“This is the Race Committee. We have reached the time limit and this race is stopped” – die wohl bisher schmerzhaftesten Worte für Ben Ainslie und seine Crew im 37. America’s Cup. Nach einer starken Performance am unteren Windlimit und einem Flautenkampf in Verdrängerfahrt auf den letzten beiden Bahnschenkeln war die zwischenzeitliche Führung im Finale des Louis Vuitton Cup für das britische Team zum Greifen nahe. Trotz einer komfortablen Führung, die es womöglich auch ins Ziel gebracht hätte, gab es am Ende allerdings keinen Punkt. Denn das Zeitlimit von 45 Minuten kam “Britannia” zuvor und bereitete der Wettfahrt ein jähes Ende.
“Auf dem letzten Vorwindkurs hat sich natürlich eine gewisse Frustration eingeschlichen, aber am Ende des Tages haben wir einfach versucht, alles zu tun, um auf die Foils zu kommen”, sagte der britische Steuermann Dylan Fletcher zurück an Land. In der Annäherung an die letzte Luv-Tonne des Rennens war der Cupper bei der vorletzten Wende zuvor von den Tragflügeln gefallen. Gleiches Schicksal hatte “Luna Rossa” bereits wenige Augenblicke davor ereilt. Keines der sonst so rasenden Geschosse sollte sich daraufhin wieder berappeln.
Bereits vor dem Start hatte man die Foiler anschleppen müssen, um sie ins Fliegen zu bringen. Bei rund acht Knoten Windgeschwindigkeit verschafften sich die Briten mit der richtigen Seitenwahl an der Startlinie eine starke Ausgangsposition für die erste Kreuz. “Ich glaube, es gab etwa zwei Knoten Unterschied in der Windgeschwindigkeit von rechts nach links, also hätten wir ein bisschen mehr Risiko eingehen sollen, um die rechte Seite zu erwischen”, gestand später auch Luna-Rossa-Steuermann Francesco Bruni.
In der Folge fanden sich seine Italiener nach der ersten Wende im Deckungsschatten von “Britannia”. Ben Ainslie und seine Crew trafen daraufhin auch weiter die richtigen Entscheidungen, sodass sie das Luv-Gate mit einem Vorsprung von 19 Sekunden erreichten. Allerdings wählten sie mit der linken Bahnmarke dann erstmals die falsche Option, wie sich wenig später herausstellen sollte. “Luna Rossa” wagte den Split und wurde dafür mit mehr Druck auf der linken Vorwind-Seite belohnt, der sogar ausreichte, um kurzzeitig die Führung zu übernehmen. Ineos Britannia eroberte diese durch eine starke Beschleunigung in der nächsten Böe allerdings wieder zurück.
Ein unsauberes Manöver der Italiener kostete sie weitere Meter und die Briten gaben die Führung fortan nicht mehr aus der Hand. Stattdessen bauten sie diese zwischenzeitlich gar auf knapp einen Kilometer aus. Noch vor wenigen Wochen hatte dieses Boot massive Probleme in derartigen Bedingungen. Francesco Bruni, dem man einen solchen Vorsprung vorab deutlich eher zugeschrieben hätte, zeigte sich dennoch wenig überrascht: “Ich wusste, dass sie es im Halbfinale mit einem sehr starken Leichtwindteam zu tun hatten, nämlich mit Alinghi. Ich bin nicht überrascht, aber ich denke immer noch, dass Luna Rossa im Vorteil ist, also bin ich überhaupt nicht besorgt.”
Sollte Ineos Britannia die seit der letzten Vorregatta andauernd steile Leistungskurve so fortführen können, dürfte sich dies bald ändern. Zu Beginn des Louis Vuitton Cups sah das Team bei schwachen Winden insbesondere in den Manövern chancenlos aus. Heute segelte es beeindruckend hohe Amwind-Kurse mit gutem Speed und präsentierte sich in Wenden und Halsen gleichermaßen souverän. Unklar ist dabei, wie hoch der Anteil der Ingenieure und des Shoreteams an dieser Entwicklung ist.
Möchte man Steuermann Dylan Fletcher Glauben schenken, so sind hauptsächlich die Segler für die starken Leistungen verantwortlich: “Was die Leute vielleicht nicht sehen, ist, wie unglaublich schwer die Boote zu segeln sind, und dass es so viel ausmacht, wenn man sie einfach besser segelt. Ich glaube, was wir hier sehen, ist, dass jeder lernt, seine Yacht immer schneller zu segeln.” Das sei wiederum nur dank der Arbeit der Leistungsingenieure möglich, welche dem Segelteam sagen würden, was sie tun müssten. Auch die Shorecrew habe ihren Anteil, erklärt der 49er-Olympiasieger von Enoshima: “Sie investieren wirklich viele Stunden, und das macht einen Unterschied. Sie arbeiten sehr, sehr hart.”
Nach Rennen am oberen Windlimit am ersten Wettfahrttag des Finales und den leichten Winden von heute, werden die Anforderung an die Crews und ihre Yachten morgen erneut andere sein. Erwartet wird der sogenannte Garbí-Wind aus südwestlicher Richtung mit rund 12 bis 17 Knoten. Damit liegt das Windfenster deutlich eher im Bereich der ursprünglich prognostizierten Stärken des britischen Bootes. Doch auch Luna Rossa Prada Pirelli konnte bei ähnlichen Bedingungen schon beeindruckende Leistungen beim 37. America’s Cup zeigen. “Die Boote werden schnell fahren, es wird eng zugehen”, so Dylan Fletcher. Start ist erneut ab 14:10 Uhr, die Rennen werden live bei YouTube gestreamt.