Tatjana Pokorny
· 16.06.2014
Die 120. Kieler Woche seit 1882 beginnt am Samstag mit den olympischen und paralympischen Klassen sowie dem Welcome Race nach Eckernförde
Das offizielle Plakat zur Kieler Woche 2014 kommt nicht aus dem Norden. Die beiden Designer Thomas und Martin Proschauko aus dem bayerischen Bad Aibling haben das fröhlich-bunte und sehr lebendige Motiv entworfen, das Traditionalisten vermutlich als etwas schrill bezeichnen würden. In der Jury-Begründung zur Auswahl der pink-rot-gelb-blauen Kreation mit den zackigen Wellenbergen hieß es, das Grundmotiv der bewegten See sei "noch nie in einer so spektakulären und ungestümen Art und Weise" aufgenommen worden. Und weiter: "Für die Kieler Woche 2014 türmt sich ein ganzes Wellengebirge farbenfroh vor uns auf, das uns in seinen Bann zieht und förmlich mitbewegt." Wenn das kein gutes Omen für die 120. Kieler Woche ist...
Die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel rüstet sich seit Wochen intensiv für rund drei Millionen Besucher, die das Wimbledon des Segelsports in der letzten vollen Juni-Woche stürmen werden. Auch das Olympiazentrum Kiel-Schilksee hat sich herausgeputzt für etwa 4500 Segler aus 50 Nationen mit rund 1800 Booten und bietet in diesem Jahr wieder Live-Vergnügen in der "Audi and SPA Sailing Arena" im Herzen des Hafens.
Sportlich ist die internationale Königin der Regatten in drei große Bereiche aufgeteilt: Den Auftakt machen zehn olympische und zwei paralympische Disziplinen vom 21. bis zum 25. Juni. Im Anschluss segeln 15 internationale Bootsklassen vom 26. bis zum 29. Juni um die begehrten Kieler-Woche-Titel. Zeitgleich geht es für die Seesegler die ganze Woche über nicht nur um «KiWo»-Erfolge, sondern auch um die Titel in drei Klassen bei der Internationalen Deutschen Seesegelmeisterschaft, deren Eintelung der Deutsche Segler-Verband 8DSV) in Anlehnung an die Weltmeisterschaft Anfang August vorgegeben hat.
Für Deutschlands Segler des Jahres ist die Kieler Woche 2014 Pflicht- und Kürprogramm zugleich. Wenn Philipp Buhl am Samstag erstmals die Schoten dicht nimmt, dann kann nur ein Sieg das Ziel für den WM-Dritten im Laser sein. Das Feld der beliebtesten olympischen Einhandklasse ist nicht stark besetzt, weil die Europameisterschaft, bei der Buhl in der vergangenen Woche nur Fünfzehnter wurde, zu dicht an der Kieler Woche lag. «Ich bin nach der enttäuschenden EM-Platzierung wirklich heiß auf die Kieler Woche», so der 24-jährige Sonthofener Sportsoldat Buhl, der seinen dritten Kieler-Woche-Sieg in Folge und damit den Hattrick ansteuert, «ich war nicht zufrieden mit meinen bisherigen Ergebnissen in dieser Saison. Der Sieg vor Kiel ist schon Pflicht. Und ich freue mich sehr auf die Regatta, weil sie medial und organisatorisch der mit Abstand beste Event im internationalen Circuit ist.»
Das bestätigen auch Tina Lutz und Susann Beucke, die in einem durchaus stark besetzten internationalen Feld um ihren zweiten Kieler-Woche-Titel in Folge kämpfen. Die bayerisch-norddeutsche Crew ist eines von fünf deutschen 49er-FX-Damen-Teams, die eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro im Visier haben. In der aktuellen Weltrangliste der Isaf liegen Lutz/Beucke auf Platz 12 vor ihren Berliner Teamkameradinnen Victoria Jurczok und Anika Lorenz. Vorschoterin Susann Beucke sagte bei der Kieler-Woche-Pressekonferenz im gastgebenden Kieler Yacht-Club: "Für uns ist die Kieler Woche ein willkommenes Heimspiel auf dem Weg zu den beiden nächsten Saisonhöhepunkten: den Testspielen in Rio und der Weltmeisterschaft in Santander. Medialer Höhepunkt ist ganz klar Kiel, weil die Kieler Woche auf einem ganz anderen Level ist als alle anderen Regatten!" Den Zusatzbonus beschreibt Tina Lutz: "Es macht natürlich besonderen Spaß, im Heimatrevier zu gewinnen."
Trotz aller guten Nachrichten wie beispielsweise dem Start beider deutscher Silbermedaillen-Crews der Paralympics – Heiko Kröger im Sonar und Jens Kroker, Robert Prem und Siegmund Mainka in der Sonar – haben die Kieler-Woche-Organisatoren auch ein paar Wermutstropfen zu verkraften. Die Olympiadisziplinen R:X für Männer und Frauen mussten mangels Meldungen gestrichen werden. Auch in anderen Klassen wie dem traditionsreichen 470er für Männer und Frauen sind die Teilnehmerzahlen schwach. «Es gibt hier Konflikte mit anderen großen Regatten, die zu nahe an der Kieler Woche liegen», erklärt Organisationsleiter Peter Ramcke, «dazu sind wir mit dem Weltseglerverband ISAF im Dialog.»
Größte Regattayacht im Feld der insgesamt 324 (davon 86 zusätzlich zu den IDM-Startern) gemeldeten, seegehenden Yachten ist der 21 Meter lange Trimaran «Musandam-Oman-Sail». Mutig: Kiels neuer Oberbürgermeister Ulf Kämpfer hat auf der Rennziege mit einer Maximalgeschwindigkeit von bis zu 46 Knoten für den 24. Juni angeheuert. Zur internationalen Crew der Rekordjäger um Skipper Damian Foxhall zählen auch der zweimalige Weltumsegler, America's-Cup-Teilnehmer und YACHT-Skippertrainer Tim Kröger aus Hamburg sowie die Bremer Hochseeseglerin Anna-Maria Renken. Beide sind bereits an Bord und Teil der Crew, die das dreikufige Geschoss aus der Bretagne nach Kiel überführt und dort voraussichtlich am Donnerstag vor dem Kieler Yacht-Club festmachen wird. "Wir freuen uns auf diesen MOD 70 aus dem Oman", sagte Seebahnchef Eckart von der Mosel, "er erinnert an das MOD-Spektakel, das Kiel im Herbst 2012 erlebt hat, und dürfte ein echter Hingucker sein."