Liebe Leserinnen und Leser,
man mag über Elon Musk und seine politische Position geteilter Meinung sein. Auch sein oft rüpelhaftes Auftreten als mächtiger Wirtschaftsboss verdient keine Bewunderung. Was er unternehmerisch anfasst, sei es mit Tesla, SpaceX oder Starlink, nötigt dennoch Respekt ab.
Als Segler kommt man inzwischen kaum mehr an seinem immer engmaschigeren Satellitennetzwerk vorbei – dann jedenfalls, wenn man unabhängig vom Standort oder schwächelnden Mobilfunk- und Wlan-Signalen online bleiben will.
In gerade einmal zwei Jahren hat sich Starlink vom Newcomer zum De-facto-Standard entwickelt. Egal ob im Hochsee-Regattasport oder auf Langfahrt- und Luxusyachten: überall haben sich die flachen Schüsseln durchgesetzt und andere Satelliten-Provider regelrecht aus dem Markt gesprengt. Bei Nautor, Oyster, Solaris oder Contest montieren sie inzwischen so gut wie nichts anderes mehr.
Und das war erst der Anfang.
Mit der vor kurzem eingeführten Starlink Mini, einer Antenne im Laptop-Format, die sich direkt am 12-Volt-Bordnetz betreiben lässt, wird Musks Netzwerk jetzt erst richtig populär werden. Erstmals ist Starlink nicht nur für Eigner interessant, sondern sogar für Charterer, die mehrere Wochen im Jahr auf wechselnden Yachten unterwegs sind. Es ist der eigentliche Beginn der Always-on-Transformation.
So wie bisher nur Boris Herrmann und seine Imoca-Konkurrenten, die über teure Inmarsat Flat-Rate-Tarife hochauflösende Satellitenbilder und Grib-Files laden, Videos teilen, wie zu Hause permanent per WhatsApp erreichbar sind und sogar Zoom-Konferenzen abhalten, können auch wir künftig zu überschaubaren Konditionen immer alles online lesen und streamen.
Keine Suche mehr nach offenen Wlans, kein Betteln um die Passwörter für ohnehin überlastete Marina- oder Hafenkneipen-Netze. Nie war Boatoffice einfacher. Nie war man auch weit fernab von LTE-Funkmasten erreichbarer.
Ich werde kommendes Jahr, wenn ich mehr Zeit finde zum Segeln, wahrscheinlich auch einen Halter für die kompakte Starlink-Dish am Heck anlaminieren und einen Mini-Travel- oder Mobile-Priority-Tarif buchen. Es ist einfach zu verlockend, in Kontakt bleiben zu können.
Was mich bisher zögern ließ, ist nicht so sehr Elon Musks Sprunghaftigkeit, die sich auch in der häufig abrupt wechselnden Gebührenstruktur widerspiegelt, seinen laxen Umgang mit Lügen, Deepfakes und radikalen Positionen auf X, oder jüngst seine fast liebedienerische Nähe zu Donald Trump.
Sorge macht mir vielmehr Starlinks Verheißung: nicht mehr abschalten zu müssen – und damit genau das zu riskieren, was mich an langen Fahrten fern der Küste so fesselt: loszulassen, offline zu sein, zurückgeworfen auf sich selbst und die Naturerlebnisse, die sonst viel zu oft im digitalen Grundrauschen untergehen.
In den USA, wo der Siegeszug des Musk-Netzwerks viel früher begonnen und den Segelsport viel schneller verändert hat als bei uns, gibt es interessanterweise schon Starlink-Beschränkungen an Bord.
Eine Freundin berichtete mir gerade, dass auf Langstreckenregatten oder Rücküberführungen zwar eine Satellitenantenne samt Datenpaket quasi zur Grundausstattung gehört. Die Nutzung bleibt aber meist auf Skipper und Wachhabende begrenzt, und sie dient nur dem Wetterrouting sowie dem Tracking, nicht etwa Netflix-Filmabenden oder dem Pflegen der Instagram-Profile der Crew.
Warum? Weil sich in den vergangenen zwei Jahren gezeigt hat, dass andernfalls die Segler sich zu sehr vereinzeln, zurückziehen in ihre Online-Blasen. Darunter leidet der Teamgeist und in der Folge auch die Leistungsfähigkeit.
So sperrt J/World Sailing, der wohl beste und engagierteste Veranstalter von Segelevents an der gesamten US-Westküste, den Starlink-Router auf seinen Regattayachten konsequent, wenn sie Transpac oder Pacific Cup mit zahlender Crew segeln.
Auch wer im Rahmen des Offshore Yacht Racing Programs eine Koje auf der legendären Santa Cruz 50 „Hula Girl“ bucht, muss sich von seinen Social Media Fans verabschieden. Erst am letzten Tag des Törns steht die Satellitenverbindung allen offen, um Hotels oder Heimflüge zu organisieren. Vorher nicht. Wayne Zittel, Präsident von J/World Sailing, ist da strikt. „Die Crew lädt sonst nur Landprobleme aufs Boot hoch: Stress im Job, Ärger in der Beziehung… you name it.“
Vielleicht sollte ich das mit der Starlink Mini doch noch einmal überdenken…
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