Liebe Leserinnen und Leser,
die olympische Regatta ist zu Ende, ohne Medaillen für Deutschland. Woran hat es gelegen? Bevor die Analyse jeder einzelnen Athletin und jedes Athleten abgeschlossen ist, kann eines festgehalten werden: Die Bedingungen vor Marseille haben den Deutschen nicht gerade in die Karten gespielt. Es wäre von der Veranstalterseite mehr möglich gewesen.
Während die Wettfahrtleitungen von den Olympiaseglern insgesamt eher gelobt als gescholten wurden, gibt es doch einigen Anlass für Verbesserungen. Denn klar ist: Wer sich einen Startplatz beim Gipfeltreffen des Segelsports unter den fünf Ringen erkämpft und oft entbehrungsreich verdient hat, der will auf diesem Gipfel auch unter olympisch guten und fairen Bedingungen segeln, surfen und kiten. Die Bedingungen waren bei dieser olympischen Regatta aber nicht immer und für alle gleich fair. Die Schwierigkeiten mögen in Marseille teilweise der superleichten Extremwindlage geschuldet gewesen sein, waren aber anteilig auch von Menschenhand gemacht oder entschieden. Es geht um die vielen ausgefallenen Wettfahrten.
Zwar hat der Konjunktiv im Sport bekanntermaßen keine Gültigkeit, dennoch darf man sich einmal kurz fragen, was wohl Basti Kördel – nach schwachem Auftakt im Aufwärtstrend – in weiteren Rennen hätte gelingen können? Was Philipp Buhl in Kämpferlaune mit zwei weiteren Wettfahrten angestellt hätte? Wie Simon Diesch und Anna Markfort die entfallenen 470er-Mixed-Läufe hätten nutzen können?
Richtig: Weiß man nicht. Und wird man nie wissen. Aber auch richtig: Hätten die Segler und wir gern erlebt!
Umso enttäuschender war es, dass die Kiter in den schwächelnden Winden der zweiten Olympia-Woche nur ein Kurzprogramm austragen konnten, das bis zum Finale nicht ausgestrahlt wurde: sechs statt der 16 geplanten Rennen nur gab es für die Frauen – und damit so eben gerade genügend für eine Olympia-Wertung und den Start in die Finalserie. Auch nur auf sieben Rennen kamen die Männer. Das war noch viel weniger als die auch nur 13 von 20 geplanten Läufen für die Windsurfer.
Nächstes Beispiel: die Ilca-7-Flotte, deren letzten beiden Rennen wegen Flaute entfielen. Die Streichung nahm dem deutschen 2020er-Weltmeister Philipp Buhl und anderen eine faire Chance aufs Comeback mit Ziel Finale. Auch die 470er-Flotte kam auf nicht mehr als acht von zehn geplanten Rennen in den Marseille-Zitterwinden. Hier erhielten die deutschen Medaillenjäger Simon Diesch und Anna Markfort nach zwei umstrittenen Strafen für angebliches Pumpen und ihrer dem Reglement entsprechenden Aufgabe in Rennen acht keine Chance mehr, sich wieder nach vorn zu schieben, wo sie vor den Strafflaggen schon lagen.
Ja, der Segelsport ist ein Natursport. Segler, Windsurfer und Kiter sind es gewohnt zu nehmen, was die Winde ihnen bieten. Sie kennen das Warten auf bessere Bedingungen und auch Ausfalltage in Flaute oder Sturm. Menschen sind für widrige Windbedingungen nicht verantwortlich zu machen. Für den Umgang mit ihnen allerdings schon.
Es bleibt festzuhalten, dass es auf der bildstarken Bühne in Marseille in der extremen Leichtwindlage mehr Ausfälle gab als nötig. Dafür gab es mehrere Gründe. Einen erklärte Philipp Buhl: „Man hätte ja mit Blick auf die durchaus bekannten Leichtwindprognosen und bei erklärtem Ziel, zehn Wettfahrten bis zum Finale zu segeln, in besserem Wind zuvor auch schon einmal drei statt zwei Wettfahrten durchziehen können.“ Das hätte Mut, Weitsicht und gegebenenfalls auch eine Programmveränderung bedeutet. Diese wird jedoch bei den von TV-Übertragungsinteressen geleiteten Olympischen Spielen grundsätzlich nicht gern genommen.
Wie stark die TV-Interessen der Veranstalter sind, erwies sich auch in anderen Klassen, in denen Rennen nicht schneller gestartet wurden, wenn sich Windfenster öffneten. Ein weiteres Problem stellten offenbar zügige Schlepps von Ilca-7- oder -6-Gruppen dar, mit denen das Feld beweglicher gewesen wäre. Sie waren nicht erlaubt. Die Steuermänner und Steuerfrauen sollten Hafen und Kurs aus eigener Kraft erreichen – powered by nature. Auch, weil keine Fernsehbilder mit motorisierten Booten und Olympia-Jollen im Schlepp gewünscht waren.
Das Verbot war an langen Tagen in enormer Hitze jenseits von 35 Grad und sengender Sonne nicht nur eine Zumutung für die ohnehin schon „gerösteten“ Athleten, sondern auch kontraproduktiv für effiziente Bewegungen der Flotte zugunsten von flotteren Rennstarts. So kam es an einem Tag sogar zur Meuterei der Trainer: Einer baute zugunsten der Segler trotzdem einen Schlepp auf, andere folgten. Das wurde unter dem Hinweis „Lasst euch aber nicht dabei filmen“ nicht weiter geahndet.
Interessant ist es auch zu wissen, warum für Finaltage eine späteste Startzeit von 17.37 Uhr festgelegt worden war und auch an „normalen“ olympischen Renntagen kaum später Rennen stattfanden. Das „Field of Play“ – die Bucht von Marseille und der Hafen – mussten grundsätzlich bis 20 Uhr geräumt sein. Das wiederum machte beispielsweise den neuolympischen Kitern das Leben mitunter sehr schwer, weil sie nach späten Rennen und der Rückkehr in ihr Zeltlager kaum mehr Zeit fanden, ihre Kites zum Trocknen aufzuhängen.
Erheiterte bis verärgerte Verwunderung herrschte bei den Kitern auch darüber, dass sie bei ihrer Premiere mit gleichen „Deltas“ wie beispielsweise Ilcas angesetzt wurden. Soll heißen: Wenn sie für weitere Rennen zu einem Außenkurs wie „Calanque“ in die Bucht von Marseille geschickt wurden, war dafür beispielsweise eine „Anfahrtszeit“ von 45 Minuten angesetzt worden. Vorher also durfte es draußen keinen Start geben. Nachher war der Wind oft wieder weg. Die Österreicherin Alina Kornelli, als Elfte erste Leidtragende beim Final-Cut und enttäuscht darüber, am Vorschlusstag keine weiteren Chancen zum Aufholen bekommen zu haben, erklärte: „Wir Kiter brauchen nur fünf Minuten, um so einen Kurs zu erreichen. Wer uns da bei der Planung mit Booten wie Ilcas vergleicht, der versteht das Kiten nicht.“
Marseille war dennoch zweieinhalb Wochen lang eine gute Gastgeberstadt für die olympische Segelregatta. Die Stadt hat jetzt – dank Olympia-Investments in Höhe von rund 45 Millionen Euro – einen sehr schön renovierten und modernen Segelhafen südlich des berühmten Vieux-Port – ein Geschenk der Olympischen Spiele. Dort unterhält der französische Seglerverband FFVoile eine Niederlassung, dort soll der Segelsport jenseits der Hochburgen in der Bretagne auch in Frankreichs zweitgrößter Stadt gedeihen. Ich werde gern mit Zeit zum Erkunden wiederkommen. Zeit war bei Olympia aufgrund der vielen Warterei und Verschiebungen leider Mangelware. Jetzt freue ich mich erst einmal auf eine frische norddeutsche Brise, bitte!
Mit olympischen Grüßen aus Marseille, Ihre
YACHT-Sportexpertin
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