Tatjana Pokorny
· 16.04.2024
128 Tage vor dem ersten Startschuss der letzten Vorregatta zum 37. America’s Cup hat Alinghi Red Bull Racings Cup-Yacht am 16. April ihren Namen bekommen. Ernesto Bertarellis Tochter Chiara taufte den Schweizer Segelstolz. Der dunkelblaue Bolide mit dem angriffslustigen roten Bullen am Bug soll als “BoatOne” auf Cup-Jagd gehen. America’s-Cup-Beobachter Magnus Wheatley hatte schon bei der ersten Präsentation angemerkt: “Wie der verstorbene große, mehrfache America’s-Cup-Gewinner Olin Stephens einmal sagte: ‘Wenn ein Boot schnell aussieht, ist es das normalerweise auch.’ Die Erwartungen bei Alinghi Red Bull Racing sind zu Recht gestiegen.”
In der Zwischenzeit haben auch die neuseeländischen Verteidiger ihr Boot einmal hüllenlos gezeigt, bevor es in Folge erster Tests nach Barcelona gebracht wird. Am vergangenen Wochenende dann feierte Patrizio Bertellis italienisches Team Luna Rossa Prada Pirelli in Cagliari die Taufe seiner silbernen “Luna Rossa”. Das zuerst öffentlich gezeigte Schweizer “BoatOne” reiht sich in die Riege der AC75er im Formel-1-Look ein, deren Wurzeln offensichtlich sämtlich im Entwurf der Siegeryacht von 2021 zu finden sind: der überlegenen neuseeländischen “Te Rehutai”.
“Te Rehutai” sieht auch der sehr erfahrene Bootsbaumeister Ties Rabe als Ursprung der unterschiedlichen Entwürfe. Er arbeitet als erfahrenster Bootsbauer im Team Alinghi Red Bull Racing. Shore-Crew-Manager Tim Hacket hatte den versierten Mann aus Steinhagen bei Bielefeld im Sommer 2022 ins Team geholt. Dort hatte sich Ties Rabe zunächst mit seinen Kollegen um “BoatZero” gekümmert, während die neue AC-Rennyacht in der Schweiz gebaut wurde. Inzwischen gilt die Aufmerksamkeit von Alinghi Red Bull Racings Bootsbauteam in Barcelona ganz dem neuen “BoatOne”.
Wir sind vielleicht und hoffentlich ein bisschen besser an Barcelonas Bedingungen adaptiert” (Ties Rabe)
Gegenüber der YACHT sagte Ties Rabe am Tauftag zur Frage, wie er die bisherigen Präsentationen und Taufen der Teams wahrgenommen habe: “Das ist interessant! Alle haben offenbar mit der letzten Siegerin begonnen. Alle Teams haben leicht unterschiedliche Interpretationen von dem, was besser ist als ihre letzten Boote. Wir sind vielleicht und hoffentlich ein bisschen besser an Barcelonas Bedingungen adaptiert, weil wir am längsten hier sind. Die Zukunft wird uns zeigen, ob wir in dem Bereich richtig liegen.”
Auf die Frage, wo er Alinghis Design auf der “Extremskala” von 1 (konservativ) bis 10 (sehr radikal) einordnen würde, sagte Ties Rabe: “Da würde ich sagen, dass wir eine solide Acht sind. Wir sind voll dabei.” Den Tauftag erlebte Ties Rabe als “wichtig”, aber auch als Zwischenstation: “Es ist ein Tag in der laufenden Kampagne. Der Tag ist mehr für die Außenwelt als für die innere. Sobald das Boot zurück in der Halle ist, setzen wir unsere Arbeit fort, müssen es für morgen einsatzbereit machen.”
An den 60.000 Bootsbaustunden, die in “BoatOne” geflossen sind, hatten Ties Rabe und seine Kollegen in Barcelona nur einen kleinen Anteil. Ihre Arbeit an “BoatOne” beginnt – abgesehen von einigen Diskussionen und Vorschlägen zur Ausrüstung im Verlauf der Bauzeit – erst jetzt in Spanien. “Wir mögen einige Einflüsse gehabt haben, aber nicht so viele wie andere Leute”, erklärt Rabe, der auch den bei 11th Hour Racing kennen und schätzen gelernten Bootsbaukollegen Adrian Bleninger ins Team Alinghi Red Bull Racing geholt hatte.
Jetzt, so Rabe, sei das alte “BoatZero” Schnee von gestern. Jetzt fließe alles ins neue “BoatOne”. “Der Fokus hat sich mit dem Wechsel total geändert”, sagt der Mann, der schon für die Illbruck Challenge, “Uca”, die Ocean-Race-Teams von Puma oder ABN Amro gearbeitet hat. Das Optimieren der jeweils nur einen neuen Cup-Yacht pro Team, das Wettrüsten mit den anderen Mannschaften, wird die Landmannschaft und auch Ties Rabe in den kommenden Monaten stark fordern.
Alinghi Red Bull Racings Design-Koordinator Adolfo Carrai beschrieb es am Dienstag in Barcelona so: “’BoatOne’ im Wasser zu haben ist die Feier einer Leistung, es ist ein besonderer Moment, der eine neue Phase auslöst. Heute wird der Beitrag so vieler verschiedener Menschen zu unserer Rennyacht deutlich. Es ist das erste Boot, das die Gruppe gemeinsam entworfen und gebaut hat. Jetzt ist es an der Zeit, es in Betrieb zu nehmen und zu testen.”
Chefdesigner Marcelino Botin sagte: “Man verbringt drei Jahre damit, die Entwicklung des Bootes am Computer zu verfolgen. Dann sieht man es in voller Größe, und es ist wie Magie. Aber man erkennt, dass es eigentlich keine Magie ist. Es ist das Ergebnis der Fähigkeiten, des Fachwissens und der Leidenschaft vieler Menschen, die ihr Können einbringen, um ein Ergebnis zu erzielen, das den Erwartungen des Teams entspricht. Das ist das Erstaunlichste bei einem Boot wie diesem.”
Alinghi Red Bull Racings Skipper Arnaud Psarofaghis übernahm das Staffelholz und legte sich und seinem Segelteam die Latte hoch: “Wir hatten die Gelegenheit, viel von ‘BoatOne’ im Simulator zu sehen und zu entdecken, aber in der Realität ist es noch viel beeindruckender. Der Stapellauf des Bootes markiert für uns die nächste Etappe, um ‘BoatOne’ endlich zu segeln. Das Segelteam muss nun die großartige Arbeit der Designer und Bootsbauer fortsetzen.”
In Neuseeland haben auch die Kiwis gerade dieses neue Cup-Kapitel eröffnet, sind seit vier Tagen mit den ersten Testfahrten auf ihrer neuen AC75 beschäftigt. Bei den Neuseeländern liegt das Hauptaugenmerk aktuell auf dem Einfahren der Steuerungs- und Antriebssysteme und dem Beginn der langen Evaluierung der Segel mit der großen Vielfalt an Voreinstellungen, die AC-Teams einsetzen. Für Teams wie die Kiwis, die bereits ihre zweite AC75-Kampagne bestreiten, ist der Prozess voraussichtlich etwas kürzer als für die Neuen im Spiel.
Segeldesigner Burns Fallow drückte es so aus: “Die Kurve ist nicht ganz so steil wie bei der letzten Kampagne. Da war es keine Kurve, sondern ein Berg. Aber trotzdem ist jedes Boot neu, jeder ist anders, man lernt immer dazu, und das ist irgendwie cool.”