Ja, ich denke, wir können zuversichtlich sein. Vielleicht täusche ich mich, aber ich bin ja auch nicht ganz neutral (lacht).
Es ging zu Anfang gar nicht. Da kamen einige Sachen zusammen. Zum einen war in vielen Bereichen das Finish noch nicht so, wie es hätte sein sollen. Wir hatten einige Bereiche, in denen bei der Fertigung Toleranzen nicht eingehalten wurden. Es gab einfach Dinge, die nicht so waren, wie sie entwickelt worden waren. Es war relativ schwierig, das zu ändern. Das haben wir aber geschafft.
Es war eher Detailarbeit, die uns dann dahin gebracht hat, wo wir jetzt stehen.” Martin Fischer
Wir sind heute auf einem Stand, wo das Boot sehr genau dem entspricht, was auch gezeichnet und entwickelt wurde. Das funktioniert jetzt. Das war anfänglich noch nicht der Fall. Wir haben natürlich auch Sachen geändert. Aber ich würde sagen: Nichts Weltbewegendes. Es ist so: Unser Boot ist sehr schnell, aber auch sehr schwierig. Ich habe den Eindruck, dass das Boot der Italiener etwas einfacher zu handhaben war als unseres. Es hat für uns etwas länger gedauert, bis wir so weit waren, dass wir das wirklich gut beherrschen.
Es ist schwieriger unser Boot auf 100 oder 95 Prozent seines Potenzials zu segeln. Aber wenn man das schafft, dann ist es sehr schnell. Und das dauert eben ein bisschen. Unser Performance-Profil ist spitzer. Das kann man sich wie einen steilen Gipfel vorstellen. Unser Gipfel ist sehr hoch, aber es geht auf beiden Seiten auch sehr steil runter. Andere Boote haben ein flacheres Profil, wo der Gipfel etwas niedriger ist, aber es geht nicht ganz so schnell auf beiden Seiten runter. Wenn Du da ein bisschen daneben bist, ist das nicht so schlimm.
Das sind in erster Linie die Segler, die das machen. Da können wir am Boot nicht mehr viel tun. Nach dem Reglement ist es so, dass man beispielsweise die Foils nicht austauschen darf. Auch die Anzahl der Segel ist begrenzt. Wir können nicht für veränderte Bedingungen veränderte Komponenten haben. Das ist nicht erlaubt. Das heißt, wir müssen von vornherein ein Boot haben, das über einen breiten Bereich von Bedingungen funktioniert. Aber trotzdem musst du dich natürlich einschränken. Auf die Bedingungen, die wir am vorletzten starkwindigen Renntag im Finale hatten, war keiner eingestellt. Ich glaube nicht, dass irgendeines von den Booten für solche Bedingungen (Red.: Während des Rennens herrschten Winde jenseits der erlaubten Rennstartgrenze von 21 Knoten) gezeichnet wurde. Ich weiß gar nicht, wer es gesagt hat – war es James Spithill oder Francesco Bruni – dass niemand ein Boot für solche Bedingungen entworfen hat.
Natürlich haben wir mögliches Segeln jenseits von 21 Knoten haben mit einbezogen. Es kann immer sein, dass das Windlimit erreicht oder während des Rennens überschritten wird. Der Wind kann beim Start im Rahmen bis 21 Knoten liegen, aber im Rennen stärker wiederkommen, so dass man mit Böen von 23 oder auch 25 Knoten zu rechnen hat. Das dann noch in Kombination mit Wellen, das war schon ziemlich am Limit.
Ich würde nicht sagen, dass die Neuseeländer so überlegen sind wie beim letzten Cup.” Martin Fischer
Der Eindruck täuscht da vielleicht… Viele Leute haben den Eindruck, dass das Boot robuster ist, weil unser Rumpf mehr Volumen hat. Da würde ich keine Wette drauf eingehen. Wir haben sehr kleine Foils, die in den Bedingungen nicht unbedingt helfen. Wir haben auch ein sehr kleines Ruder, das hilft auch nicht unbedingt. Wobei letzteres alle haben.
Ja. Und das hilft sicher nicht in solchen Bedingungen. Es freut mich deswegen besonders, dass zum einen unsere Foils trotz der geringen Größe robust sind. Und dann freut es mich auch, dass die Segler das in den Griff bekommen haben.
Dazu kann ich natürlich zum jetzigen Zeitpunkt nicht so viel sagen (lächelt). Die Round-Robin-Runde, an der sie ja zu Beginn im Louis Vuitton Cup teilgenommen hatten, die haben sie gewonnen. Ich würde aber nicht sagen, dass sie so überlegen waren, wie im 36. America’s Cup in Auckland. Ich würde schätzen, dass sie beim letzten Mal bestimmt einen Knoten schneller waren als ‚Luna Rossa‘. Und ‚Luna Rossa‘ war damals etwa einen Knoten schneller als Ineos. Die Neuseeländer hatten schon einen Riesenvorsprung.
Nein, eher nicht. Wir bekommen natürlich die Daten von allen Booten. Das ist alles öffentlich. Die haben wir natürlich analysiert. Die Kiwis sind schon schnell. Da gibt es keinen Zweifel. Aber ich wäre angesichts dessen, was wir bisher gesehen haben, sehr überrascht, wenn sie so überlegen wären wie beim letzten Mal. Ich glaube, dass es wie gegen ‚Luna Rossa‘ im Louis-Vuitton-Cup-Finale wieder sehr enge Rennen werden.
Ich glaube, wir waren insbesondere vor dem Wind einen Tick schneller als ‘Luna Rossa’.” Martin Fischer
Ich glaube nicht, dass sie Schwächen hatten. Ich glaube, dass wir insbesondere vor dem Wind einen Tick schneller waren. Das zahlt sich über so eine lange Serie dann eben aus. Eine Segelregatta ist nicht komplett deterministisch. Da ist ein großer probabilistischer, also die Wahrscheinlichkeit berücksichtigender Anteil im Ergebnis mit drin.
Um es zu veranschaulichen: Ein guter Formel-1-Fahrer, der kann eine Rundenzeit mit einer Variation von einer Zehntelsekunde reproduzieren. Wenn der bei gleichen Bedingungen dreimal die gleiche Runde fährt, dann variieren die Zeiten um eine Zehntelsekunde. Das ist eine enorme Leistung, die auch zeigt, wie gut diese Fahrer sind. Im Segeln ist das so nicht möglich. Im Segeln ist mehr Variation. Da kann man Rundenzeiten gar nicht vergleichen, weil der Wind jedes Mal anders ist. Aber: Wenn du zwei Boote gegeneinander segeln lässt, ohne dass die sich stören, ohne Abdeckung, und du schaust dir dann jedes Mal das Delta zwischen den beiden Booten an, dann sieht man da eine Variation, die erheblich ist. Ich will jetzt nicht genau sagen, wie viel das ist, aber die Variation ist – prozentual gesehen – erheblich größer als das, was man bei einem Formel-1-1Auto sehen würde. Und die zu sehende Variation ist größer als der theoretische Geschwindigkeitsunterschied zwischen zwei Booten. Nehmen wir an, man hätte zwei Boote, die für eine Regatta theoretisch fünf Sekunden auseinanderliegen. Dann ist der Zufallsanteil plus das Delta, mit dem man sowas reproduzieren kann, deutlich größer als fünf Sekunden.
Das heißt, die Rennen werden immer sehr eng sein. Wenn es so kommt, kann es immer hin- und hergehen. Über eine lange Serie gewinnt aber am Ende doch derjenige, der schneller ist, auch wenn das Delta klein ist. Es ist einfach so, dass sich bei einer langen Serie mit vielen Rennen der Zufallsanteil rausmittelt. So spielt am Ende doch der theoretische Geschwindigkeitsvorteil eine Rolle. Ich glaube, da hatten wir im Duell mit ‚Luna Rossa‘ ein bisschen die Nase vor. Nicht viel, aber einen Tick.
Auch dazu kann ich aktuell nicht so viel sagen. Wir wissen ungefähr, wie groß ihre Foils und ihr Ruder sind. Das kann man messen.
Ich denke, die Kiwis und wir liegen recht eng beieinander. Ich glaube, da ist weniger Unterschied als zwischen ‚Luna Rossa‘ und uns. Aber es ist schwer, das ganz genau zu sagen. Der Vergleiche werden anhand von Fotos vorgenommen. Da sind immer Unsicherheiten. Wir sprechen hier über Unterschiede, die im einstelligen Prozentbereich liegen. Das ist anhand von Fotos zwar auflösbar, aber mit Unsicherheiten behaftet. Man weiß eben nicht, wie viel genau. Aber das ist so die Größenordnung. Wenn da ein Unterschied ist, liegt er im kleinen einstelligen Bereich. Und ich könnte nicht mal sagen, wer größer und wer kleiner ist.
Wir haben sehr viele kleine aerodynamische Details am Rumpf.” Martin Fischer
Klar, unser Boot sieht anders aus. Unser Boot hat deutlich mehr Volumen als die anderen. Insbesondere ‚Patriot‘ von American Magic hatte es ja extrem weit getrieben. Die hatten einen extrem kleinen Rumpf, der meiner Meinung nach so gerade am erlaubten Limit lag. Team Neuseeland hat auch einen eher kleinen Rumpf. Ich denke, die sind auch ziemlich ans Limit gegangen.
Das will ich nicht im Detail erklären. Wir sind auch erst ans Minimum gegangen, haben dann aber einen anderen Weg gefunden. Bei der Entwicklung haben wir eine andere Lösung gefunden, die uns besser erschien. Den Weg sind wir dann gegangen. Wir denken nach wie vor, dass es der richtige Weg ist und dass wir auf der aerodynamischen Seite vielleicht einen kleinen Vorteil haben. Ich weiß nicht, ob man das von außen so sieht, aber wir haben sehr viele kleine aerodynamische Details am Rumpf, die – jeder für sich – nicht so wahnsinnig viel ausmachen, aber in der Summe dann doch wieder ein paar Sekunden bringen. Ich habe den Eindruck, dass wir das ein bisschen weiter getrieben haben als unsere Konkurrenten.
Ja, das war sehr interessant. Wir haben auch in diese Richtung untersucht. Die hatten beispielsweise die Cockpits vorne nebeneinander. Das haben wir auch getestet. Wir haben auch die Liegefahrräder getestet, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass das nicht der richtige Weg war. Allerdings haben sie dann diesen cleveren Weg gefunden, die Cockpits dichtzumachen, oder zumindest aerodynamisch abzudichten. Daran hatten wir nicht gedacht. Vielleicht kämen wir zu einem anderen Schluss, wenn wir das nochmal machen würden.
Nein. Das ist eben genau der Schwachpunkt. Der Grund der Liegefahrräder ist in erster Linie der, dass man den Rumpf flacher bauen kann und somit weniger aerodynamischen Widerstand hat. Der Nachteil ist, dass Liegefahrräder zwischen 12 und 15 Prozent weniger Leistung bringen. Da erzähle ich kein Geheimnis. Die Daten kennt man aus dem Radsport. Die betreiben ja wirklich großen Aufwand im Erforschen, was die beste Position für die Radfahrer ist. Liegefahrrad ist nicht die beste Position. Das hat für uns dann den Ausschlag gegeben, nicht in diese Richtung zu gehen, weil wir glauben, dass dieses Energiedefizit eine Rolle spielt. Das hat man auch in dem einen oder anderen Rennen gesehen.Manöver und insbesondere Halsen sind sehr kostspielig, was die Energie anbelangt. Wenn du da limitiert bist… Klar, wenn du ein schnelleres Boot hast, hast du da keine Probleme. Dann segelst du einfach schneller und gewinnst das Rennen. Aber wenn der Geschwindigkeitsunterschied nicht ausreicht, um bequem am anderen vorbeizusegeln, dann wird es kompliziert.
Fachlich würde mich eine weitere Cup-Aufgabe reizen. Es kommt auf die Bedingungen an.” Martin Fischer
Ich denke schon, dass es richtig wäre. Für Designer aber wird es dann etwas weniger interessant. Aber ich glaube, da ist schon noch was drin, auch wenn ich nicht für andere sprechen kann. Es ist im America’s Cup ja aber immer so: Am Ende läuft allen die Zeit davon. Ich denke, alle Teams haben noch Sachen in petto, die sie ausprobieren oder entwickeln wollten und die abgebrochen wurden, weil es zeitlich nicht reichte. Von daher wäre es schon interessant, eine dritte Runde damit zu machen. Und: Ich glaube auch, dass die Boote ziemlich gut für Matchracing geeignet sind. Das haben wir gesehen: Es sind sehr enge Rennen, wir erleben sehr taktisches Segeln. Ich denke, dass die gut geeignet sind.
Fachlich würde mich das schon noch reizen. Wir haben noch einige Sachen, die wir mit ablaufender Zeit nicht machen konnten. Es hängt sehr stark von den künftigen Bedingungen ab.
Rückblick auf den Tag, an dem “Britannia” den Louis Vuitton Cup gewann und das Ticket fürs 37. Match um den America’s Cup löste: