Tatjana Pokorny
· 01.12.2014
Ein Bilderbuchrevier ist der Austragungsort für den 35. America's Cup. Das britische Überseegebiet wirbt mit Herz für die neue Cup-Heimat
Die Pressekonferenz in New York verlief zäh und kam wie ein Luftballon daher, aus dem die meiste Luft schon entwichen ist. Bermuda ist der Austragungsort für den 35. America's Cup. Das ist nun endlich offiziell bestätigt, nachdem es die Segelwelt doch schon seit Monaten ahnt und seit Wochen weiß. Entsprechend fehlte es dem Treffen im Big Apple an Esprit und Emotion. Einzig Bermudas erfrischender Ministerpräsident Michael Dunkley, der gut aufgelegte Supersegler Sir Ben Ainslie und phasenweise auch Cup-Verteidiger Jimmy Spithill vermochten die Stimmung ein wenig aufzulockern.
Das eher als leichtwindiges, aber sehr beliebtes Bilderbuchsegelrevier bekannte britische Überseegebiet Bermuda hat sich gegen die amerikanische Hafenstadt San Diego, die schon mehrfach Cup-Gastgeberin war, durchgesetzt. Ein Schelm, wer dabei an Steuervorteile denkt. Tatsächlich haben neben den Vorzügen der zuschauerfreundlichen Segelarena offenbar auch die günstige Zeitzone Bermudas und mit ihr die guten Fernseh-Übertragungsmöglichkeiten in fast alle Welt den Ausschlag gegeben.
Bermudas Premier Dunkley brachte in New York zum Ausdruck, warum der Cup trotz Bedenken mit Blick auf das Interesse großer Sponsoren zum Cup der Herzen werden könnte: "Erst vier Nationen haben die älteste Trophäe des internationalen Segelsports gewonnen. Nur acht Gastgeber durften die Regatta bislang ausrichten. Bermuda ist sehr stolz darauf, die neue Heimat des America's Cup zu sein." Ähnlich wie Fremantle 1987 gilt Bermuda im Vorwege bei den Vermarktern nicht als das stärkste Zugpferd für Verhandlungen mit potentiellen Teampartnern. Dass sich die Regatta 1987 vor der westaustralischen Küste dann aber doch zu einer der gefeiertsten in der Cup-Geschichte entwickelte, hatte im Vorwege kaum jemand für möglich gehalten. Schon gar nicht die Deutschen, deren damals gerade aufkeimende Aufbruchstimmung bei Bekanntgabe des Austragungsortes Fremantle ein jähes Ende nahm. Ein Fehler, wie viele später erkannten. Vielleicht kann sich die Historie wiederholen und klein ist erneut fein?
Die Amerikaner trauen sich was: Erst zum zweiten Mal nach den Cup-Verteidigungen des Schweizer Teams Alinghi in den Jahren 2007 und 2010 in spanischen Gewässern vor Valencia wird der America's Cup nicht im Heimatrevier der Verteidiger ausgetragen. Fünf Herausforderer aus Großbritannien (Ben Ainslie Racing), Frankreich (Team France), Schweden (Artemis Racing), Italien (Luna Rossa) und Neuseeland (Team New Zealand) wollen dem US-Team um Skipper Jimmy Spithill im Juni 2017 den Cup in einem britischen Revier abjagen.
Verständlich, dass sich unter diesen Herausforderern einer merklich mehr freute als alle anderen: Sir Ben Ainslie, mit vier Goldmedaillen und einer silbernen der erfolgreichste Olympiasegler der Sportgeschichte, will die verschnörkelte Silberkanne zurück in ihr Mutterland England holen. Da kommt das anglophile Bermuda gerade recht. Bester Laune scherzte der Mann, der den US-Verteidigern im 34. America's Cup noch als Taktiker zum Sieg mitverhalf und sie beim nächsten Mal schlagen will: "Wir wollen den Cup zurückholen. Der halbe Weg ist ja nun schon geschafft." Sollte heißen: In britischen Gewässern ist die Kanne schon einmal angekommen. Während Ainslie das Revier vor Bermuda gut kennt, hat beispielsweise Franck Cammas, Antreiber und Boss im Team France, es noch nie live gesehen – so unterschiedlich sind die Karten bei den Teams verteilt.
Eine weitere Neuigkeit hatten die Verteidiger in New York noch zu bieten: Der Red Bull Youth America's Cup wird erneut ausgetragen. Zum zweiten Mal sollen junge Segler aus aller Welt die Chance erhalten, sich auf den kleinen Cup-Katamaranen zu beweisen und in Szene zu setzen. Wohin diese einmalige Chance führen könne, so Jimmy Spithill, habe sich ja inzwischen erwiesen: Der Sieger des ersten Red Bull Youth America's Cup könne seinen Titel nicht verteidigen, weil er inzwischen von Team New Zealand verpflichtet worden sei. Peter Burling ist der Aufstieg ins Cup-Oberhaus tatsächlich gelungen. Und Jimmy Spithill nutzte die hübsche kleine Geschichte zum Seitenhieb auf Gegner Team New Zealand, als er sagte: "Peter Burling ist der potenzielle führende Kopf im Team New Zealand." Team New Zealands Repräsentant Kevin Shoebridge schmetterte die Provokation sachlich ab: "Wir sind froh, dass wir Peter als großartiges neues Talent im Team haben. Das ergibt in Kombination mit der Erfahrung von Dean Barker und Glenn Ashby eine gute Mischung." Seine Botschaft in Richtung Amerikaner: Die alte Führungsriege ist noch da.
Für die erfolgshungrigen jungen deutschen Segler um Philipp Buhl und Erik Heil, die 2013 für ihr Traumprojekt kämpften und die Mittel dafür zum Teil selbst einwarben, funktionierte der Youth Cup als Sprungbrett bislang noch nicht. Wie auch, wenn es im eigenen Land keine Cup-Kampagen gibt? Philipp Buhl sagte YACHT online auf die Frage, ob er und sein Team sich einen zweiten Anlauf vorstellen könnten: "Ich bin mir leider zu 99 Prozent sicher, dass wir beim nächsten Mal zu alt sein werden, denn beim letzten Mal galten 25 Jahre als Altersgrenze..."
Fragen nach der Vergabe der Fernsehrechte und weiteren Cup-Sponsoren blieben zunächst offen. Informationen dazu kündigte Harvey Schiller für die kommenden Wochen und Monate an. Der kaufmännische Leiter im Team der US-Verteidiger wirkte bei der überfälligen Vorstellung des künftigen Cup-Reviers phasenweise seltsam unbeteiligt und lustlos, bei einigen Themen fehlte ihm gar der Überblick. So konnte Schiller beispielsweise nicht die Etwa-Anzahl der Mitglieder aller sechs Teams samt Anhang schätzen, die zum Cup auf Bermuda erwartet werden dürfen. Michael Dunkley dagegen wurde nicht müde, die segelsportliche Historie und die Leidenschaft seiner Landsleute zu beschwören: "Wir haben eine reiche maritime Geschichte, und unsere neue Generation ist bereit, das nächste Kapitel zu eröffnen. Unsere Vision ist es, ein wahrhaftiges und unvergessliches Ereignis zu präsentieren."