America’s CupBlockbuster in Blitz und Donner – Azzurri bezwingen Kiwis mit Risiko-Start

Tatjana Pokorny

 · 03.09.2024

Eine zweite Aufnahme des Schreckmoents für die Teams auf dem Louis-Vuitton-Cup-Rennkurs vor Barcelona
Foto: America's Cup TV
Der bislang spektakulärste Tag im Louis Vuitton Cup hat bei den Zuschauern mehrfach den Atem stocken lassen. Dem spannenden “Duell der Kellerkinder” zwischen Alinghi Red Bull Racing und Frankreichs “Orient Express” folgte ein Barcelona-Blockbuster zwischen den beiden Cup-Giganten aus Neuseeland und Italien. Dann schlug der Blitz ein…

Die America’s-Cup-Bühne vor Barcelona hat bei der Herausforderer-Runde zum 37. America's Cup ihren bislang aufregendsten Tag erlebt. Und das, obwohl nur das halbe Tagesprogramm absolviert werden konnte, bis Blitz und Donner die Wettfahrtleitung zum zügigen Abbruch und zur Verschiebung der weiteren Duelle auf den Folgetag bewog.

Duell gegen das Ausscheiden

Die Rückrunde der doppelten “Round-Robin”-Phase begann am 3. September mit dem Duell der beiden bislang schwächsten Herausforderer. Das Hinrunden-Match zwischen dem Schweizer Team Alinghi Red Bull Racing und dem Orient Express Racing Team hatten die Franzosen für sich entscheiden können. Zum Auftakt der Rückrunde waren es nun die bis dahin sieglosen Eidgenossen, die sich durchsetzen und ihren ersten Siegpunkt im Louis Vuitton Cup holen konnten.

Schon bei diesem Match zeigten beide Teams mit Bootsgeschwindigkeiten jenseits der 40 Knoten in der Startbox ihre Entschlossenheit. Und den unbedingten Willen, um jeden Preis auf den Foils zu bleiben. Zwar tauchte der Rumpf von Alinghi kurz vor dem Start doch einmal ein, doch die Schweizer bekamen ihr Boot in den drehenden und auch im Druck sehr wechselhaften Winden schnell wieder in den Griff. Während die Franzosen von der Luvseite einen “Dip-Start” wählten, waren die Schweizer längst wieder klar und gingen mit kleinem Vorteil auf den Kurs.

Wir müssen einfach diese Woche positiv bleiben. Alles ist möglich in dieser Woche.” Quentin Delapierre

Die Vorentscheidung in diesem Match fiel bereits auf dem ersten Kursabschnitt, als der “Orient Express” aus einer Wende mit Strömungsabriss zu hoch in die Luft schoss und in der Folge von den Foils fiel. Dabei und danach wirkte der “Orient Express”, als habe seine Crew mit Problemen zu kämpfen. Was Steuermann Quentin Delapierre später bestätigte: “Wir hatten ein technisches Problem. Das ist sehr unglücklich, aber Teil des Spiels, Teil vom America’s Cup. Unser Selbstvertrauen ist weiter hoch. Wir wissen, dass wir uns diese Woche wieder verbessern werden. Wir können alle Matches gewinnen.”

Alinghi Red Bull Racings an diesem Tag sehr konzentriert und zielorientiert gesegeltes “BoatOne” machte aus dem Anfangsvorteil zügig einen Vorsprung von mehr als einem Kilometer. Die Co-Piloten Arnaud Psarofaghis und Maxime Bachelin brachten ihren AC75-Foiler fehlerlos über den Kurs und ließen den früh geschlagenen Franzosen keine Chance, noch einmal heranzukommen. Co-Pilot Maxime Bachelin sagt: “Das war eine großartige Art, in diese Woche zu starten. Ich denke, wir haben es ziemlich gut gemacht. Wir mögen die drehenden Bedingungen und die stärkeren Winde. Wir waren ziemlich am Boden nach den Ergebnissen der letzten Woche. Aber das hier ist ein guter Neustart.”

Spannendes Szenario voraus

Nach dem Ausgleich im Duell der Schweizer und der Franzosen gegen das möglicherweise drohende Ausscheiden, könnte sich am Ende der Round-Robin-Rückrunde ein spannendes Szenario ergeben. Blieben beide – wie in der Hinrunde – ohne Sieg gegen einen der anderen Herausforderer, käme es bei jeweils nur einem Zähler auf dem Konto zum Stechen. Dann würde ein einziges Match zwischen den puntgleichen Mannschaften die Entscheidung bringen.

Dieselbe Regel würde auch greifen, wenn am Ende der Round-Robin-Runde zwei Teams punktgleich an der Spitze stehen. Weil dem Louis-Vuitton-Cup-Sieger unter den Herausforderern das Recht zufällt, sich seinen Halbfinalgegner zu wählen, würde auch hier ein Stechen stattfinden. Diese Entscheidungsduelle müssen bis zum 11. September um 19 Uhr entschieden sein.

Nur wenn das Segel-Stechen nicht ausgetragen werden kann, entscheidet bei unauflösbarem Gleichstand, wer die letzte Begegnung zwischen den betroffenen Teams gewinnen konnte. Das im Louis Vuitton Cup nach der doppelten Round-Robin-Runde auf Platz fünf liegende Team scheidet aus, die anderen vier Teams erreichen das Halbfinale.

Barcelona-Blockbuster zwischen Azzurri und Kiwis

Während sich viele Beobachter noch mit diesem Szenario beschäftigten, kündigte sich ein adrenalingeladener Barcelona-Blockbuster an. Erstmals hatte sich die Cup-Bühne an diesem Tag verdüstert. Die Segler trugen zu den Helmen auch große, meist aufhellende Brillen als Sichtschutz gegen den Regen. Dann begann nach Winddreher und Kursverschiebung mit leichter Verzögerung das Duell der Cup-Giganten aus Neuseeland und Italien.

Beide Boote – die neuseeländische ”Taihoro” und die italienische “Luna Rossa” – preschten mit sagenhaften 48 Knoten in die Startbox. Es entfaltete sich ein Kampf, der einen guten Vorgeschmack auf ein mögliches Duell im 37. Match um den America’s Cup ab 12. Oktober gab. TV-Kommentatoren und Zuschauer hielten dabei mehrfach den Atem an.

Kurz vor dem Start beschleunigte dann “Luna Rossa” extrem und fuhr in einem riskant-aggressiven Manöver zwischen Starttonne und Kiwis in Luv über “Taihoro” hinweg zur Linie. Nur knapp entgingen die äußerst angriffslustigen Italiener dank hoher Geschwindigkeit der Bedrohung, von den Kiwis vom Start “ausgesperrt” zu werden.

”Taihoro” auf dem falschen Fuß erwischt

Italiens Co-Piloten Francesco “Cecco” Bruni und Jimmy Spithill müssen sich für diese coole Show am Abend gegenseitig geherzt haben. Das Nachsehen hatten die sonst so souveränen Peter Burling und Nathan Outteridge auf “Taihoro”, die sofort wenden mussten, auf dem falschen Fuß ins Rennen starteten und in der Folge von den Foils fielen. “Den Fehler am Start habe ich gemacht”, sagte später Peter Burling.

Die erste Quittung für das verlorene Startduell gab es für das “Taihoro”-Team in Form von 17 Sekunden Rückstand auf den italienischen “Silberblitz” am ersten Luv-Tor. Erstmals ging es in diesem Spitzenduell in rund 15 Knoten Wind zur Sache, der aber nicht beständig blieb. Als die Kiwis auf dem fünften der sechs Kursabschnitte bereits einen Rückstand von einem Dreiviertel Kilometer angesammelt hatten, ertönte plötzlich von “Luna Rossa” eine Art Hilferuf in Richtung Wettfahrtleitung. Die Italiener hatten im Regen ihre Navigationsdaten verloren, konnten deswegen die Kursbegrenzung nicht mehr erkennen und waren für kurze Zeit im “Blindflug” unterwegs.

Noch bevor es dazu eine Antwort von der Wettfahrtleitung gab, waren die Daten aber wieder sichtbar. Kurze Zeit später wurde die Aufregung darüber von einem noch größeren Schreck verdrängt, der sich mit einem heftigen Regensturm und Donnergrollen über dem America’s-Cup-Kurs vor Barcelona angekündigt hatte. Auf dem Weg ins Ziel wurde der Triumphzug von “Luna Rossa” plötzlich auf gefährliche Weise erleuchtet. Unweit des italienischen Foilers schlug urgewaltig ein Blitz ins Wasser ein!

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Ich will es mal so sagen: Wenn du Blitze auf dem Rennkurs einschlagen siehst, ist das nicht lustig.” Peter Burling

Das Emirates Team New Zealand verließ den Kurs aus Sicherheitsgründen umgehend und wurde bei mehr als 100 Meter außerhalb der Kursbegrenzung disqualifiziert. Dann sprach die Rennleitung dem Luna Rossa Prada Pirelli Team den Sieg zu und beendete den Renntag.

War das ein Vorgeschmack auf das Cup-Match?

Der Sieg der Italiener an diesem ungestümen Renntag bleibt ohne Auswirkungen auf die Tabelle im Kampf der Herausforderer um die vier Halbfinalplätze im Louis Vuitton Cup. Doch haben die Azzurri mehr als angedeutet, was bei dieser 37. Cup-Auflage und bei ihrer siebten Jagd auf die “Auld Mug” vielleicht möglich wird.

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Das Fazit des Tages: Luna Rossa Prada Pirelli lässt Italiens America’s-Cup-Fans weiter im XL-Format träumen. Die neuseeländischen Cup-Verteidiger sind offensichtlich nicht unschlagbar. Nach dem Rennen sagte “Luna Rossas” Co-Pilot Francesco “Cecco” Bruni: «Endlich haben wir die Kiwis geschlagen! Wenn du an so einem schwierigen Tag gewinnst, bist du noch etwas stolzer.»

Diese Matches stehen am 4. September auf dem Programm:

  • Match 18: NYYC American Magic vs. Ineos Britannia
  • Match 19: Luna Rossa Prada Pirelli vs. Orient Express Racing Team
  • Match 20: Alinghi Red Bull Racing vs. NYYC Amerivan Magic
  • Match 21: Ineos Britannia vs. Emirates Team New Zealand

Hier geht es zu den Zwischenständen im Louis Vuitton Cup. Hinweis: Es gibt zwei Ergebniskästen. Einen MIT den neuseeländischen Herausforderern, einen OHNE sie. Der OHNE das Emirates Team New Zealand ist der relevante im Kampf der fünf Herausforderer um vier Halbfinalplätze.

Louis Vuitton Cup, Tag 5, Match 16 – Alinghi Red Bull Racing vs. Orient Express Racing Team:

Louis Vuitton Cup, Tag 5, Match 17 – Emirates Team New Zealand vs. Luna Rossa Prada Pirelli:

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