America’s CupBruch, Disqualifikation und Superspeed im Gigantenduell

Max Gasser

 · 29.09.2024

Knapp setzte sich "Luna Rossa" im heutigen Highspeed-Rennen durch
Foto: Ricardo Pinto/America's Cup
Beim Louis-Vuitton-Cup-Finale jagt ein ereignisreicher Tag den nächsten: Nach einer Disqualifikation von Luna Rossa im ersten Rennen, gab es auch in der zweiten Wettfahrt des Tages reichlich Diskussionsbedarf. Dazu Geschwindigkeiten oberhalb der 100 km/h.

Anstelle von vorhergesagten 12–17 Knoten wurden die Segler heute mit Windgeschwindigkeiten am und über dem oberen Windlimit von 21 Knoten konfrontiert. Mehr als ein Dutzend Mal musste Race-Committee-Mitglied Melanie Roberts das dritte Rennen im Louis-Vuitton-Cup-Finale verschieben, bis um 14:49 Uhr erstmals ihre berühmten Sätze fielen. “This is the race committee. We have now met the windlimit and this race is live!”

Während tausende Fans am Strand, auf dem Wasser und zu Hause vor den Bildschirmen mit Hochspannung auf dieses Highspeed-Duell warteten, war einer der Protagonisten zu diesem Zeitpunkt allerdings überhaupt nicht bereit. Kurz zuvor war eine Latte in Luna Rossa Prada Pirellis Großsegel gebrochen und hatte sich durch die Membran gebohrt. Den Italienern blieb nichts anderes, als das Segel zu wechseln. Unterstützung bekamen sie dafür von ihrem Team auf dem Chaseboat. “Es war eine schwere Entscheidung, aber sie musste getroffen werden”, so Steuermann Jimmy Spithill.

“Luna Rossa” vor dem Start disqualifiziert

Als die Briten bei rund zwei Minuten vor dem Start in die Startbox einfuhren, disqualifizierte Chefschiedsrichter Richard Slater “Luna Rossa” wegen Fremdhilfe und sprach Ben Ainslies Team den Sieg zu. Während sein Team gestern noch am Zeitlimit scheiterte, stand es damit tatsächlich 2:1 im Duell um den Platz im America’s-Cup-Match gegen Verteidiger Emirates Team New Zealand.

Während Luna Rossa Prada Pirelli auf ein größeres Großsegel umsattelte, hielt sich der Wind erneut oberhalb des Limits. Damit ein Rennen starten kann, muss dieser an mehreren Stellen auf dem Cup-Kurs zwischen neun und vier Minuten vor dem Start konstant über 6,5 und unter 21 Knoten liegen. Werden die Grenzwerte auch nur an einer Messstelle unter- oder überboten, dann wird die Uhr wieder auf die anfänglichen neun Minuten zurückgestellt und die Prozedur beginnt von vorne.

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Über eine Stunde sollte es in diesem Fall bis zum nächsten Start dauern. Ineos Britannia lief pünktlich mit fast 48 Knoten von der Steuerbordseite in die Startbox ein und machte sich sofort auf die Jagd nach “Luna Rossa”. Rund 40 Sekunden vor dem Start, als die Briten die Italiener in Luv erneut von der Startlinie wegdrängten, wagten diese einen riskanten Matchrace-Move, der in der Folge für viel Diskussionsstoff sorgte.

America’s Cup: Ben Ainslie hadert mit knapper Entscheidung

Die Italiener versuchten bei Geschwindigkeiten beider Boote von knapp 40 Knoten mit einer Halse vor dem britischen Bug zu entkommen. Dabei sah es nicht nur extrem knapp, sondern auch nach einer Überlappung der beiden Boote aus. “Britannia” musste ebenfalls halsen, um auszuweichen und wurde dadurch ruppig gestoppt. Man hörte Ben Ainslie “Jesus Christ” schreien, wenige Sekunden später folgte der Protest seines Teams. “Die Szene war meiner Meinung nach sehr, sehr knapp, und aus unserer Sicht war es ein Penalty”, so Ainslie.

Hier beginnt "Luna Rossa" abzufallen, um vor "Britannia" zu halsen und zur Startlinie zurückzukehren
Foto: Ricardo Pinto/America's Cup

Die Schiedsrichter entschieden allerdings anders und ließen das Geschehen ohne Eingriff weiterlaufen. “Sie waren anderer Meinung, aber so ist das nun mal im Segelsport - und das Einzige, was im Segelsport gilt, ist, dass die Schiedsrichter immer Recht haben.” Man wolle diese Entscheidung dennoch mit der Jury besprechen, um sie besser zu verstehen, erklärte der viermalige Olympiasieger. Auch Coach und siebenfacher Matchtrace-Weltmeister Ian Williams sei “nicht sehr glücklich über die Entscheidung”.

In der Folge behielten die Briten dennoch eine starke Position in der Annäherung an die Startlinie. Doch den Italienern gelang es, sich einen leichten Vorteil zu verschaffen, der ausreichte, um die Briten zur frühen Wende zu zwingen. Was dann folgte, war das bisher adrenalinreichste Rennen im gesamten Zyklus des 37. America’s Cup. Geboten wurden absurde Geschwindigkeiten, knappe Situationen mit mehreren Protesten und taktischen Finessen. Zwar blieb Ineos Britannia stets in der Angreifer-Position, gestaltete die ersten beiden Runden allerdings undenkbar knapp.

“Britannia” und “Luna Rossa” statistisch ausgeglichen

Trotz des wenig später auch aufgrund eines schwachen Leetonnen-Manövers bis auf über 400 Meter angewachsenen Rückstands, gaben die britischen Cup-Jäger nicht auf und kamen in der vierten und letzten Runde nochmal gefährlich nah an den roten Mond heran. Das letzte Luvgate erreichten sie sechs Sekunden nach den Führenden und gingen auf dem Downwind in den Totalangriff über. Durch kluges Abdecken und starke Manöver konnten zwei Sekunden gut gemacht werden, für den Sieg reichte es allerdings nicht mehr. “Wir lieben diese Art von Rennen. Es ist einfach großartig für das Team, unter diesem Druck und dieser Belastung zu stehen”, kommentierte Steuermann Jimmy Spithill den Ausgleich.

Auch Ben Ainslie zeigte sich am Ende des nervenaufreibenden Wettfahrttages versöhnlich: “Am Ende war es ein großartiger Tag, und ich bin dankbar, dass wir dieses unglaubliche Rennen hatten.” Bei einem Testschlag habe man zudem den eigenen Geschwindigkeitsrekord gebrochen, im Rennen kam der Topspeed jedoch von “Luna Rossa”: 55,2 Knoten! “Diese Boote sind der Wahnsinn”, sagte Ainslie. Obwohl der Wind heute zeitweise stärker als zum Auftakt des Finales am Donnerstag war, sei es etwas einfacher gewesen. “Der Seegang ist es, der es mit diesen Booten wirklich schwer macht.”

Nicht nur gefühlt, sondern auch auf dem Papier schenkten sich die Teams allerdings auch heute kaum etwas. Denn mit 41,4 Knoten lag die Durchschnittsgeschwindigkeit der Briten 0,1 Knoten über der der siegenden Italiener. Diese legten mit leicht besseren VMG-Werten (Velocity made good; Luv- bzw. Leegeschwindigkeit) allerdings rund 240 Meter weniger zurück. Die Anzahl der Manöver war mit 24 ausgeglichen.

Neuseeländer trainieren für das America’s Cup Match, Alinghi kentert bei Testfahrt

“BoatOne” von Alinghi Red Bull Racing liegt auf der Seite, niemand wurde verletztFoto: Ian Roman/America's Cup“BoatOne” von Alinghi Red Bull Racing liegt auf der Seite, niemand wurde verletzt

Nach vier abgeschlossenen Rennen im Finale des Louis Vuitton Cups lässt sich keinesfalls ein klarer Favorit ausmachen. Sicher ist bisher lediglich, dass das Siegerteam gestärkt in das 37th America's Cup Match gegen die Verteidiger vom Emirates Team New Zealand gehen wird. Diese absolvierten heute erneut eine Trainingseinheit vor Barcelona. Auch Alinghi Red Bull Racing war zu unbekannten Testzwecken auf dem Wasser, musste allerdings vorzeitig abbrechen. Aus bisher ungeklärten Gründen kenterte der Schweizer AC75. Kein Crewmitglied wurde verletzt und “BoatOne” konnte kurze Zeit später aufgerichtet und zurück zur Base gebracht werden.

Statt eines zunächst geplanten freien Tages sind für morgen zwei weitere Duelle zwischen Luna Rossa Prada Pirelli und Ineos Britannia vorgesehen. Die Vorhersage verspricht 12 bis 18 Knoten Wind, der erste Start soll um 14:10 erfolgen. Hier geht es zur Live-Übertragung auf YouTube.


Die Wettfahrten von Tag drei im Louis-Vuitton-Cup-Finale im Video-Replay:

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