemacht hat” (Dan Smith)

Dahinter steht die vom Emirates Team New Zealand gebraucht gekaufte AC75-Yacht “ETNZ 1” mit dem internen Schweizer Titel “BoatZero” aufgebockt – und gut verdeckt. Die neuen Cup-Yachten, von denen jedes Team nur eine bauen darf, entstehen gerade erst. Ein neuer, selbst entwickelter AC75-Mast hängt bei den Riggern vom Team Alinghi Red Bull Racing gut sichtbar unter der Decke. Der alte neuseeländische Mast streckt sich links entlang der Wand und knapp über dem Boden einmal in Längsrichtung durch die eher schmale Halle. “Wir kümmern uns hier um wirklich alles, was mit Rigging zu tun hat”, beschreibt Fernando “Harry” Sales die Aufgaben seines Teams.

Rechts außen ist die Werft die handwerkliche Herzkammer des Basiscamps. Dan Smith, der zum fünften Mal beim America’s Cup dabei ist, erzählt lächelnd: “Wenn einer im Design-Büro eine verrückte Idee hat, dann sind wir es, die das bauen.” Nach kurzer Pause setzt er hinzu: “Manche Sachen wirken vielleicht verrückt. Aber das ist nur so, weil es vorher noch keiner gemacht hat.”

Auf der Weft Hooksiel gelernt, im America’s Cup ein Meister

Dan Smith zählt zu den “Schattenarbeitern” im America’s Cup, die selten bis nie im Rampenlicht stehen, ohne die aber kein Erfolg denkbar ist. Smith hat den Cup zweimal gewonnen und zweimal verloren. Er sagt: “Ich bin bereit für einen weiteren Sieg.” Er weiß, dass dafür im letzten Jahr dieses Cup-Zyklus wieder unzählige Nachtschichten vor ihm liegen.

Das kann Ties Rabe bestätigen. Der in Steinhagen bei Bielefeld großgewordene Bootsbaumeister ist seit Sommer 2022 der erfahrenste Bootsbauer im Team Alinghi Red Bull Racing. “Ich mache meinen Job gerne. Bootsbau ist klasse”, sagt der 51-Jährige, der schon bei vielen bekannten Regattaprojekten zu den stillen, aber effektiven Umsetzern zählte. Um seine Güte macht er maximal wenig Aufheben. Gelernt hat Rabe sein Handwerk einst auf der Werft Hooksiel. Heute gehört er jenem kleinen Kreis hocherfahrener Bootsbauer an, die von höchsten Stellen von einem mehrjährigen Projekt zum nächsten weiterempfohlen werden.

Mir macht es Spaß, auf Situationen zu reagieren. Ich mag die Herausforderung” (Ties Rabe)

In diesem Fall hat Shore-Crew-Manager Tim Hacket Ties Rabe ins Team der Schweizer Herausforderer geholt. Auf die Frage danach, warum seine Dienste von Großkampagnen wie zuvor beispielsweise der illbruck Challenge, “Uca”, den Ocean-Race-Teams von Puma oder “ABN Amro I”, vielen weiteren prominenten Projekten und jetzt auch bei Alinghi Red Bull Racing so gefragt sind, weiß der bodenständige Bootsbau-Virtuose mit den meerblauen Augen beinahe keine Antwort. Nach kurzem Überlegen sagt er: “Mir macht es Spaß, auf Situationen zu reagieren. Ich mag die Herausforderung.”

Ich bin bei meinem Wunschteam” (Ties Rabe)

Rabe ist bekannt dafür, im Bootsbaubereich von Profirennställen alle möglichen und auch unmöglichen Situationen handwerklich auf höchstem Niveau parieren zu können. In einem deutschen Handwerksbetrieb würde man ihn vielleicht Werkstattmeister nennen. Mit Lebensgefährtin Polly lebt Ties Rabe aktuell in Barcelona und schätzt seine Arbeit für die Eidgenossen. Er hatte mehrere Angebote aus der Cup-Welt, fühlt sich aber bei Alinghi Red Bull Racing wohl. “Ich bin bei meinem Wunschteam. Es ist ein neu zusammengekommenes Team, das noch nicht so eingefahren ist. Da kann man sich gut einbringen.”

Ins Team der Herausforderer hat Ties Rabe auch Adrian Bleninger geholt, den er bei der gemeinsamen Arbeit für Charlie Enrights Ocean-Race-Siegerteam 11th Hour Racing kennen und schätzen gelernt hat. “Ich wusste, dass man mit Adrian sehr gut arbeiten kann”, sagt Rabe über den 31-jährigen Landsmann vom Augsburger Segel-Club. Damit bereichert ein starkes deutsches Duo die Bootsbau-Abteilung der ehrgeizigen Schweizer Comeback-Teams im 37. America’s Cup.

Mit Schweizer Grüßen von Alinghi Red Bull Racing: Hier gibt es starke Einblicke ins AC40-Segeln wie bei der ersten Vorregatta zum 37. America’s Cup an diesem Wochenende in Vilanova i la Geltrú:

“The Rain in Spain”: Fehlstart in die erste Vorregatta zum 37. America’s Cup – wie der erste Tag des Vorspiels im Revier vor Vilanova i la Geltrú bei Barcelona am Freitag (15. September) ins Wasser fiel:

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