Liebe Leserinnen und Leser,
Es sind Sommerferien, Zeit für die wichtigen Dinge im Leben – wie das Segeln. Endlich! Es wird höchste Zeit, denke ich, denn der Sommer ist wie im Rausch an mir vorbeigezogen. So schnell, dass eine Frage auftauchte, die sich sonst erst im Spätsommer meldet: „Bin ich dieses Jahr oft genug aufs Wasser gekommen?"
Normalerweise verdränge ich diese Frage mit Sätzen wie „Nicht so negativ denken" oder „Das ist nicht wichtig". Doch diesmal ist es anders, denn sie begleitet eine These, der ich in letzter Zeit immer wieder begegnet bin: Segler verbringen zwar viel Zeit an Bord, aber immer weniger Zeit auf dem Wasser; die Segelyacht wird zunehmend zur schwimmenden Gartenlaube.
Erst kürzlich kam dieses Thema im Gespräch mit dem Tankwart einer Yachttankstelle auf, den ich für eine Reportage begleitete. Während der Saison hat er von seinem Kassenhäuschen aus die voll belegten Steg-Reihen bestens im Blick. Er erzählte mir, dass einige Boote im Hafen kaum bewegt würden, vielleicht nur zum Kranen am Anfang und Ende der Saison. Den Rest des Jahres könnte er zusehen, wie das GFK verwittert. Auch bei Standard-Manövern der Fahrtensegler, wie dem An- und Ablegen, hätten mehr Skipper Schwierigkeiten, was er auf fehlende Praxis zurückführt.
Klar, das sind Einzelfälle, und keine Sorge, meine kleine Mid-Season-Crisis ist nicht so drastisch. Doch das Gespräch machte mich neugierig.
Wenn man nach Zahlen sucht, ob Segler wirklich seltener aufs Wasser kommen, ist die Ausbeute recht dürftig. Das Problem: Die Studien sind entweder regional begrenzt oder veraltet. Trotzdem bieten sie eine gewisse Orientierung.
Eine Erhebung von 2010 für Berlin-Brandenburg zeigt, dass dort Boote im Durchschnitt 20,9 Tage im Jahr im Einsatz sind. Bei einer Saison von Mai bis September ist das fast jedes Wochenende. Ähnliche Ergebnisse liefert die Forschungsvereinigung für die Sport- und Freizeitschifffahrt. Demnach werden private Sportboote zwischen 10 und 20 Tage im Jahr genutzt.
Gar nicht so schlecht, denke ich. Doch was bedeutet „genutzt"? Bezieht es sich auf die Jagd nach Seemeilen oder den regelmäßigen Sundowner an Bord? Das geht aus den Umfragen nicht hervor. Dass Letzteres heute populärer zu sein scheint, lässt sich am Bootsmarkt beobachten.
Beim Durchstöbern der Werft-Webseiten auf der Suche nach aktuellen Bootsmodellen entdeckt man zahlreiche Sundowner-Stimmungen in extrabreiten Cockpits, gepolsterten Sonnendecks, auf denen ganze Familien nebeneinander entspannen können, oder über elektrisch ausfahrbare Badeplattformen planschen gehen.
Früher, als ich noch im Kindesalter alte YACHT-Hefte durchblätterte, wirkten die Werbeanzeigen anders: Crews in robustem Ölzeug navigierten mit gerefften Segeln durch stürmische Gewässer. Die Botschaft war klar: Dieses Boot trotzt jedem Wetter. Heute stehen Komfort und Lifestyle im Vordergrund. Das zeigte sich auch bei der Bootsmesse in Düsseldorf im Januar, wo mir die vielen voluminösen, fast bulligen Rumpfformen auffielen.
Sicherlich sind Boote wie die Oceanis 40.1 oder Bavaria C42 unter Deck wahre Raumwunder. Doch schon Anfang des Jahres stellte ich mir die Frage: Segeln sie auch gut? Meine Kollegen aus der Test- und Technik-Redaktion wissen dazu mehr, denn sie haben viele der Boote bereits zur Probe gesegelt – und kommen, wie ich finde, zu überraschenden Ergebnissen. Kleiner Spoiler: Sie sind offenbar besser, als ich es erwartet habe.
Doch was bedeuten diese Eindrücke, Daten und Trends? Ich fragte mich: Kann man den Wert und die Bedeutung eines Bootes wirklich daran messen, wie oft es bewegt wird?
Ich glaube nicht, denn die Faszination des Segelns geht weit über die im Logbuch festgehaltenen Seemeilen hinaus. Das wurde mir klar, je mehr ich mich damit befasste. Letztlich sind es die Träumereien, die schon während des Winterlagers aufkeimen, die Verheißungen auf laue Sommernächte im Cockpit. Es sind die Mittagsschläfchen auf Deck und die Regentage, an denen man mit Kaffee und Kuchen unter der Persenning Schutz findet.
Für einige ist das Boot ein Treffpunkt, um mit Freunden oder Stegnachbarn in Kontakt zu bleiben – sei es aus Altersgründen oder weil der Partner die Fahrt aus dem Hafen scheut. Manch einer nutzt das Boot als schwimmendes Büro oder als Rückzugsort vor der Verwandtschaft.
Und bei all diesen Dingen spielt es letztlich keine Rolle, ob man sich fernab des Heimathafens oder in der eigenen Box befindet. Die Ansprüche, die jeder an sein Boot stellt, sind höchst individuell – und das ist gut so.
Für mich heißt es, beim ersten Schritt an Bord die Welt jenseits der Reling hinter mir zu lassen. Und wenn dann noch Zeit zum Segeln bleibt, was könnte schöner sein? In diesem Sinne: Genießen Sie den Segelsommer und gönnen Sie sich eine Auszeit.
YACHT-Redakteur
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