Das 37. Match um den America’s Cup beginnt am Samstag. Die große Eröffnungsfeier hatte am Vorabend Barcelona zum „Leuchtturm“ der Sportwelt gemacht. Die weltweit ausgestrahlte Show bot visuelle Effekte, eine spektakuläre Musik- und Drohnenshow, Laserlichtspiele, Avatare und Lichtmeere, die knapp 1000 Zuschauer rund um die Bühne im Race Village entlang von Port Vell und etwa 60.000 Menschen an den umliegenden Promenaden und Stränden auf eine emotionale Cup-Reise mitnahmen.
Am Morgen danach versammelten sich die Steuerleute beider Teams um den im eigenen Louis-Vuitton-Koffer thronenden America’s Cup. Zuvor war die bereits 1848 vom Juwelier Garrard & Co. gefertigte Trophäe von Ngāti Whātua Ōrākei in den Saal begleitet worden – gefolgt von einem mitreißenden Haka, mit dem die Neuseeländer ihre Bereitschaft für das Duell mit Ineos Britannia bekundeten.
Dann gehörte die Bühne der letzten Pressekonferenz vor dem mit Hochspannung erwarteten Match-Auftakt in Barcelonas World Trade Center am Freitag den vier Steuermännern der beiden Teams: Neuseelands „Taihoro“-Co-Piloten Peter Burling und Nathan Outteridge sowie „Britannias“ Ben Ainslie und Dylan Fletcher beantworteten die Fragen der internationalen Journalisten vor vollem Haus.
Nach zwei Cup-Siegen in Folge sagte der neuseeländische Verteidiger Peter Burling: „Ich mag den Druck, auf einer großen Bühne anzutreten. Der America’s Cup ist natürlich eine andere Sache. Du hast etwas mehr als 100 Leute in deinem Team auf derselben Reise. Dieses Team wächst gegen Ende sehr eng zusammen, fast wie eine Familie. Wir freuen uns sehr darauf, endlich mit den Rennen zu beginnen. Dafür sind wir hier.“
Louis-Vuitton-Cup-Sieger Ben Ainslie beschrieb die Stimmung in seinem Team als „stolzen Moment für uns als stolze Briten“. Ainslie sagte: „Wir haben in Großbritannien ein sehr stolzes sportliches und maritimes Erbe. Der America’s Cup war immer die Trophäe, die in unserem Trophäenschrank gefehlt hat. Das hier ist eine unglaubliche Möglichkeit für unser Team.“
Wir wissen: Das ist die ultimative Herausforderung.” Ben Ainslie
Gleichzeitig verwies der viermalige Olympiasieger Ben Ainslie auf „unglaubliche Verteidiger, die den dritten Sieg in Folge anstreben“. Ainslie sagte: “In gewisser Hinsicht haben wir deshalb nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. Dafür sind wir bereit und freuen uns drauf.“ Ainslie selbst hat den America’s Cup bereits 2013 mit dem Oracle Team USA gewonnen. „Aber nicht für Großbritannien“, wie er selbst noch einmal deutlich festhielt.
Dass „Taihoro“ bei den internationalen Wett-Anbietern vorne liegt, bestätigte Ben Ainslie indirekt: „Es wird ein harter Kampf gegen das Emirates Team New Zealand. Sie sind die ‚All Blacks‘ des Segelsports, aber wir sind bereit für diese Herausforderung. Während die Kiwis mehr Zeit zur Vorbereitung hatten, sind wir nach der Herausforderer-Serie definitiv kampferprobt. Wir sind die Underdogs und Neuseeland ist der Favorit, aber ich denke, dass sie definitiv zu schlagen sind.“
Zu detaillierten sportlichen Voreinschätzungen oder gar Prognosen halten sich beide Teams nach wie vor erwartungsgemäß bedeckt. Peter Burlings Co-Steuermann Nathan Outteridge, als 49er-Olympiasieger, Motten-Weltmeister, SailGP-Pilot und „Windflüsterer“ eine Instanz im internationalen Segelsport, sagte: „Es gab fantastische Kämpfe in den Vorstarts und auf dem Kurs. Wir haben im Louis Vuitton Cup ziemlich genau beobachtet, was Ben, Dylan und das Team so vorhaben. Wir haben versucht, ihre Bewegungen zu studieren und zu verstehen. Und ich bin ziemlich sicher, dass auch sie versucht haben zu erahnen, was wir machen, wenn der morgige Tag kommt.“
Weiter sagte Nathan Outteridge, dass er „unglaublich dicht beieinander liegende Leistungen der Boote“ erwartet und den Starts entsprechend „wirklich entscheidende Bedeutung“ zukommen werde. Outteridges Annahme: „Beide Teams werden intensive Anstrengungen in die Ausführung ihrer Starts stecken.“ Tatsächlich zählten die Starts zu den wenigen auszumachenden Schwächen der Kiwis in den Rennen, an denen sie in der Cup-Anfangsphase teilgenommen hatten.
Thema waren auch die zu erwartenden Windbedingungen auf Barcelonas America’s-Cup-Kurs. Die Prognosen wiesen 24 Stunden vor dem ersten Startschuss im 37. Match um den America’s Cup auf eher leichte Winde zum Auftakt des Duells zwischen Neuseeland und Großbritannien hin. Entsprechende Bedeutung wird einmal mehr der Wahl der Segel beider Teams zukommen. Nathan Outteridge sagte: „Wie sicher inzwischen jeder gelernt hat, gibt es ziemlich viele Konfigurationsmöglichkeiten für die Segel: große Vorsegel, kleine Vorsegel, mittlere Vorsegel. Dazu auch Veränderungsmöglichkeiten bei den Großsegeln.“
Für den Oktober habe man bislang gelernt, dass die Winde sehr variabel sein können, so Outteridge. „Wir hatten einige windige Tage diese Woche, heute ein bisschen leichte Winde. Und auch die Vorhersage für die nächsten paar Tage ist ein bisschen leicht. Outteridge erklärte: „Diese finalen 10, 15 Minuten vor einem Start ist die Zeit, in der das Wetterteam sehr hart an der Vorhersage arbeitet, wie es während des etwa 20-minütigen Rennens sein wird. Sie arbeiten daran sicherzustellen, dass wir die richtigen Segel haben und das Ding nageln.“
Er könne, so Outteridge, darüber jetzt gerade recht entspannt sprechen. Er lächelte und fuhr fort: „Aber wartet bis kurz vor dem Start, wenn es darum geht, die Zahlen zu knacken, und wir versuchen, die richtigen Segelentscheidungen zu treffen.“ Ob die falsche Auswahl ein Rennen entscheiden kann? „Wenn man zu kleine Segel wählt und der Wind stirbt, kann das sicher ein Rennen definieren. Das haben wir hier schon gesehen.“
Der 38-jährige Nathan Outteridge sieht einen anderen Faktor noch schwergewichtiger: „Ultimativ werden es aber die Starts sein, die ein Rennen mehr definieren. Wenn man das nicht perfekt hinbekommt, die Kontrolle des Rennens zu haben… Das ist definitiv wichtiger.“ Ob die fürs erste Match-Wochenende vorhergesagten leichten Winde eher „Taihoro“ oder „Britannia“ ins Blatt spielen werden, verrieten die Segler erwartungsgemäß nicht.
„Das ist das Faszinierende am America’s Cup, oder nicht? Du wirst es nie wirklich genau wissen, bevor du da zum ersten Start rausgehst“, sagte ein gut aufgelegter und entspannt wirkender Peter Burling.
Der mit 33 Jahren Jüngste im Piloten-Quartett bei diesem Duell um die “Auld Mug” bekräftigte: „Wir sind wirklich glücklich mit dem Paket, das wir geschnürt haben. Ich bin mir sicher, die Briten sind mit ihrem Paket auch wirklich happy. Es sind offensichtlich zwei unterschiedlich aussehende Boote, die aber wahrscheinlich mit ziemlich ähnlichem Speed unterwegs sein werden.“
Ich denke, wir hätten uns kein besseres Finale zur Vorbereitung wünschen können.“ Dylan Fletcher
Ob die Briten einen Vorteil dadurch haben werden, dass sie sich durch den Louis Vuitton Cup kämpfen mussten, während die Kiwis auf demselben Kurs trainierten, ihre Gegner studierten und ihr Boot in Ruhe optimierten? Dylan Fletcher sagte: „Die Serie, die wir bislang hatten, war fantastisch. Insbesondere das Finale mit ‚Luna Rossa‘ war ein bisschen ermüdend, aber genau das, was wir brauchten, um uns für die Kiwis zu wappnen.”
Peter Burling sieht die lange Rennpause für sein Team seit dem Ende der Round-Robin-Serie am 9. September realistisch: „Das war ja immer so vorgesehen. Wir haben damit seit der Bekanntgabe etwa dreieinhalb Jahre geplant. Natürlich hat unser Programm die Entwicklung des Bootes beinhaltet. Der Nutzen für uns war, dass wir in der ganzen Zeit nicht durch Vermessungsprozesse gehen mussten. Der Nachteil ist, dass wir keine Rennen bestritten haben. Wir haben versucht, immer das Gaspedal durchzudrücken und hausintern sicherzustellen, dass die Race-Fähigkeiten geschärft sind.“
Auf Nachfrage, wie viel schneller „Taihoro“ mit neuen Segeln, neuen Foils und neuen Anhängen ins Renngeschehen zurückkehren wird, lachte Peter Burling. Dann sagte er: „Sicher schneller. Ich bin aber sicher, dass es bei Ben und Ineos Britannia im Vergleich zu unserer letzten Begegnung ebenso sein wird. Auch sie werden definitiv schneller sein.“
Burling wies noch einmal darauf hin, dass der America’s Cup eines der wenigen Sportvents sei, bei denen man das letzte Rennen gewinnen müsse. In Anspielung auf die 8:1-Führung im America’s Cup 2013, dessen Duell gegen das Oracle Team USA nach historischem Comeback der Amerikaner noch mit 8:9 verloren ging, sagte Peter Burling: „Du musst das letzte Rennen gewinnen. Das weiß unser Team nur zu gut. Wir freuen uns also darauf, unser Boot bis zum Ende immer weiterzuentwickeln.“
Ich bewundere die Designer dieser Boote.” Ben Ainslie
Diese Entwicklung, so auch Ben Ainslie, sei „niemals beendet“. „Beide Teams“, so Ainslie, „werden am Ende schneller sein als zu Beginn.“ Auch räumte der erfahrenste Steuermann an: „Mutter Natur wird einen Einfluss auf das Ergebnis haben. Da bin ich sicher. Aber die Teams kennen die Windbandbreite nun seit drei Jahren. Und die Designer. Ich muss sagen, dass ich immer wieder die Designer dieser Boote bewundere. Im Louis-Vuitton-Cup-Finale hatten wir es direkt mit dem Windlimit (Red.: 21 Knoten vor dem Start) zu tun. Und die Boote gingen an ihre Limits.“
Man habe es Grenzbedingungen und Auswirkungen wie Foil-Kavitation zu tun bekommen, aber „in den meisten Fällen haben die Boote gehalten“, so Ainslie. Man könne den Designern nicht genügend Anerkennung entgegenbringen. Ainslie ist sicher: „Es wird schon mit Blick aufs Wetter ein faszinierendes Finale. Und welche Rolle es spielen wird.“
Auf die YACHT-Frage ob nun Neuseeland mit den beiden Skiff- und Foiling-„Supermännern” Peter Burling ( Olympiasieger und 6 x Weltmeister im 49er) und Nathan Outteridge (Olympiasieger und 4 x Weltmeister im 49er, Motten-Weltmeister) oder Großbritannien mit dem Mix aus dem Laser- und Finn-Olympiasieger, Matchrace-Duell-Ass und America’s-Cup-Jäger Ben Ainslie und seinem Co-Piloten Dylan Fletcher (49er-Olympiasieger, Motten-Weltmeister) das schlagkräftigere Duo haben, lachte Peter Burling.
Dann sagte der Mann mit dem Spitznamen “Pistol Pete”: „Ich denke, das müssen wir rausfinden. Gebt uns eine Woche, und wir werden eine ziemlich gute Antwort haben.“
Angesprochen auf den Skipper, die sie in der Geschichte des America’s Cup am meisten bewundern, sagte zunächst Ben Ainslie: „Ich muss sagen, dass es John Bertrand ist. Er war auch ein Mentor meiner frühen Jahre. Was für eine erstaunliche Leistung es von seinem Team war, die Amerikaner zu schlagen.“ Ainslie bezieht sich auf das Cup-Jahr 1983, in dem Betrands australisches Team die 132 Jahre währende Siegserie von US-Teams im America’s Cup stoppte und die Kanne nach Down Under holte.
Peter Burling sagte: „Ich gehe mit dem ersten Mal, dass wir den Cup 1995 mit Russell Coutts und Sir Peter Blake gewonnen haben. Das hat wirklich das Team definiert, für das ich stehe.“ Neuseelands Segler gewannen 1995 erstmals den America’s Cup, ließen dann 2000, 2017 und 2021 drei weitere Siege folgen.
Ob es dabei bleibt? Ben Ainslie sagte: „Sicher hatte Team New Zealand drei Wochen, um sich die Konfiguration ihres Bootes genau anzusehen. Und die Daten der teilnehmenden Boote zu bekommen. Wenn es hier ein Team gibt, dass wirklich die Aufstellung der Konkurrenz kennt, dann ist es Team New Zealand. Nicht wir. Dagegen treten wir an. Aber wir sind durch dieses unglaubliche Finale durchgekommen. Und nun haben wir noch ein Finale. Das ist das Spiel.“
Wie die Briten die favorisierten Neuseeländer schlagen könnten? Dylan Fletcher brachte es auf einen kurzen, wenn auch nicht leicht zu erreichenden Nenner: „Ich denke, wir müssen das schnellere Boot haben und besser starten.“ Zuerst in die Startbox eintauchen darf im ersten Rennen am Samstag aber das Emirates Team New Zealand. “Port Entry” hatte der Münzwurf von America’s-Cup-Moderator Jesse Tuke am Freitagvormittag für “Taihoro” ergeben.
Der Louis Vuitton 37. America’s Cup Barcelona – so der offizielle Titel – beginnt am 12. Oktober. Hier geht es zum Live-Link für die Übertragung. Die Sendung beginnt um 14 Uhr.
“Hearts Broken. Heroes Made. History Written” – hier der Rückblick auf das Finale im Louis Vuitton, in dem Ineos Britannia das italienische Luna Rossa Prada Pirelli Team schlagen und das Ticket zum Match um den America’s Cup lösen konnte:
Könnte das Momentum auf Seiten der Briten sein, die sich selbst vorsichtshalber als Außenseiter bezeichnen? In der teameigenen “Inside Track Show” geben Ben Ainslie und seine Teamkollegen im Gespräch Einblicke:
Nie gewonnen, weil nie verdient? Youtuber “Mozzy Sails” unterhält Cup-Fans regelmäßig mit Tech-Analysen und seinen ganz eigenen Einblicken in die America’s-Cup-Welt. Dieses Mal geht es um die Cup-Geschichte und ein voraussichtlich sehr spannendes Duell auf dem Wasser: