Tatjana Pokorny
· 08.06.2017
"Bring the Cup home!", war das erklärte Ziel der Briten und ihres Skippers Sir Ben Ainslie. Doch daraus wird nun nichts mehr. Die Kiwis flogen einfach schneller
Die britische Tageszeitung "The Telegraph" betrauerte das Ausscheiden ihres America's-Cup-Teams Land Rover BAR mit der Schlagzeile "Sir Ben Ainslies amerikanischer Traum ist aus", während der "New Zealand Herald" sein siegreiches Emirates Team New Zealand mit "Smoked on the water – TNZ im Finale!" feierte. So unterschiedlich wie die Leistungen dieser beiden Halbfinalisten in den Challenger Playoffs fielen auch die Bewertungen aus. Zwar konnten die Engländer an ihrem letzten Segeltag im 35. America's Cup mit beeindruckender Leistung und vorbildlicher Matchrace-Kunst noch einen Kampfsieg für sich verbuchen, doch am Ende waren sie gegen das überragende neuseeländische Team mit seinem 26-jährigen Steuermann Peter Burling machtlos. Aus ist der Traum vom schönen englischen Märchen, in dem der Ritter seiner Königin den Schatz zurückbringt. Die Kiwis flogen einfach schneller. Und Ainslie zeigte sich als fairer Verlierer: "Wir gratulieren ihnen und wünschen ihnen Glück. Sie haben aggressive Design-Entscheidungen getroffen: Die Radfahrer, die Foils und auch das Setup des Bootes. Wir ziehen den Hut vor der Kiwi-Ingenieurskunst."
Die letzte Pressekonferenz mit Sir Ben Ainslie, der seine erste eigene Cup-Kampagne noch einmal Revier passieren lässt. Dazu die drei Steuermänner, die noch im Spiel sind
Mit 2:5 scheidet das Team von Sir Ben Ainslie im Halbfinale der Herausfordererrunde aus. Es ist ein trauriger Tag für die Briten, die ursprünglich als Mitfavoriten gehandelt worden waren. Sir Ben Ainslie trug die Niederlage mit Fassung. Nur hin und wieder schweiften die braunen Augen leer in die Ferne. Wieder und wieder lobte er sein Team, das als Newcomer die steilste Lernkurve absolviert habe. Das Aus am Donnerstag kam nicht als Schock – es hat sich lange angekündigt. Schon in den Trainingsbegegnungen wirkten die Briten teilweise langsam. Da bekamen die ersten Experten Zweifel, die das Team jedoch zu zerstreuen suchte. Ainslie hatte gekontert und gesagt: "Wir sind die Mannschaft, die am meisten nachlegen kann." Das mag sogar stimmen, doch der Rückstand war von Beginn an zu groß, und die Neuseeländer haben sich die Briten nicht ohne Grund zum Gegner gewählt. Sie wollten sicher nicht warten, bis Sir Ainslie und seine Männer womöglich doch noch gefährlich werden. Die Neuseeländer hatten sich den erfolgreichsten Olympiasegler der Sportgeschichte und sein 100-köpfiges Team mit Traum-Budget zum Halbfinalgegner erkoren, als sie noch nicht ebenbürtig waren. Einen Spiegel dieser Situation bot das zweite Rennen am Donnerstag, in dem die Neuseeländer mit technischen Problemen erst knapp 30 Sekunden nach den Briten die Startlinie kreuzten, sie am Ende aber doch mit 31 Sekunden Vorsprung im Ziel abhängten. Es war eine Demütigung der aufopferungsvoll, aber mit stumpfen Schwertern kämpfenden Engländer.
Weder die spektakuläre Kenterung am Dienstabend noch das in Folge eines technischen Versagens des Backbord-Foils im zweiten Duell gegen die Briten am Donnerstag konnten die Dominanz der Neuseeländer erschüttern. "Wir sind Kiwis, wir halten bei Rückschlägen nur noch fester zusammen", sagte Burling. Die Mannschaft von Teamchef Grant Dalton hat bislang eine Machtdemonstration erster Güte abgeliefert und sogar Ainslie dazu verleitet zu sagen: "Ich glaube, sie haben eine gute Chance, den America's Cup zu gewinnen."
"Das ist das Ziel", sagte der junge neuseeländische 49er-Olympiasieger Burling, der am Abend nach den Rennen neben dem üblichen Dank an sein Team immer wieder betonte, dass der vorzeitige Sieg über das Team Land Rover BAR seiner Mannschaft einen sehr willkommenen Ruhetag beschert habe und man sich am Freitag vor allem "die Schlacht zwischen Artemis Racing und dem SoftBank Team Japan" ansehen wolle. Der Sieger dieser zweiten Halbfinal-Begegnung wird der Gegner des Emirates Team New Zealand im Finale der Challenger Playoffs sein. Das gründliche Studium der beiden Teams ist schon deshalb Pflicht für die hoch und schnell fliegenden Kiwis.
Dass die Begegnung zwischen den Skandinaviern und den "Barker Boys" unter der Flagge Japans am Freitag ab 19 Uhr deutscher Zeit in die Verlängerung geht, haben die Schweden am Donnerstag mit drei Siegen in Folge erzwungen. Sie waren beim Stand von 1:3 in den dritten Renntag des Halbfinals gestartet, konnten dann aber ihre bekannten Stärken bei mittleren Winden wie ein gutes Pokerblatt selbstbewusst und erfolgreich ausspielen. Die Duelle verliefen spannend, weil die Schweden und die Japaner weitgehend auf Augenhöhe agierten. Das erste Duell verloren die Japaner durch einen ganz knappen Frühstart, der im Ziel zu 39 Sekunden Rückstand geführt hatte. "Ein Fehler hat hier das Rennen entschieden", sagte Jochen Schümann, der als Co-Kommentator bei Sky Sport an seinem 63. Geburtstag das volle Rennprogramm kommentierte. In Runde zwei gelang Artemis Racing mit Steuermann Nathan Outteridge und Taktiker Iain Percy sogar ein Start-Ziel-Sieg.
Im dritten Rennen lief es anders: Zunächst sah es nach einem unglücklichen Start für die Japaner aus, doch Barker befreite sich in den letzten Sekunden aus seiner schwachen Position hinter den Schweden, schoss fast zeitgleich mit ihnen über die Startlinie und hielt deren rasantes Tempo. Mit exzellenter Matchrace-Taktik eroberte das SoftBank Team Japan nach dem Auftaktsprint die Führung an der ersten Marke. Die Entscheidung im Kopf-an-Kopf-Rennen fiel durch einen Penalty gegen die Japaner, die den Schweden entsprechend der Schiedsrichter-Entscheidung nicht genügend Raum beim Runden einer Marke gelassen haben. Artemis-Steuermann Nathan Outteridge räumte später freimütig ein, dass sein Team es auf diese Situation angelegt und dafür auch immer wieder intensiv trainiert habe. Man habe viele ähnliche Situationen auf Videomaterial studiert." Trotzdem war der Schachzug mutig, denn in der Vorrunde hatten die Schweden einen Penalty im Duell mit den Neuseeländern erhalten, den die Schiedsrichter im Nachhinein als Fehler einräumten.
Der Showdown zwischen Artemis und dem SoftBank Team Japan verspricht beim Stand von 4:3 für die Skandinavier Hochspannung für Freitag. Doch unabhängig davon, welche der beiden Mannschaften sich durchsetzen kann, bleibt das Emirates Team New Zealand Top-Favorit für das Finale der Herausforderer ab 10. Juni (Samstag). Und die Briten bleiben dem Cup in jedem Fall erhalten. Sir Ben Ainslie konnte am Abend seiner Niederlage nicht ohne Stolz verkünden, dass wichtige Partner wie Land Rover BAR und 11th Hour Racing sowie weitere Förderer am Tag des Ausscheidens für die Folgekampagne unterschrieben haben. "Wir kommen wieder und werden dann viel stärker sein", versprach der 40-jährige Cup-Jäger, der sein Ziel dieses Mal nicht erreichen konnte, es aber – sonst wäre er nicht Sir Ben Ainslie – sofort erneut ins Visier genommen hat.
Kurz vor dem Ausscheiden der Briten hat Elaine Bunting für "Yachting World" ein Interview mit Andy Claughton von Land Rover BAR über die Bilanz des bisherigen Cup-Verlaufs geführt. Verblüffend offen und durchaus kritisch äußert sich der Chief Technology Officer der Engländer über das Cup-Format und blickt auch noch einmal zurück auf den "Demolition Day" mit der Kenterung der Kiwis.
Offen und ehrlich, kritisch und nachdenklich: Andy Claughton, kluger Kopf im Design-Team von Land Rover BAR, zieht eine Zwischenbilanz der bisherigen Cup-Auflage.