37. America’s CupFrankreich will mit “Orient Express” überraschen

Tatjana Pokorny

 · 05.02.2023

37. America’s Cup: Frankreich will mit “Orient Express” überraschenFoto: Team Orient Express
Mit dieser Optik wollen die Franzosen im 37. America’s Cup durchstarten: ein “Orient Express” unter Segeln

Späte Herausforderer, ehrgeizige Ziele und ein Teamname mit Strahlkraft: Die Segelnation Frankreich will beim 37. America’s Cup in Barcelona mit Kiwi-Technologie und eigener Expertise weit kommen. YACHT online sprach mit dem deutsch-französischen Co-Teamchef Stéphan Kandler und stellt das Team Orient Express vor

Ihren neuen Teamnamen möchte die Kampagne K-Challenge um Stéphan Kandler und Bruno Dubois zum Motto für den 37. America’s Cup machen: Frankreichs “Orient Express” soll im 37. America’s Cup trotz Last-minute-Start schnell und erfolgreich in Fahrt kommen. “Wir möchten das Überraschungsteam im 37. America’s Cup sein”, sagt der französische Initiator und Co-Teamchef Stéphan Kandler, dessen 2013 verstorbener Vater und Airbus-Manager Ortwin Kandler einst die deutsche Segelkampagne AeroSail mitgegründet hatte.

Drei Hauptakteure im Team Orient Express (v. r.): Segelteamleiter Quentin Delapierre sowie die Co-Manager Bruno Dubois und Stéphan KandlerFoto: Thomas Deron
Drei Hauptakteure im Team Orient Express (v. r.): Segelteamleiter Quentin Delapierre sowie die Co-Manager Bruno Dubois und Stéphan Kandler

Das Team Orient Express ist Frankreichs 13. Herausforderer in 172 Jahren Cup-Geschichte

Die Marke Orient Express gehört zum Hotelkonzern Accor, der sich für ein Engagement im America’s Cup unter französischer Flagge entschieden hat. Das Team hat eine Doppelspitze, wird von den erfahrenen Cup-Managern Stéphan Kandler und Bruno Dubois geleitete. Weitere Prominenz ist bereits rekrutiert.

Die Franzosen kommen als fünfter und letzter Herausforderer ins Spiel. Sie wollen im September 2024 vor Barcelona in der Herausfordererserie gegen die Cup-Großmächte aus den USA, Großbritannien, Italien und der Schweiz antreten. Geht es nach den Segelantreibern der Grande Nation, müssen sich die Teams NYYC American Magic, Ineos Britannia, Luna Rossa Prada Pirelli und Alinghi Red Bull Racing warm anziehen. Sechs Jahre nach der letzten französischen Cup-Herausforderung durch das Groupama Team France 2017, ist das Team Orient Express zwar ein Last-minute-Herausforderer, sieht sich aber keinesfalls als Außenseiter.

Frankreich will vom Technologie-Pakt mit den Kiwis profitieren

“Das Finale der Herausfordererrunde wäre ein Erfolg”, sagt Stéphan Kandler und unterstreicht damit den Ehrgeiz seines Teams. Die Reaktionen auf das ambitionierte Vorhaben seien positiv, erzählt der 52-Jährige. Das französische Team hat einen Pakt mit den neuseeländischen Cup-Verteidigern geschlossen. Erstmals in Frankreichs America’s-Cup-Geschichte wird ein Herausforderer von einem Technologiepaket der neuesten Generation profitieren, das von den Kiwis bereitgestellt wird. So gewinnt das Team Orient Express Zeit, kann schneller auf Augenhöhe mit seinen Gegnern durchstarten.

“Diese Möglichkeit war mein Hauptgrund, wieder eine Kampagne an den Start zu bringen. Es liegt viel Arbeit vor uns, aber wir werden unser neues Boot nicht später haben als die anderen Teams. Und es wird sehr wettbewerbsfähig sein. Das ist ein Riesenvorteil für uns. Es ist am wichtigsten, im America’s Cup die richtige Maschine zu haben. Wir sind weniger unter Druck als die anderen Herausforderer, die alles von null designen müssen.”

“Die Kiwis haben immer großartige Boote entwickelt”

Das Technologie-Paket der Neuseeländer an die Franzosen beinhaltet alle Entwicklungen der Cup-Yacht bis Baustart. Danach ist jedes Team bei den weiteren Entwicklungen und Details im Rahmen der Technologie-Vereinbarung auf sich gestellt. “Wir arbeiten schon seit sechs Monaten im Hintergrund”, erklärt Kandler, der sich vom Deal mit den Kiwis ein starkes Boot wie das der Verteidiger selbst erhofft. “Die Neuseeländer hatten nie die größten Budgets, haben aber immer großartige Boote entwickelt”, weiß der passionierte Cup-Jäger aus Toulouse bei seiner dritten Cup-Kampagne.

“Die neuseeländisch-französische Technologiepartnerschaft umfasst ein Designpaket der neuesten Generation, mit dem wir arbeiten können”, erklärt Stéphan Kandler die Fakten. Man werde auf dieser Basis eine eigene AC75 “Made in France” bauen. “Wir sind nicht das reichste Team, aber wir gehen mit einem guten Budget in die zwei Jahre”, gibt Kandler Auskunft darüber, wo das Team Orient Express finanziell steht. Mehrere namhafte Werften in der Bretagne sollten an der Entstehung des Bootes mitwirken.

Multiplast, CDK und weitere Werften sind involviert

Bruno Dubois nennt die Details: “Wir haben das Glück, in Frankreich über ein außerordentliches Fachwissen zu verfügen, das wir voll ausschöpfen werden. Wir werden mit Multiplast in Vannes im Département Morbihan, mit CDK in Lorient und Port-La-Forêt sowie mit zahlreichen Unterauftragnehmern zusammenarbeiten. Einige dieser Werften arbeiten auch mit Chantiers de l’Atlantique an dem Projekt Orient Express Silenseas zusammen. Durch die Zusammenarbeit mit mehreren Unternehmen können wir Zeit sparen. Der Bau unserer AC75 wird im April beginnen und im Frühjahr 2024 abgeschlossen sein.”

Stéphan Kandler haben die foilenden Cup-Yachten von Beginn an gefallen. Der leidenschaftliche Cup-Jäger und Kiter sagt: “Eine AC75 ist ein Kampfflugzeug mit acht Piloten, das 30 Zentimeter über dem Wasser fliegt. Es ist eine hochtechnologische Maschine, die sich mit der neuesten Luft- und Raumfahrttechnik messen kann.” Der Stapellauf der AC75 “Orient Express” ist für das Frühjahr 2024 geplant. In der Zwischenzeit wird das Segelteam auf einer AC40 trainieren. Die kleineren, aber ebenso leistungsstarken Einrumpfboote dienen auch als Plattform für den America’s Cup der Jugend und der Frauen. Die Franzosen hoffen darauf, ihre AC40 bis Anfang August zu bekommen.

Eine eingespielte Doppelspitze für den “Orient Express”

Offizieller Herausforderer für die Franzosen ist die Société Nautique de Saint-Tropez. Ihre Club-Gegenspieler der anderen Teams sind der New York Yacht Club, die britische Royal Yacht Squadron, der italienische Circolo de la Vela und die Schweizer Société Nautique de Genève. In der Herausfordererrunde kämpfen ihre Teams um das Recht, das verteidigende Emirates Team New Zealand im 37. Duell um den America’s Cup fordern zu dürfen.

Die K-Challenge hatte Stéphan Kandler bereits 2001 gegründet. Seit 2021 ist Frankreichs Top-Regattadirigent Bruno Dubois an Bord. Der ehemalige Whitbread-Round-the-World-Race-Teilnehmer, Manager des siegreichen Dongfeng Race Teams im Volvo Ocean Race 2017/2018 und vielseitig erfahrene Antreiber mit riesigem internationalen Netzwerk passt gut ins Bild. Gemeinsam haben sich Kandler und Dubois dem Aufbau eines starken und talentierten französischen Teams verschrieben, das nun als “Orient Express” durchstarten soll. Kandler sagt: “Die Ansprüche im Managen eines America’s-Cup-Teams sind heute so komplex, dass es aus unserer Sicht viel Sinn ergibt, sie zu zweit anzugehen.”

“Bei uns werden Frankreichs Beste gehört”

Weiter erzählt Kandler, dass viele Teammitglieder in der Vergangenheit für internationale Cup-Teams gearbeitet hätten, dort aber nicht immer das Gehör fanden, das sie verdient gehabt hätten. Jetzt seien sie stolz darauf, ihr Wissen für ein französisches Team einzusetzen, “in dem sie gehört werden”. Bruno Dubois bestätigt: “Stéphan und ich wollen so viele dieser Fähigkeiten wie möglich zusammenbringen, um ein starkes französisches Team zu bilden. Dank der Unterstützung der Accor-Gruppe und des Engagements von Orient Express haben wir eine leitende Experten-Gruppe zusammengestellt: Benjamin Muyl im Bereich Design, Antoine Carraz im Bereich Technik, Franck Cammas für die Performance und Quentin Delapierre als Leiter des Segelteams.”

Hier steuert Quentin Delapierre für das französische Team im SailGPFoto: Felix Diemer for SailGP
Hier steuert Quentin Delapierre für das französische Team im SailGP
Kennen und ergänzen sich gut: die Co-Teammanager Bruno Dubois (r.) und Stéphan Kandler im GesprächFoto: Franck Socha
Kennen und ergänzen sich gut: die Co-Teammanager Bruno Dubois (r.) und Stéphan Kandler im Gespräch

Auf das Team Orient Express warten in den kommenden knapp zwei Jahren viele Aufgaben: An Land wird die Teambasis in Barcelona eingerichtet, die im Sommer betriebsbereit sein soll. Auf dem Wasser wird das Segelteam mit der AC40 in Barcelona trainieren. Parallel erweitern Skipper Quentin Delapierre und weitere Segler ihren Horizont in der Profiserie SailGP. Auch im America’s Cup der Jugend und der Frauen will das Team Orient Express im Oktober 2024 antreten.