Liebe Leserinnen und Leser,
wenn Promis sich unseren liebsten Freizeitbeschäftigungen widmen, ist dies nicht immer einfach einzuordnen. Wird es von kurzer Dauer sein oder ist es überhaupt ernst gemeint und nur ein peinlicher PR-Move? Nun geht Tom Cruise segeln. Ja, klar, aber nur cruisen und nicht regattasegeln… Was man zunächst als aufgeregtes Messegerede abtat, verdichtete sich von Event zu Event zu einem veritablen Gerücht. Eines, das sich so standhaft hielt und glaubwürdig angereichert wurde, dass etwas daran sein musste. Der Name Swan kam ins Spiel, und schnell war von einem segelnden Großformat die Rede. Und zufällig verkündeten die Finnen am Zenit der Kolportage den Bau eines neuen Flaggschiffs in 128 Fuß. Klar, für einen Hollywoodstar aus den USA muss eben alles größer sein.
Erst der Blitz-Besuch von Tom Cruise in Jakobstad brachte Gewissheit: Es wird eine Swan 108, Nautors zweitgrößtes Modell. Ein hochtechnisches Gefährt aus Carbon mit eleganten Frers-Linien und pointierter Decksgestaltung mit Stealth-Anklängen von Micheletti + Partners. Passt, obschon es wohl seine erste Segelyacht sein wird. Den Novizen soll der 62-Jährige in der Zweihand-Segelszene von „Top Gun: Maverick“ nicht nur gemimt haben. Während er mit seiner Ex, Penny, auf der J/125 wieder anbandelt, krallt sich Maverick – mit offener Bomberjacke und Pilotenbrille – bei knackiger Brise und Lage am Heckkorb fest. Die Einstellung musste zweimal gedreht werden. Cruise hätten die ersten Aufnahmen bei Leichtwind vor San Diego nicht zugesagt, so seine Filmpartnerin Jennifer Connelly (Penny) in einem TV-Interview. Das Boot sei zu langsam gewesen, so das Urteil des Hobby-Piloten. Erst vor San Francisco gab es den geforderten Druck und Speed.
Segeln und Hollywood, das ist so eine Sache für Fachmagazine und deren Leserschaft. Mehr oder weniger geht es um die öffentliche Zurschaustellung einer Subkultur – auch wenn das Segeln in Bezug auf die Verbreitung ein „Breitensport“ ist, ergibt sich ein zutiefst kleinlicher Einschlag durch die (seemannschaftlich) „korrekte“ Ausübung. Dann wird es nischig, dann gilt: viele Dos, viele Donts. Die Faszination Segeln unter Einhaltung der diversen Codes auf der Leinwand zu vermitteln, ist ein gewagtes Unterfangen; Nerds und Fundis stehen bereit Kommentarspalten mit Klookschietereien zu fluten. Man denke nur an den Humbug in „All is lost” mit Robert Redford. Jüngster Versuch ist der Film „Vor uns das Meer“, der das Golden Globe Race thematisiert.
In „Wind“ hat es 1992 die Conner-Bertrand-Rivalität rund um den America’s Cup auf die große Kinobühne geschafft. An dieser Stelle bekenne ich mich als großer Fan des von Francis Ford Coppola produzierten Streifens, in dem die oben umschriebene „Core“-Komponente teils zu leicht und der Dünkel oftmals zu dick aufgetragen wurde. Wobei „Wind“ mit der schnell geschnittenen Eröffnungsszene der 14-Footer-WM in Australien sensationell aufschlägt. Das Tempo konnten die scheinbar statischen, auf 12ern ausgetragenen AC-Rennen nicht halten, die Schachpartien zur See waren zu komplex für Nicht-Segler. Nun denn, meine Segelleidenschaft hatte die Bildgewalt weiter angefacht, und drei Jahre später weckte Kevin Costner in „Waterworld“ Interesse für futuristische Mehrrumpfer.
Segelnde Schauspielgrößen lassen sich selten in Medien oder auf Regattabahnen blicken. Einer ist der britische Charakterdarsteller und Inselbesitzer Jeremy Irons, der auf der Isle of Wight aufwuchs und später in Irland der Segelei frönte. Errol Flynn ging im Goldenen Hollywood-Zeitalter auf dem 36 Meter langen Holzschoner „Zaca“ urlauben, Mitte des 20. Jahrhunderts waren das gigantische Maße. US-Schauspieler Morgan Freeman kam mit 30 Jahren zum Segeln und griff bis ins hohe Alter zu Ruder und Schoten, zuletzt auf einer 43-Fuß-Ketsch. Mit seinem goldenen Ohrschmuck trug Freeman seine Passion nach außen, indem er die Tradition des Seemannsohrrings fortführte. Sie besagt, dass am Ohrläppchen Gold hängt, das gerade so viel wert ist wie ein Sarg, den es beim Ableben an einem fremden Ort für ein anständiges Begräbnis braucht.
Wenn es von Tom Cruise ikonische Bilder am Rad seiner Swan geben wird, dann wohl ohne maritime Accessoires. Sicher wird er nicht die hölzerne Haltung von Matthew Modine in „Wind“ studieren und souverän-konzentriert am Rad stehen. Unabhängig davon, was man von Cruise halten mag, ist er ein Vertreter von Hollywoods A-Liste, der das Potenzial hat Segeln auf die ganz große Bühne zu hieven. Er hätte sich wie viele seiner Branchenkollegen eine Motoryacht zulegen können, Steven Spielberg etwa bereedert die 109 Meter lange „Seven Seas“.
Und es gibt ein motorisiertes Format eines deutschen Eigners, das dieser ganz im Stil von „Top Gun“ hält. „Maverick“ (44 m) imitiert Linien der F-14 Tomcat, an Bord findet sich eine Reihe von Top-Gun-Memorabilia. Beim Ankern vor Sizilien unkte gar eine italienische Lokalzeitung, ob Tom Cruise zu Besuch sei.
Eine ästhetisch zum Kampfjet umgemodelte Swan wird es für Tom Cruise eher nicht werden. Das wäre Stilbruch oberster Güte. Doch schon das Stahlgrau der ersten Swan 108 „Fancy“ erweckt Assoziationen. Kommt jetzt Jetblack? Langsam wird Cruise mit seiner 36-Meter-Slup nicht unterwegs sein, und sich hoffentlich auch auf Regatten zeigen. Dass es nicht mit der eigenen Yacht über die Linie gehen muss, beweisen dieser Tage Hugh Jackman und Ryan Reynolds. Die Schauspiel-Beaus traten als Miteigentümer des australischen SailGP-Team BONDS auf. Und vielleicht bringt Tom Cruise das Segeln wieder Plot-bestimmend auf die Kinoleinwand oder Displays. Also erst nach intensiver Nutzung seiner Swan und unter Umschiffung sämtlicher Fallstricke, bitte. Mit reichlich angehäufter „Sail Credibility“ gilt: Mission Possible.
YACHT-Redakteur
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