Tatjana Pokorny
· 24.06.2014
Die Segelnationalmannschaft feiert fünf Siege: Hattrick für Buhl, Paralympics-Sieger souverän, Premiere für Heil/Plößel, elf Podiumsplätze
Es war ein hübsches Heimspiel der deutschen Segelnationalmannschaft bei der Kieler Woche. Die DSV-Flotte war am Mittwoch in den olympischen Klassen mit drei Siegen, zwei zweiten und vier dritten Plätzen die erfolgreichste Nation vor Estland mit einem Sieg und einem zweiten Platz sowie vier weiteren Ländern mit jeweils einem Sieg. In den paralympischen Klassen waren die beiden deutschen Teams mit Heiko Kröger und der Sonar-Mannschaft um Jens Kroker konkurrenzlos gut und fügten der deutschen Bilanz zwei weitere Siege hinzu.
Die 120. Auflage der weltgrößten Regatta war zwar in einigen Disziplinen aufgrund von Terminkollisionen mit europäischen Titelkämpfen und dem mangelnden Weltcup-Status, um den die Organisatoren weiter kämpfen wollen, schwach besetzt, forderte die Kadersegler aber trotzdem auf unterschiedlichste Weise.
So etwa Lasersegler Philipp Buhl. Deutschlands Segler des Jahres gewann seinen dritten Kieler-Woche-Titel in Serie. "Das war ein Pflichtsieg", sagte Trainer Thomas Piesker, "aber den muss man auch erst schaffen." Buhl war in Kiel der begehrteste Interviewpartner der Presse und sagte: "Medial war es für mich sehr viel hier bei dieser Kieler Woche. Da ist es gar nicht leicht, sich immer wieder auf den Sport zu fokussieren. Aber ich möchte genau das üben, denn ich will schließlich bei den Olympischen Spielen starten, und da geht es noch turbulenter zur Sache. Außerdem hat es Spaß gemacht, meinen Partnern hier im Heimatrevier etwas für ihr Engagement und ihr Vertrauen zurückzugeben."
Buhls schon vor dem ersten Startschuss ins Visier genommener Hattrick gelang nach anfänglichen Fehltritten mit einer konzentrierten Aufholleistung, einer taktisch klugen Strategie und dem zweiten Rang im Flautenpoker des Medaillenrennens am Finaltag. Den dritten Podiumsplatz sicherte sich mit teilweise herausragenden Leistungen der Kieler Laser-Rückkehrer Tobias Schadewaldt hinter Karl-Martin Rammo aus Estland. Für eine schöne Szene sorgten Buhl und Schadewaldt beim gegenseitigen Gratulieren auf dem Wasser. Beide hatten zu dem Zeitpunkt geglaubt, dass ihre Ränge zwei und drei zu einem deutschen Doppelsieg reichen würden. Doch inzwischen hatte der Este einen Rang gutgemacht, und so fehlte Tobi Schadewaldt am Ende ein Rang zu Platz zwei.
Buhl sagte nach der Siegerehrung mit Blick auf die verpatzte Europameisterschaft vor wenigen Wochen: "Ich habe in diesem Jahr nicht immer so cool gesegelt wie hier in Kiel. Besonders freue ich mich aber darüber, dass mein Freund Erik Heil und ich endlich einmal bei derselben Regatta gewinnen. Das haben wir uns schon vor langer Zeit vorgenommen, und nun hat es endlich geklappt." Für die Weltmeisterschaft der olympischen Klassen im September im spanischen Santander, wo es für die Segler im Audi Sailing Team Germany auch schon um die Sicherung der Nationenstartplätze für die Olympischen Spiele 2016 geht, hat sich Buhl mit dem frischen Rückenwind aus Kiel viel vorgenommen: "Ich will wieder aufs Podium!"
Vor Buhls Triumph hatten die 49er-Segler Erik Heil und Thomas Plößel bereits ihren ersten Kieler-Woche-Sieg mit einem Salto vom Boot und einem Bad in der Förde gefeiert. "Wir freuen uns riesig! Ich hoffe, dass wir diesen Kurs bis zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 fortsetzen können", sagte Thomas Plößel, dem sein Steuermann Erik Heil aufgrund "genialer taktischer Entscheidungen" großen Anteil am gemeinsamen Erfolg zusprach.
Der dritte deutsche Sieg in den olympischen Klassen war als erster deutscher Mannschaft bereits am Vormittag Annina Wagner vom Potsdamer Yacht-Club und Elisabeth Panuschka vom Segelklub Bayer-Uerdingen im 470er gelungen. Das noch nicht lange wieder in einem Boot sitzende Duo wirkte die ganze Woche über beflügelt und freute sich über zwei Tagessiege. Im Medaillenrennen starteten die Frauen nach einem vermeintlichen Frühstart und entsprechender Bereinigung eine furiose Aufholjagd und konnten die österreichischen Spitzenreiterinnen Lara Vadlau und Jolanta Olgar mit dem Wettfahrtsieg tatsächlich noch von Platz eins verdrängen. "Wir haben uns damit für die harte Arbeit der letzten Monate selbst belohnt", sagte die Krefelderin Elisabeth Panuschka.
Bemerkenswert war auch der gelungene Schlussspurt der Berliner 470er-Segler Jasper Wagner und Dustin Baldewein, die sich mit ihrem Sieg im Medaillenrennen Kieler-Woche-Silber erkämpften und damit keinen Geringeren als Olympiasieger, Weltmeister und den Weltsegler des Jahres Matt Belcher aus Australien mit seinem Vorschoter Will Ryan auf Platz drei verweisen konnten, während Gold an Griechenland ging.
Die gute Bilanz der insgesamt neun Podiumsplätze in den olympischen Klassen übertrafen die beiden deutschen Teams in den paralympischen Disziplinen mit ihrer 100-prozentigen Erfolgsquote. Die Paralympics-Gewinner Heiko Kröger aus Jersbek und das Team um den Berliner Skipper Jens Kroker siegten in ihren Klassen 2.4mR und Sonar souverän. Nach der Inbetriebnahme der neuen Rampe in Kiel, die auch behinderten Sportlern ungebremsten Zugang zu ihren Booten ermöglicht, waren die Wettfahrten in der Sonar-Klasse erstmalig im Rahmen der Kieler Woche ausgetragen worden. Bereits im kommenden Jahr rechnen die Veranstalter deswegen mit einem deutlich größeren Zuspruch aus internationalen Sonarkreisen als bei dieser Premiere.
Der Blick auf die Siegerlisten der Internationalen Deutschen Meisterschaft der Seesegler ergab am Ende ein Ergebnis, das auch von einer Hamburger Meisterschaft hätte stammen können. In allen drei Klassen siegten Eigner aus der Hansestadt und ihre Crews. In der großen Klasse ORC 1 gewann Harm Müller-Spreers Carkeek 47 "Platoon" vom Norddeutschen Regatta Verein mit Taktiker Markus Wieser aus Starnberg mit deutlichem Abstand vor der Konkurrenz. Den Titel in der mittleren Klasse ORC 2 sicherte sich Christopher Opielocks "Rockall IV". In der kleinsten Klasse ORC 3 und 4 setzte sich nach einem bis zur siebten und letzten Wettfahrt hochspannenden Duell mit Axel Seehafers Kieler "Sportsfreund" Max Gurgels "Solconia" vom Hamburger Segel-Club mit zwei Punkten Vorsprung durch. Insgesamt hatten 59 Yachten an dieser Titelserie teilgenommen und einen guten Vorgeschmack auf die WM im August gegeben, für die bereits eine Rekordzahl von mehr als 170 Starter gemeldet haben. "Wir haben einen Boom wie seit Jahren nicht mehr", sagte Dr. Wolfgang Schäfer, Vorsitzender im Ausschuss Seesegeln des DSV. "Es sieht so aus, als würde unsere jahrelange Arbeit endlich Früchte tragen. Und die müssen wir jetzt ernten."