MeinungWarum das Speed-Segeln Verrückte braucht – und die Weihnachtszeit

YACHT-Redaktion

 · 21.12.2024

Meinung: Warum das Speed-Segeln Verrückte braucht – und die Weihnachtszeit
YACHT-Woche – Der Rückblick
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Liebe Leserinnen und Leser,

Es gibt einen seltenen Menschenschlag, den man vor allem beim Segeln trifft. Also vor allem beim extremen Segeln. Meist sieht man ihn kurz vor Weihnachten.

Es sind Menschen, die in winzigen Booten große Meere überqueren, radikale Boote bauen, Menschen, die mitreißen können, die, wie es in einer englischen Redewendung so schön heißt, „den Raum erhellen, wenn sie ihn betreten“. Fangen sie an zu reden, hängt man an ihren Lippen, mag sich das, was sie erzählen, noch so fantastisch anhören.

So ging es mir, als ich 2008 auf dem französischen Rekord-Brecher „L‘ Hydroptere“ mitsegeln durfte. Alain Thébault war ein Mann, dessen Elan ansteckte. „We try to ride the magic carpet!” (Wir versuchen, auf dem Zauberteppich zu reiten), war sein Credo, um zu beschreiben, was er mit seinem riesigen 60-Fuß großen Foiler damals in mehreren Metern Höhe vorhatte. Dabei machte er das Surfer-Zeichen „Hang Lose“ mit gespreizten Daumen und kleinem Finger.

Damals durfte ich vor Hyeres im heulenden Mistral kurz vor Weihnachten mit an Bord gehen. Der Winter war für die Rekordjäger ideal: oft Mistral, leere Küsten, keine Boote im Speed-Revier unterwegs.

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Auf etwas über 41 Knoten kamen wir damals, steuern durfte ich bis Anfang 30. Ich machte mir vor Aufregung fast ins Ölzeug. Das futuristische Gefährt fuhr sich schwergängig wie ein Lkw  – inklusive Lenkrad. Zumindest bis 35 Knoten. Dann übernahmen die Profis und das Ruder wurde sensibel. In der Bö beschleunigen und Abfallen, dann kletterte das Flügel-Monster die Foils hoch bis auf die Spitzen. Ein irrer Ritt. Damals noch ohne Helme, Spezialwesten oder Atemflaschen, die Haare flogen im Wind, die kalte Winter-Salzluft brannte in den Augen und im Gesicht. Die Mitsegler hatten in weiser Voraussicht Skibrillen auf, ich hatte so etwas natürlich nicht dabei. Damals hatte „L‘ Hydroptere“ gerade an der 50-Knoten Marke gekratzt, wenig später stellten sie mit 51,36 Knoten einen Speed-Rekord auf. Thébault war ein echt verrückter Hund: Fast 15 Jahre und alle seine privaten finanziellen Mittel hatte er in das Projekt investiert, bis er endlich 2009, nach fast 15 Jahren Versuchen, den Rekord knackte.

Paul Larsen, der 2012 mit seiner „Vestas Sailrocket 2“ den Rekord auf 65,45 Knoten schraubte, ist auch so ein Mann wie Thébault. Der Australier ist ein gut gelaunter Sonnenschein, ich traf ihn das erste Mal, als er gerade mit Pete Goss‘ riesigem, aber unter keinem guten Stern stehenden Monster-Kat „Team Philipps“ segelte. Sie wissen vielleicht noch, das Boot mit den beiden gigantischen, freistehenden Masten, das beim Jahrtausendwende-Rennen „The Race“ mitmachen sollte. Zerbrach dann aber leider im Sturm bei Tests.  Larsen, eingefleischter Kat-Segler und Speed Junkie, redete schon damals mit einem Leuchten in den Augen vom Speed. Kein Jahr später begann er sein Vestas-Sailrocket-Projekt. Elf Jahre brauchte es dann, bis er den Rekord hatte. Seinen Überschlag in der Luft und sein später während der Rekordfahrt unter Schock ins Mikro gestammeltes „this is fast…this is fast.. this IS fast“ ging in die Annalen der Rekordjäger ein. Und, na klar, auch er segelte im Dezember. Der beste Wind. Allerdings an der warmen Walvis Bay vor Namibia statt im kalten Mistral.

Und nun ist fast wieder Weihnachten. Und ich durfte wieder zu Besuch bei den nun neuen, jungen Rekordjägern sein. Anfang Dezember an der französischen Küste vor Leucate versucht das Team SP 80 in langsamen Schritten den Rekord von Larsen zu knacken. Eine bunte, lustige Truppe von Ex-Studenten, die sich den Rekord als Projekt an der Uni ausdachten. Das Schweizer Team hat seinen Namen, weil sein Gefährt, ebenfalls eine Art Trimaran, 80 Knoten schaffen soll. Die beiden Driver Benoit Gaudiot und Mayeul van den Broek haben auch dieses irre Glitzern in den Augen. Ihr futuristisches Boot bricht mit vielem, was Segler zu einem Boot dazu rechnen, es hat keinen Mast mehr, kein klassisches Segel. Dafür einen hocheffizienten Kite. Der ist ein ausgeklügeltes Flügel-Profil wie die Tragfläche eines Flugzeuges. Seine Wirkungsweise als Vortrieb für Segler zu verstehen, bedeutet Neuland, sicher, ist aber spannend.

Bis heute wurden knapp 42 Knoten erreicht. Aber bis Weihnachten sind ja noch ein paar wenige Tage…

Auch Ihnen, liebe Leser, schöne Weihnachten!

Andreas Fritsch

Reise und Rekord-Spezialist


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