Kristina Müller
· 18.03.2018
Segel-Videoblogs und Törnfilme werden immer beliebter – wir zeigen die meistgeklickten Segel-Youtube-Kanäle. Außerdem: Interview mit Segel-Filmer Guido Dwersteg
Es klingt wirklich einfach: Lossegeln, kurze Filme über die Highlights und Tiefpunkte der Reise drehen, diese auf einem eigenen Youtube-Kanal ins Internet stellen und damit auch noch die Bordkasse für den Langfahrttörn füllen. Immer mehr Segler machen genau das, ihre Video-Tagebücher fluten das Netz.
Wie das funktioniert, wie viel Arbeit dahinter steckt und ob Segeln noch Spaß macht, wenn die Kamera immer dabei ist, lesen Sie im Report in der neuen YACHT 7/2018, die ab Mittwoch im Handel ist und hier vorbestellbar. Die Youtube-Kanäle von Seglern mit den meisten Klickzahlen zeigen wir schon jetzt.
Platz 6 der Segel-Vlogs: "White Spot Pirates": Nike Steiger und "Karl", bisher ca. 9 Millionen Video-Aufrufe.
Ab dem 18. Mai 2018 ist auch die zweite Staffel der 37-jährigen Lüneburgerin in deutscher Vertonung immer freitags auf www.yacht.de/tv zu sehen.
Platz 5 der Segel-Vlogs: "Sailing Doodles", bisher ca. 12 Millionen Video-Aufrufe
Platz 4 der Segel-Vlogs: "Sailing Nandji", bisher ca. 13 Millionen Video-Aufrufe
Platz 3 der Segel-Vlogs: "Gone with the Wynns", bisher ca. 29 Millionen Video-Aufrufe
Platz 2 der Segel-Vlogs: "Sailing La Vagabonde", bisher ca. 59 Millionen Video-Aufrufe
Platz 1 der Segel-Vlogs: "Sailing SV Delos", bisher ca. 76 Millionen Video-Aufrufe
Einhandsegler Guido Dwersteg hat sich mit Filmen über seine Törns einen Namen in der Segel-Filmer-Szene gemacht. Im Internet bietet er seine Reisedokumentationen an, teils gratis, teils zum Kauf. Zwei größere Solo-Törns hat der 48-Jährige bisher unternommen: Von 2012 bis 2014 segelte er um den Atlantik, die Kamera immer dabei, und brachte über die Reise sechs rund einstündige Filme heraus.
Auch auf seiner jüngsten Reise, einem 3500-Seemeilen-Törn durch Nordeuropa – über die Ostsee, durch russische Binnengewässer und entlang des Nordkaps rund Skandinavien – war die Kamera wieder mit an Bord seiner Bavaria 32 Holiday "Carpe Diem". Derzeit veröffentlicht Dwersteg sukzessive sieben Törnfilme über das Abenteuer.
Die YACHT sprach mit dem Segler aus Koblenz über den Aufwand, die Motivation und Tabus beim Filmen auf Törn.
YACHT: Herr Dwersteg, wieso erstellen Sie Filme von Ihren Reisen?
Guido Dwersteg: Zum einen habe ich früher selbst auf Youtube geschaut, was andere Segler so zeigen. Der Ursprungsgedanke war aber, die Törns für mich selbst zu dokumentieren. Kleine Videoschnipsel habe ich dann ins Internet gestellt. Das hat eine Eigendynamik entwickelt. Aber es war anfangs nie geplant, große Dokumentationen aus meinen Reisen zu machen.
Haben Sie eine Art Drehbuch? Überlegen Sie morgens, was am Tag passieren soll und was Sie filmen wollen?
Nein, ein Drehbuch gibt es nicht. Die Kunst ist, aus dem, was man hat, eine interessante und kurzweilige Geschichte zu machen. Ich rekonstruiere mithilfe des Logbuchs prägnante Momente. Du kannst ja nicht alles zeigen, sonst dauert ein Film vier Wochen. Was ich filme, geschieht aber ganz spontan, Authentizität ist da das Stichwort.
Wie viele Kameras haben Sie an Bord?
Mittlerweile sind es fünf. Eine Gopro ist am Heck fest installiert für die Totale über das Boot. Eine liegt immer unten auf dem Navitisch griffbereit, eine weitere unter der Sprayhood. Die übrigen dienen als Ersatz. Man darf nicht vergessen, dass Kameras an Bord eine geringe Halbwertzeit haben. Segeln ist nun mal nicht gerade die optimale Umgebung für Technik.
Mit dem Filme ist es ja längst nicht getan. Wie aufwendig ist es, einen einstündigen Film zu schneiden und fertigzustellen?
Das ist viel Arbeit. Mit der Zeit bin ich schneller geworden. Mittlerweile brauche ich im Schnitt nur noch ein bis zwei Stunden für eine Minute Film, inklusive Musik und mit besprochenem Text.
Woher haben Sie das Knowhow dazu?
Ich komme aus der IT-Branche, da ist es nicht schwer, sich in eine Software einzuarbeiten. Und in die nötige Kreativität habe ich mich so reingefummelt. Heute können sich auch totale Rookies das Film-Schneiden selbst beibringen, das ist recht leicht geworden.
Kann also jeder Segler einen guten Segelfilm oder Segel-Vlog produzieren?
Das ist Übungssache. Sobald die Leute in eine Kamera sprechen, werden viele unlocker. Man muss sich wirklich darauf einlassen, daran gewöhnen und vor allem am Anfang die Selfie-Einstellungen trainieren. Es kann an dem Fleiß scheitern, wirklich ein gutes Ergebnis erzielen zu wollen.
Können Sie von den Einnahmen, die Ihre Filme bringen, leben?
Mittlerweile ist Segeln tatsächlich so etwas wie mein Hauptberuf geworden. Von den Filmen allein zu leben, das wäre aber schwer. Sie machen allerdings einen großen Teil meiner Einnahmen aus.
Was halten Sie von dem Modell des wöchentlichen Langfahrt-Video-Blogs, wie er derzeit von Dutzenden Langfahrtseglern veröffentlicht wird, die auf Crowdfunding-Seiten damit auch Einnahmen erzielen?
Auf internationaler Ebene, und vor allem in den USA, mag das gut funktionieren. Dort ist die Bereitschaft, den Machern von Vlogs Geld für ihre Episoden zu geben, einfach wesentlich größer als beispielsweise in Deutschland. Aber bei einem wöchentlichen Rhythmus bist du natürlich auch dazu verdammt, jede Woche etwas zu veröffentlichen.
Zurück zu Ihren Filmen: Nervt es Sie unterwegs auch mal, dass die Kamera fast immer dabei ist?
Nein. Da ich allein segele, fand ich es eigentlich immer nett und angenehm, da die Kamera ein wenig das fehlende Gegenüber ersetzt. Während des Segelns steht aber eindeutig die Sicherheit im Vordergrund, Sturmaufnahmen sieht man daher auch eher selten. Und es gibt natürlich Tage, an denen ich überhaupt keine Lust habe zu filmen. Da spreche ich morgens vielleicht kurz etwas in die Kamera, um "im Flow" zu bleiben. Aber wenn ich keinen Bock habe, habe ich keinen Bock.
Gibt es Tabus? Etwas, dass Sie nie zeigen würden?
Na ja, ich würde nicht nackt vor der Kamera rumspringen (lacht). Es gibt natürlich Grenzen, und ich nehme Rücksicht darauf, wenn jemand partout nicht vor der Kamera erscheinen möchte, wie zum Beispiel meine Freundin. Aber bei einer authentischen Dokumentation ist eben wichtig, dass das, was man zeigt, der Realität entspricht. Und dazu gehört auch, dass längst nicht immer alles nur eitel Sonnenschein und toll ist.
Guido Dwerstegs Youtube-Kanal und Webseite.