Liebe Leserinnen und Leser,
„kann man da noch hinfahren?“. Seit drei Jahren höre ich diese Frage immer häufiger, in Emails an die Redaktion, auf Messen, am Steg. Auch in diesem Jahr schon, obwohl die Segelsaison erst vor ein paar Wochen begonnen hat. Gemeint ist dabei immer das gleiche Revier: unsere Ostsee.
Die Ostsee, das Meer in unserer Mitte, einer der friedlichsten Rückzugsorte, auch auf dem Wasser, so weitläufig, dass sich eins auf jeden Fall finden lässt: Ruhe. Die Große Ostseerunde gehört zum Schönsten, was man sich für einen langen Segelsommer vorstellen kann. Start und Ziel: direkt vor der eigenen Haustür.
Das Baltikum, die Bottenwiek – gerade die weiter entlegenen Seegebiete sind es, die bei vielen Skipperinnen und Skippern Sehnsucht auslösen. Einmal auf eigenem Kiel an der Boje von Törehamn festmachen, am nördlichsten Punkt der Ostsee. Kein Problem! Der einzige entscheidende Faktor: genügend Zeit.
So ist es doch, oder?
Offenbar nicht mehr so ganz. Inzwischen lässt ein ungutes Gefühl die meisten Seglerinnen und Seglerin mit solchen Törnplänen innehalten. Einige ändern ihre Routen, andere reduzieren ihre Ziele. Ihre Überlegungen haben einen ernsten Hintergrund: Russlands völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine schlägt auch auf der spiegelglatten Oberfläche der entlegenen Ostsee Wellen.
Auf einmal spielt bei der lange geplanten Langfahrt nicht mehr nur die Zeit eine Rolle. Sondern auch die Sicherheit: „Kann man da noch hinfahren?“
Die Nachrichten jedenfalls reißen nicht ab, die uns verunsichern – und verunsichern sollen: Meldungen über GPS-Spoofing zum Beispiel, also die Störung der für die Navigation wichtigen Satellitensignale. Die Zerstörung von Unterseekabeln, der Einsatz von Spionagedrohnen, für die Umwelt gefährliche, weil oft in erbärmlichem Zustand befindliche Frachter und Tanker der sogenannten Schattenflotte.
Entsprechend umfangreich fallen die Gegenmaßnahmen aus, von der verstärkten Verkehrsüberwachung durch Seestreitkräfte der NATO, von denen selbst die Sportschifffahrt schon um Mithilfe gebeten wurde, bis zu dem Plan, hohe Offshore-Windturbinen als Radarstandorte zu nutzen. Gerade endete das Seemanöver BALTOPS 2025 mit über 50 Marineeinheiten aus 17 Mitgliedsstaaten des westlichen Bündnisses. Ausgangspunkt war erstmals Rostock-Warnemünde. Jetzt sind viele der Schiffe zu Gast bei der Kieler Woche.
Wenn man sich die Segeldrohnen anschaut, die die dänische Marine derzeit in der Køge Bugt für Überwachungsaufgaben testet, verschwimmt der Unterschied zwischen Freizeit und Zeitenwende noch stärker. Wären die unbemannten, völlig autonom operierenden 30-Fuß-USVs (Englisch: unmanned surface vessels) weiß statt grau, man könnte sie auf Distanz mit ihrem hohen Großsegel und dem flachen Rumpf für einen exotischen Performance Cruiser halten.
Demonstrationen maritimer Stärke sind jedenfalls unübersehbar. Kein Wunder, schließlich sollen sie die andere Seite beeindrucken. Gleichzeitig muss man davon ausgehen, dass sich die Situation erst bei einem Ende der russischen Aggression wieder nachhaltig entspannen dürfte.
Zum Glück ist die Ostsee immer noch ein sehr weites Meer, zumindest nach europäischen Maßstäben. Ich erinnere mich noch gut an einen Besuch auf Örö in den Turku-Schären während eines Törns vor einigen Jahren. Auf den ersten Blick unscheinbar, barg das Innere der kleinen Insel ein überraschendes militärisches Geheimnis.
Im Jahr 1912, als Finnland noch zu Russland gehörte, wurde dort in unschuldigster Umgebung eine Küstenbatterie errichtet. Ausgestattet wurde sie mit den gleichen schweren Geschützen, die der Zar damals in seine Schlachtschiffe einbauen ließ. Die Kanonen wirkten weit auf den finnischen Meerbusen hinaus und sollten Sankt Petersburg vor feindlichen Attacken über See schützen.
Nach der Unabhängigkeit übernahmen die Finnen die Waffenstellung und betrieben sie bis 2004, nun jedoch warnend gegen die sowjetische Flotte gerichtet. 2015 schließlich wurde Örö demilitarisiert, die tonnenschweren Geschützrohre Museumsstücke und die Insel zum Naturschutzgebiet. Ein kleines Paradies, das zum Frieden zurückgefunden hatte.
Es gibt also Hoffnung; die heutige Situation ist nicht die erste dieser Art. Manchmal hilft es, die Dinge im größeren Kontext einzuordnen, um eine aktuelle Bedrohung angemessen bewerten zu können, egal ob sie als allgemein oder persönlich wahrgenommen wird.
Also: Kann man da noch hinfahren?
Die Antwort auf diese Frage müssen letzten Endes jede Skipperin und jeder Skipper für sich selbst finden, ebenso jedes Crewmitglied. Es ist keine leichte Zeit. Was dem einen tiefere Sorge bereitet, mag für die andere ein notwendiger Schritt, ein akzeptables Risiko sein.
Ich selbst freue mich auf meinen Ostseetörn in diesem Jahr, genauer im Juli: von Kalmar an der schwedischen Ostküste entlang durch die Stockholmer Schären in die königliche Metropole. Wir hoffen auf gutes Wetter und werden die Augen offenhalten. Und hoffentlich den einen oder anderen friedlichen Flecken finden. Die Feierlaune der Schweden so kurz nach Mittsommer ist ja legendär.
Vielleicht sehen wir uns unterwegs!
YACHT-Redakteur
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