Carsten Kemmling
· 15.08.2002
Schiedskommission bestraft US-Syndikat für den Besitz geheimer Design-Pläne von Team New Zealand
Der Vorgang ist für einen normalen, sportinteressierten Menschen schwer begreifbar. Das America's-Cup-Schiedsgericht hat dem US-Syndikat One World bereits vor dem Start des Louis Vuitton Cup am 1. Oktober einen Punkt abgezogen.
Dabei hatte es noch gar keinen. Das ist so, als schickte man Borussia Dortmund mit einem 0:1-Rückstand in das Bundesliga- Eröffnungsspiel.
Grund für die ungewöhnliche Strafe ist der seit fast einem Jahr schwelende Konflikt um den Transfer von gegnerischen Design-Informationen. So hat das mitfavorisierte Seattle-Syndikat, für das viele neuseeländische Cup-Gewinner von 2000 arbeiten, zugegeben, Konstruktions-Pläne vom Team New Zealand in Händen zu halten sowie von zwei weiteren gegnerischen Teams.
Die Informationen seien unbeabsichtigt zu One World gelangt, nicht sehr brauchbar und zudem nicht benutzt worden, verteidigten sich die Amerikaner, nachdem der Fall durch die Aussagen des ehemaligen One-World- und Team-New-Zealand-Mitarbeiters Sean Reeves an die Öffentlichkeit gelangt war. Reeves plaudert zurzeit vor einem Zivilgericht in Seattle aus dem Nähkästchen. Er wird von One World beschuldigt, verschiedenen Teams geheime Konstruktionsdaten angeboten zu haben.
One-World-Sprecher Gary Wright dankte dem Schiedsgericht für die "sorgfältig Untersuchung" und akzeptierte die Strafe. Denn es hätte noch schlimmer kommen können. Ein Ausschluss von den Regatten lag durchaus im Bereich des Möglichen. Aber die fünf pensionierten Richter (zwei Neuseeländer, zwei Europäer, ein Australier) werteten positiv, dass One World den Fall freiwillig vor das Schiedsgericht gebracht hatte. Der Punktabzug ist dennoch nicht unbedingt als leichte Strafe zu werten. Er bezieht sich auf die ersten beiden Runden, in denen die neun Herausforderer zweimal jeder gegen jeden antreten. (Format unter: http://www.lvcup.com/sitedata/insert_corrige.pdf)
Jeder Sieg wird mit einem Punkt belohnt. Ein Abzug ist also gleichbedeutend mit einer Niederlage. Dadurch wird Mitfavorit One World zwar vermutlich nicht aus dem Rennen sein - nur ein Boot scheidet nach den ersten beiden Runden aus - aber der strategisch wichtige Platz unter den Top vier für das Viertelfinale ist gefährdet. Dennoch ist das Team von Milliardär Craig McCaw sichtlich erleichtert, das dieses Thema erledigt ist. Von den Anwaltskosten hätte man sich ein neues Rigg bestellen können.
Die Entscheidung des Schiedsgerichtes ließ so lange auf sich warten, weil es nicht urteilen wollte, bevor alle Syndikate zugestimmt hatten, keine rechtlichen Schritte gegen ihre Entscheidungen einzuleiten. Vor wenigen Tagen wurde eine entsprechende Erklärung ratifiziert.