Liebe Leserinnen und Leser,
seit einiger Zeit trudeln bei uns in der Redaktion gehäuft Meldungen von Segelvereinen ein, die ihr 100-jähriges Bestehen feiern. In diesem Jahr unter anderem die Seglervereinigung Brunsbüttel, der Warnemünder Segel-Club und der Segelverein Norderney, um nur ein paar zu nennen. 1924, 1925, 1926 – wer heute in alte Vereinsregister schaut, stößt auf ein regelrechtes Gründungsfieber. Und das hat einen ganz konkreten historischen Hintergrund: Nach dem Ende des ersten Weltkriegs und der Monarchie war die Sehnsucht nach Freiheit, Frieden und Gemeinschaft in Deutschland, wie in vielen anderen Ländern, groß. Außerdem brachte die Weimarer Republik demokratische Aufbrüche – und das Segeln, bis dahin eher elitäres Vergnügen, wurde zugänglicher für das Bürgertum.
Die 1920er waren außerdem eine Zeit des technischen Aufbruchs: kleinere Boote wurden erschwinglicher und einfacher zu bauen. Es entstanden Klassenboote und Jollen, ideal für Ausbildung und Regatten. Man gründete Vereine, baute Stege, traf sich zum An- und Absegeln, zu Regatten und Reparaturwochenenden. Das Vereinsleben wurde zum Rückgrat des deutschen Segelsports.
Über Jahrzehnte war der Segelverein mehr als nur Bootsliegeplatz: Er war Heimat, Handwerksschule und sozialer Mikrokosmos. Hier lernten Jugendliche Knoten und Kameradschaft, Erwachsene tranken Hafenkäffchen und verhandelten über Stegordnung und Steuerbordrecht. In den 1960er- bis 1980er-Jahren boomte das Segeln – mit der Wirtschaft kamen die Boote. Fast jede Familie hatte ein Mitglied, das „irgendwas mit Segeln“ machte. Vereinsregatten waren Volksfeste, Ehrenamt kein Fremdwort.
Und heute? Die Corona-Pandemie wirkte wie ein Katalysator für den Segelsport. Das eigene Boot wurde plötzlich zum privaten Urlaubsparadies, Gebrauchtboote wurden knapp, Ausbildungsplätze gefragt. Dank YouTubern, Instagram-Logbüchern und Weltumseglern wie Boris Herrmann ist der Sport wieder sichtbar, jung, cool. Segeln bedeutet: Natur, Freiheit, Abenteuer – und ja, auch Lifestyle.
Aber das Vereinsleben? Das ist für viele junge Menschen leider alles andere als hip. Mitgliedsanträge? Vorstandssitzungen? Arbeitsstunden am Steg? Das schreckt viele ab. Vor allem die junge Generation Z, der häufig vorgeworfen wird, kaum leistungsbereit zu sein, keine Verbindlichkeiten mehr eingehen zu wollen und sich zu wenig zu engagieren. Viele Vereine klagen über Überalterung und Nachwuchsmangel. Die Jugendabteilungen schrumpfen, das Vereinsboot wird nur noch sporadisch genutzt, und für den nächsten Vorsitzenden meldet sich… niemand. Die „goldene Generation“, die alles aufgebaut hat, wird älter – und manchmal auch ein bisschen müde.
Die Vereinsmüdigkeit in Deutschland ist aber kein ganz neues Phänomen. „Jeder Deutsche in zwei Vereinen: Diese traditionelle Formel gilt nicht mehr.“ schreibt die Stiftung für Zukunftsfragen. Während 1990 noch 62 Prozent der Bundesbürger Mitglied in einem Verein waren, sind es heute nur noch 44 Prozent. Der moderne Freizeitmensch will unabhängig bleiben. Vor allem Großstädter sind vereinsmüde. Vereinsmeierei gilt bei vielen als bieder und provinziell.
Dabei nehmen Segelvereine eine gewisse Sonderstellung in der Vereinslandschaft ein. Im Vergleich zum Kegel- oder Schützenverein haben sie weniger gegen ein verstaubtes Image zu kämpfen als leider häufig noch gegen die elitäre Vorstellung eines Clubs. Und leider ist es ja auch real so, dass Liegeplatzpreise steigen. Das Ehrenamt wird bürokratischer, und viele Familien können sich das Segeln schlicht nicht mehr leisten – oder wissen gar nicht, dass es auch günstig und ohne eigenes Boot möglich ist – eben im Verein.
Die Menschen haben heute viel mehr Freizeit als noch vor 50 Jahren. Doch das Mehr an Freizeit und auch des Angebots führt nur dazu, dass sie sich individueller und spontaner betätigen wollen. Diesen Sommer SUP ausprobieren, im nächsten Kiten und im übernächsten vielleicht mal wieder unter Segeln aufs Wasser – bloß nicht festlegen, das scheint die Devise.
Dabei wäre genau das heute so wertvoll: verbindliches Engagement, unterstützende Gemeinschaft, generationsübergreifender Austausch. All das, was in unserer schnellen, oft einsamen Welt rar geworden ist, findet man noch in Segelvereinen.
100 Jahre – kein Wunder, dass sich da vielleicht in der ein oder anderen Ecke etwas Staub angesammelt hat. Vielleicht sind einige Jubiläumsfeiern Anlass für einen Großputz. Segelvereine müssen sich verändern, ohne sich zu verbiegen. Viele tun dies bereits aktiv. Mit moderner Kommunikation, niedrigschwelligen Mitgliedsmodellen und Schnupperangeboten werden neue Zielgruppen angesprochen. Kooperationen mit Schulen, sozialen Einrichtungen oder Umweltprojekten schaffen für Nachwuchs.
Die Lösung kann aber nicht nur darin liegen, Pflichtstunden abzuschaffen und sporadische Teilhabe, statt verbindlicher Mitgliedschaft anzubieten. Mit einem „Vereinsmeier“ wird abwertend jemand bezeichnet, der sich „zu sehr“ in seinem Verein engagiert. Vielleicht sollte also das Ehrenamt an sich entstaubt werden: mehr Freude am Mitmachen. Projekte statt Posten. Verantwortung teilen, statt auf wenigen Schultern lasten lassen. Die Zukunft der Segelvereine entscheidet sich vor allem durch Menschen, die bereit sind, mehr zu tun als Likes zu verteilen – sondern vielleicht auch mal das Clubhaus zu kehren.
YACHT-Redakteurin
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