Tatjana Pokorny
· 10.04.2025
Im 37. America’s Cup war das britische Team Ineos Britannia als Challenger of Record und als stärkster Herausforderer der neuseeländischen Verteidiger ins Duell um die wichtigste Trophäe des Segelsports eingezogen. Der von Sir Jim Ratcliffes Unternehmen finanzierte und sportlich von Sir Ben Ainslie geleitete Rennstall hatte sich im Verlauf des Wettbewerbs steigern können, unterlag im Match um die Silberkanne im vergangenen Herbst im spanischen Revier von Barcelona dem Emirates Team New Zealand aber mit 2:7.
Auf dieser Basis wollte das Team die dritte gemeinsame America’s-Cup-Kampagne von Ratcliffe und Ainslie in Angriff nehmen. Doch es war schon während der Cup-Regatta in Barcelona hinter den Kulissen zu schweren Zerwürfnissen gekommen. Die waren trotz einiger Bemühungen auf dem weiteren Weg zu einer Folgekampagne nicht mehr zu kitten. Ineos Britannia kündigte eine Kampagne ohne Ainslie an. Ainslie antwortete öffentlich mit Verwunderung und beschrieb seine Kampagne Athena Racing als rechtmäßigen Challenger of Record.
Nun hat Sir Jim Ratcliffes Team Ineos Britannia seinen Rückzug von den Startabsichten beim 38. America’s Cup bekanntgegeben. Die Entscheidung, so heißt es in einem aktuellen Statement, “wurde nach langwierigen Verhandlungen mit Athena Racing Ltd. nach dem Abschluss des 37. America's Cup im vergangenen Jahr in Barcelona getroffen”.
Hinter Athena Racing Ltd steht der viemalige Olympiasieger Sir Ben Ainslie, im 37. America’s Cup noch als CEO und Skipper für Ineos Britannia im Einsatz. Jetzt ist der 48-Jährige CEO der Athena Sports Group und will erneut um den America’s Cup kämpfen, den er 2013 einmal mit dem Oracle Team USA, aber noch nie für sein Heimatland Großbritannien gewinnen konnte.
Im aktuellen Statement von Ineos Britannia heißt es weiter: “Die mit Athena Racing erzielte Vereinbarung hätte es beiden Parteien (Red.: Ineos Britannia und Athena Racing Ltd.) ermöglicht, am nächsten Cup teilzunehmen, aber sie hing von einer schnellen Lösung ab. Ineos Britannia hatte den wesentlichen Bedingungen sehr schnell zugestimmt, aber Athena hat es versäumt, die Vereinbarung rechtzeitig abzuschließen.” In anderen Worten: Man wurde sich eben nicht einig.
Mit dem Rücktritt von den im Januar noch angekündigten eigenen ehrgeizigen Cup-Plänen wies Ineos Britannia die Verantwortung dafür Athena Racing zu. Im Statement von Ineos Britannia heißt es: “Ineos Britannia ist der Meinung, dass diese sechsmonatige Verzögerung seine Fähigkeit untergraben hat, sich auf den nächsten Cup vorzubereiten.” Man habe daher “widerwillig seine Antrittsabsicht zurückgezogen”.
Nach unseren Herausforderungen bei den letzten beiden America's Cups war diese Entscheidung sehr schwierig.” Sir Jim Ratcliffe
Sir Jim Ratcliffe, Chemieingenieur, Millardär und Vorstandsvorsitzender des Chemiekonzerns Ineos, kommentierte die Entscheidung mit einem persönlichen Statement und rückblickend auf den Erfolg im 37. America’s Cup so: “Wir waren mit einem außergewöhnlich schnellen Boot der erfolgreichste britische Herausforderer der Neuzeit und hatten das Gefühl, dass wir mit der sehr effektiven Unterstützung der Mercedes-F1-Ingenieure beim nächsten Cup eine echte Chance hatten. Leider ist uns diese Gelegenheit entgangen.“
Wie es nun mit der bereits am 19. Oktober 2024 in Barcelona angenommenen Herausforderung der britischen Royal Yacht Squadron als “Challenger of Record” weitergeht, blieb zunächst offen. Damals hatte mit Bertie Bicket der Vorsitzende des herausfordernden englischen Traditionsclubs gesagt: “Wir freuen uns sehr, dass wir von der Royal New Zealand Yacht Squadron als Herausforderer des AC38 akzeptiert wurden, nachdem wir bereits beim 37. America's Cup erfolgreich zusammengearbeitet haben.”
Bertie Bicket sagte auch: “Wir sind fest entschlossen, mit dem Verteidiger zusammenzuarbeiten, um ein Protokoll zu vereinbaren, das darauf abzielt, mehr Teilnehmerländer für den Herausforderer zu gewinnen und sowohl die Veranstaltungen des America's Cup für Frauen als auch für Jugendliche weiter zu fördern und auszubauen.” Nun ist es so, dass die Weichen zunächst im eigenen Land neu gestellt werden müssen, bevor es mit großen Plänen als Challenger of Record auf der Cup-Bühne weitergehen kann.
Ineos Britannia sah sich offenbar gezwungen, den noch im Januar dieses Jahres angekündigten Alleingang ohne Sir Ben Ainslie zu stoppen. Eine Reaktion von Athena Racing Ltd. dazu stand noch aus. Verknüpft mit dieser jüngsten Eskalation ist nun die Frage, ob Sir Ben Ainslie und Athena Racing Ltd. auch ohne ihren einstigen Förderer und Geldgeber Sir Jim Ratcliffe genügend Mittel finden, um ihren Kurs im America’s Cup fortsetzen zu können. Interessieren dürfte das vor allem die neuseeländischen Verteidiger, die auf ohnehin forderndem Kurs in die Cup-Zukunft einen starken Challenger of Record brauchen könnten.