Tatjana Pokorny
· 02.06.2017
Die Franzosen müssen sich vom Cup verabschieden. Die Kiwis schulden Artemis Dank, weil die Schweden den Titelverteidiger – vorerst – vom Thron geschubst haben
"Wir bedauern nichts. Wir haben zwei schöne Siege gegen großartige Mannschaften namens Artemis Racing und Land Rover BAR errungen. Wir zählen auch für unser letztes Match morgen auf die Unterstützung unserer Fans!" Das französische Groupama Team France hat sich am Freitagabend mit Stil und Größe vom 35. America's Cup verabschiedet. Den zwei bislang erkämpften Siegen konnten Steuermann Franck Cammas und seine Männer im mit 4:06 Minuten Rückstand klar verlorenen Duell gegen das erneut überragend und traumwandlerisch sicher agierende Emirates Team New Zealand keinen weiteren hinzufügen – das Aus für die Les Bleus des Segelsports. Franck Cammas wirkte bei der Pressekonferenz zwar etwas zerzauster als sonst, hatte aber kaum etwas von seinem verschmitzten Charme eingebüßt. Das Aus hatte weder ihn noch sein Team überrascht. Cammas sagte: "Wir haben als Mannschaft gute Fortschritte gemacht, und wir sind stolz darauf. Vor zwei Jahren waren wir nichts. Jetzt konnten wir im Cup mit den Besten segeln. Wir haben mit wenig Geld und wenig Zeit viel erreicht."
Einen Tag vor Ende der Qualifikation zum 35. America's Cup steht fest: Das Groupama Team France muss als erste Mannschaft die Segel streichen. Aber wer sichert sich den möglichen Bonuspunkt für das Duell um die Kanne? Was die Steuerleute dazu sagen
Mit dem Ausscheiden der Franzosen hatte das SoftBank Team Japan den vierten Platz in den Halbfinals der Challenger Playoffs sicher, die schon am Sonntag ohne Pause direkt nach dem letzten Renntag der Qualifikation (Samstag) beginnen. Das japanische Team hatte den sechsten Renntag mit seinem Duell gegen das Emirates Team New Zealand eröffnet. Bei Winden um 13, 14 Knoten war das Geschehen sehr viel ansehnlicher als einiges "Treibgut" beim Wettkriechen in der Flaute am Vortag. Doch die Dominanz der Kiwis ließ im Match gegen ihren ehemaligen Skipper und SoftBank-Steuermann Dean Barker keine Spannung aufkommen. Als die Japaner schließlich auf dem dritten Abschnitt mit beiden Rümpfen tief in den Great Sound eintauchten, war es um ihre Chancen in dieser Begegnung zwischen Neuseeländern und Neuseeländern mit japanisch-britischer Verstärkung geschehen. Im Ziel waren daraus 51 Sekunden Rückstand auf die Kiwis geworden.
Match des Tages war das Duell zwischen Artemis und den amerikanischen Titelverteidigern. Die Schweden hatten sich ganz offensichtlich von den letzten drei bitteren Niederlagen in Folge erholt. Schon in der Vorstartphase wirkten sie aggressiver, anspruchsvoller und zwingender als zuletzt. Sie bremsten Oracle in der Vorstartphase nach allen Regeln der Segelkunst elegant aus und führten schon an der ersten Wendemarke deutlich. Dass die Amerikaner in der Vorbereitung auf dieses Duell den Bruch ihres Backbord-Ruders zu beklagen hatten und einen Last-Minute-Pitstop zu Reparaturzwecken einlegen mussten, mag sie zusätzlich zu Artemis' Leistung ein wenig aus dem Konzept gebracht haben. Wie schon im Hinrunden-Duell zwischen den Schweden und den Amerikanern gewann Artemis Racing mit Steuermann Nathan Outteridge und Taktiker Iain Percy auch diese Begegnung mit den Titelverteidigern. Dabei konnte man sowohl beim skandinavischen als auch beim amerikanischen Team gut beobachten, dass die Steuerleute ihre Katamaran-Geschosse in den Wenden inzwischen ähnlich ruppig (und erfolgreich) herumreißen wie Neuseelands Peter Burling. Fast möchte man das "Western-Stil" nennen, weil das Herumreißen an Cowboys erinnert, die ihre Pferd im wilden Galopp per heftigem Zug am Zügel in eine neue Richtung lenken.
Am meisten freuten sich über Artemis' Sieg von der Außenlinie die Neuseeländer, wie deren Steuermann Peter Burling später andeutete. "Wir haben das Match begeistert verfolgt", erzählte der sonst nicht zu emotionalen Statements neigende 49-Olympiasieger. Das kann man gut nachvollziehen, denn Artemis' Sieg über Larry Ellisons Oracle Team USA sorgte für einen Führungswechsel im Klassement der Qualifikation. Nicht mehr Jimmy Spithill und seine Oracle-Crew sind vor dem letzten Qualifikationstag Spitzenreiter, sondern die Neuseeländer. Mit weiteren Folgen, denn die beiden bislang besten Cup-Teams – kein Drehbuch hätte es besser erfinden können – treffen am Samstag wie in einem Endspiel aufeinander und ringen um den Qualifikationssieg, der mit einem wertvollen Bonuspunkt für das 35. Cup-Match verknüpft ist.
Bleibt der abschließende Sieg von Artemis über das SoftBank Team Japan nachzutragen, der den schönen Schweden-Tag perfekt machte und die Crew endlich wieder lächeln ließ. Nathan Outteridge sagte nach den Rennen: "Heute war ein wichtiger Tag für unser Team. Wir sind durch harte Zeiten gegangen, hatten dann aber zwei freie Tage. Heute konnten wir zeigen, woraus unser Team gemacht ist." Dass die Schweden ein schnelles Boot haben, war ohnehin unumstritten. Ihr Maß an Pech sollten sie fürs Erste auch abgearbeitet haben.
Die Pressekonferenz der Steuerleute nach den Rennen war vor allem dank des ehrlichen Outteridge, des fairen Verlierers Cammas und des gut aufgelegten Dean Barker ansehnlich. Das kleine Geplänkel zwischen Jimmy Spithill und Peter Burling über die Bedeutung ihres Duells um den Qualifikationssieg am Samstag aber geriet teilweise zur Endlosschleife, die man schon x-mal hören durfte beziehungsweise musste. Der eine – Burling – antwortete sogar auf die Frage, wie er sich ganz persönlich als Jüngster neben den erfahrenen Skippern auf dem Podium fühlen würde – mit den offenbar auswendig gelernten Sätzen: "Wir sind wirklich zufrieden mit dem heutigen Ausgang. Wir haben das Gefühl, dass wir wirklich viel gelernt haben..." Der andere – Spithill – warb einmal mehr für das von seinem Team entworfene Cup-Konzept und antwortete auf die Frage nach der Teilnahme der Verteidiger an dieser Herausforderer-Qualifikation: "Ich glaube, dass unsere Teilnahme den Event besser gemacht hat. Es ist definitiv die Zukunft für den Event." Es ist bekannt, dass insbesondere die Neuseeländer eine andere Sichtweise haben als die aktuellen Verteidiger. Und so wird es morgen schon einen Vorgeschmack auf die Intensität der Auseinandersetzung geben, die sich durchaus im 35. Duell um den America's Cup fortsetzen könnte.