MeinungIm Päckchen – miteinander statt gegeneinander

YACHT-Redaktion

 · 13.09.2025

Meinung: Im Päckchen – miteinander statt gegeneinander
YACHT-Woche – Der Rückblick
yacht/bullseye-yacht-woche-christian_87c7d46e9c61c4823f895bb1a57a115d

Liebe Leserinnen und Leser,

​Abstand gewinnen – für viele Seglerinnen und Segler steht dieses Ziel ganz oben, wenn es auf Törn geht. Freikreuzen vom Alltag. Räumlich, körperlich, geistig. Wenn man nicht gerade eine einsame Ankerbucht für die Nacht anpeilt oder sogar abseits aller Ufer unterwegs ist, ist das abendliche Festmachen aber genauso Teil des Erlebnisses. Schließlich hat auch der Landgang seine Reize, vom Sightseeing bis zum Sundowner am Strand – und davon abgesehen ist man am nächsten Tag ja ohnehin wieder auf dem Wasser, allein mit sich, der Sonne, dem Wind.

Also alles ganz entspannt, oder? Nun ja. Eine Situation gibt es im Hafen, die mehr „Nähe“ als andere erfordert, und daher auch mehr Umsicht und Rücksicht: das Päckchen. Jeder kennt die Situation, wenn sich die Spannung beim Einlaufen in Gewissheit verwandelt. Entweder ist schon zu Beginn kein Einzelplatz mehr frei oder es ist so viel los, dass die Wahrscheinlichkeit minimal ist, allein zu bleiben, selbst wenn man noch die letzte Lücke längsseits ergattert. Ein Nachbar kommt bestimmt noch. Oder zwei, oder drei, oder vier.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Alle Yachten sind miteinander verbunden, alle aufeinander angewiesen, wenn es ums An- und Ablegen geht. Dazu dienen alle innen liegenden Mitglieder dieser „Gemeinschaft“ den anderen als schwimmende Brücke zur Pier. Bereitschaft zur Kooperation und kollegialer Umgang sollten also selbstredend sein, schließlich kann jede Crew zu jeder Zeit in eine solche Situation geraten und auf andere angewiesen sein.

Leider ist diese simple Einsicht nicht jedem gegeben. Das war in diesem Sommer nicht anders: Zuletzt erreichten dazu gleich mehrere emotionale Zuschriften unsere Redaktion. In einem Fall wurden sogar bereits belegte Leinen vom Innenlieger einfach wieder losgeworfen, alles andere als ungefährlich in einem Revier wie den Kanalinseln mit ihren starken Gezeitenströmen.

Und dennoch erlebt man es immer wieder. Mein abschreckendes Beispiel: In einem Inselhafen der Bretagne hatte die Hochglanz-Maxi eines deutschen Yachtclubs fast die ganze Mauer belegt. Statt einem einladenden Fender hing ein aufwändig hergestelltes, gut lesbares Schild außenbords: „bord-à-bord interdit!“ Längsseits gehen verboten! Offenbar war den deutschen Gästen das internationale Renommée ihres Vereins weniger wichtig als das spiegelnde Gelcoat ihres schneeweißen Dickschiffs.

So unschön solche Erlebnisse auch sind, es sind zum Glück nur jene Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Für die allermeisten Wassersportler ist bei aller Individualität auch das Bewusstsein für die Gemeinschaft selbstverständlich. Unabhängig von den Vorgaben guter Seemannschaft und spezieller Etikette zählt gesunder Menschenverstand: miteinander statt gegeneinander.

Viel gehört wirklich nicht dazu: Das Fragen vor dem Längsseitsgehen, die Hilfe beim Manöver, die Absprachen zu den Leinen und zur gewünschten Startzeit des Innenliegers am nächsten Morgen. In richtiger Höhe abfendern, nie an Relingstützen oder Seezaun ziehen, immer über das Vorschiff gehen und – wie unser unvergessener Kollege Manne immer sagte: „Schoh uttrecken.“ Schuhe aus, bevor man nach der Landpartie zurück an Bord des Päckchenpartners klettert – zumindest, wenn sie „schietig“ sind, also dreckig.

Wie gesagt, es sind nur Wenige, die Wellen schlagen. Wenn ich in dieser Saison in Schweden im Päckchen lag, war immer alles bestens. Und mehr als einmal gab’s dabei sogar sehr gute Tipps der Einheimischen. Ein Highlight des Törns hätten wir glatt verpasst ohne diese Begegnung.

Meine schönste Geschichte zum Thema? Kommt ebenfalls aus Schweden, von der Westküste: In einem kleinen Hafen waren nur Päckchen aus maximal drei Booten erlaubt, weil der Sund an dieser Stelle sehr eng war. Wir lagen in der Mitte, außen eine Fahrtenyacht aus Norwegen. Man plauderte miteinander. Drüben hatte man gerade noch einen Kaffee gekocht und wollte dann entspannt in ein oder zwei Stunden weiter.

Als im Fahrwasser jedoch ein weiterer Segler auftauchte und keinen Platz fand, ließ das junge norwegische Pärchen kurzerhand den Kaffee stehen, verabschiedete sich fröhlich von uns und machte sich sofort auf den Weg. „Have a nice stay!“, rief die Skipperin noch zu den Neuen hinüber. Die bedankten sich und lagen kurz darauf selbst bei uns längsseits. Schnell waren wir wieder im Gespräch. Wie man das im Päckchen so macht.

Christian Tiedt

YACHT-Redakteur


Lese-Empfehlungen der Redaktion

yacht/Myproject-122_588dd1e2bf08c53ce7f0b81757956597

Maxi Yacht Rolex Cup

Zwei Maxi-Weltmeisterschaften in vollem Gange

yacht/maxi-250910cb-10021181_7ae83f3b3d4ebba9ada9f45f071f5809

Beim Maxi Yacht Rolex Cup werden dieses Jahr zwei Weltmeisterschaften vor Porto Cervo ausgesegelt. Zur Halbzeit starteten die 44 Yachten aufgrund von Flaute nur an zwei Regattatagen, von denen es einer aber in sich hatte.


America's Cup

Nur noch alte Rümpfe, keine Radfahrer mehr

yacht/37ac-241019-rp1-1487_6fb0891d9b76540543886fbb57492c22

Das kürzlich veröffentlichte Regelwerk für den 38. America's Cup markiert eine bedeutende Verschiebung in der Philosophie des prestigeträchtigsten Segelwettbewerbs der Welt. Mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Kostenkontrolle und faireren Wettbewerb bringen die neuen Regeln tiefgreifende Veränderungen für alle teilnehmenden Teams.


XP-19

Sportlicher Daysailer bringt die tägliche Dosis Segelspaß

yacht/3792023-xp-19-segeln-duemmersee-2020-jku-pjk8371jpg_d31bbd89ebfc6184f628c8e38a83e1d0

Die XP-19 ist ein sportlicher Daysailer, der speziell für Ausfahrten einhand konzipiert ist. Sie ist das Projekt eines begeisterten Microtonnerseglers


IODA

Der Foiler für jedermann

yacht/dsc03893_a5280202e0edf2b17f275cdfe66fcff4

Birdyfish, die Foiljolle, erweitert das Programm um das kleinere Modell IODA. Das 3,20 Meter lange Design soll Foiling für Einsteiger leichter zugänglich machen und von einer Person gesegelt werden. Dank selbstausrichtender Foils sollen hohe Geschwindigkeiten über 20 Knoten recht einfach möglich sein.


Ocean Race Europe

Team Malizia schnell, aber ohne Bonuspunkte

yacht/tore-02-05-250908-flh-mlz-raw-photos-dji-20250908075154-0113-d_8003b2474567e6bd71ccb2c2cb4f9595

Erst XL-Flaute, dann Speedspaß auf Etappe fünf im Ocean Race Europe. Boris Herrmanns Team Malizia behauptete sich nach der zweiten Nacht in den Top-Drei.


Globe40

Traumstart in Weltumseglung – Prolog-Silber für Burke und Fink

yacht/544527577-761321343451803-1155262314068289452-n_19435655e0699905290238a47a9ed47d

Silberner Einstieg in die Weltumseglung: Lennart Burke und Melwin Fink haben das Globe40 im Prolog von Lorient nach Cádiz mit Platz zwei stark eröffnet.


Kopenhagen

Geplante Fahrradbrücke spaltet die Gemüter

yacht/2b968c05-7fe9-4c54-b824-4781b9e5226e_4abd9d27b74e6b375e59a8b8ec078556

Eine neue Fahrradbrücke in Kopenhagen wird zur Barriere für Segler. Wer ab 2033 zum Hafen Langelinie oder nach Christianshavn möchte, muss warten.


Ocean Race Europe

Zeitlupenstart in den Endspurt nach Boka Bay

yacht/tore-02-05-250907-ml-0039_de98c59ce03bdbaa51eedc64c390abbc

Die letzte und längste Etappe im Ocean Race Europe läuft. Sie begann in Zeitlupe. Boris Herrmanns Team Malizia will punkten, hat das Wachsystem umgestellt.


Ocean Race Europe

“Ich habe alle daran erinnert, wo wir herkommen”

yacht/whatsapp-image-2025-08-10-at-150125_fb1bc3b89efd18af4ca63b9026db4d83

Das Ocean Race Europe tobt dem Finale entgegen. In ihren Race Blog berichtet "Holcim-PRB"-Skipperin Rosalin Kuiper vom anstehenden Kampf um Europa-Silber.


Cannes Yachting Festival

Die Neuheiten bei den großen Luxusyachten

yacht/cyf-1_eb6c8460ea40a241d7ac9c49fbcf5e66

Das Yachting Festival in Cannes ist grössten Inwater-Boatshow in Europa geworden. Wir stellen die Neuheiten vor, die auf der Messe präsentiert werden. Im dritten und letzten Teil: Die Luxusyachten.



Newsletter: YACHT-Woche

Der Yacht Newsletter fasst die wichtigsten Themen der Woche zusammen, alle Top-Themen kompakt und direkt in deiner Mail-Box. Einfach anmelden:

Meistgelesen in der Rubrik Special