Tatjana Pokorny
· 22.06.2017
Die Kieler Woche hat ihre Teilnehmer heute mit starken Winden gefordert. Während Philipp Buhl einen Traumtag erlebte, ärgerte sich Erik Heil über einen Crash
Der eine freute sich über seine Lieblingsbedingungen und drehte im Starkwind am Freitag richtig auf: Laser-Steuermann Philipp Buhl katapultierte sich in Winden über 20 Knoten am dritten Tag der olympischen Hälfte der Kieler Woche mit drei Tagessiegen in Folge auf Platz zwei. "Wie lange habe ich auf einen solchen Tag gewartet?", freute sich der 27-jährige Sonthofener und dankte auch gleich noch der Wettfahrtleitung für drei lange, intensive Wettfahrten auf der Kieler Förde. Der viermalige Kieler-Woche-Sieger vom Segelclub Alpsee-Immenstadt sagte: "Das möchte ich einfach einmal hervorheben: Das war heute mit Wettfahrten von jeweils rund einer Stunde Segeln pur und satt, eben nicht nur kurze knappe Rennen, für die man stundenlang raus- und wieder reingeschleppt wird. Das macht richtig Spaß!"
Der andere ärgerte sich erst und kämpfte dann: 49er-Steuermann Erik Heil und sein Vorschoter Thomas Plößel vom Norddeutschen Regatta Verein waren am Freitag in der insgesamt achten Wettfahrt bei der Rundung einer Marke von dem japanischen 49erFX-Frauen-Team Harad/Namagatsu gerammt worden. Mit kaputtem Boot und aufgerissenem Schienbein blieb den Rio-Bronze-Gewinnern Heil und Plößel nichts anderes übrig, als den Hafen anzusteuern. Die Berliner mussten die Wettfahrt aufgeben und konnten zur folgenden nicht antreten. Auf dem Papier bedeutete das zunächst zweimal 36 Punkte und damit keine Chance mehr auf den Kieler-Woche-Titel. Heils erster Protest wurde abgelehnt, doch der Olympia-Dritte ging mit neuem Zeugen und neuen Video-Beweisen in die Wiederaufnahme – so einfach wollten sich Deutschlands erfolgreichste 49er-Segler beim Heimspiel in Kiel nicht aus dem Feld schlagen lassen. Insgesamt verbrachte Erik Heil am Ende nervenaufreibende und hungrige siebeneinhalb (!) Stunden mit Jury-Verhandlungen und Warten. Dabei erstritt er eine Wiedergutmachung für die Rennen 8 und 9. Die Jury sprach den Deutschen für die achte Wettfahrt Rang 13 zu, für die neunte den Durchschnitt der bis dahin ersegelten Punkte. Was Heil/Plößel in der Ergebniskorrektur spätestens am Samstagvormittag auf Platz 3 führen sollte.
Dabei hatte die NRV-Crew bis zum Crash viel Freude am Spiel mit dem Wind. "Es war eigentlich ein legendärer Segeltag", sagte Heil nach dem Einsatz in 20 Knoten Wind mit Böen von 25 und mehr Knoten. Die starken Winde und hohen Wellen haben die Segler bei der Kieler Woche am Freitag gefordert. Kenterungen in Serie, Bruch und einige Rennausfälle waren die Folgen. "Es war hart, aber fair", urteilte der brasilianische Doppel-Olympiasieger und fünfmalige Medaillengewinner Robert Scheidt, der im Feld der 49er mit Vorschoter Gabriel Borges selbst dreimal kenterte und auf Platz 17 zurückfiel.
Bei den 49erFX-Seglerinnen lagen die Titelverteidigerinnen Tina Lutz und Susann Beucke nach dem Segeln am Limit auf Platz drei hinter den olympischen Silber-Gewinnerinnen Alexandra Maloney/Molly Meech (Australien) und Charlotte Dobson/Saskia Tidey (Großbritannien). Susann Beucke sagte: "Wir wollten den Kurs bei den Bedingungen heute solide absegeln. Das ist uns gelungen." Und Tina Lutz räumte lachend ein: "Die Böen haben wir dabei schon gesehen. Aber da wollten wir gar nicht hin..."
Eine starke Vorstellung liefern im Nacra 17 Jan Hauke Erichsen und Ann Kristin Wedemeyer, die nach zehn Rennen der olympischen Katamaran-Mixed-Teams auf Platz zwei hinter dem olympischen Bronzemedaillen-Gewinner Thomas Zajac und seiner neuen Vorschoterin Barbara Matz aus Österreich liegen und bereits drei Tagessiege erzielen konnten.
Die Kieler Woche geht am Wochenende mit den Final- und Medaillenrennen sowie dem Endspurt bei der Para-World-Sailing-Weltmeisterschaft zu Ende, bei der Heiko Kröger aus Waldbröl mit sechs Zählern Rückstand auf den führenden Paralympics-Sieger Damien Seguin aus Frankreich auf Platz vier seine Medaillenchancen wahrte. Der Berliner 2.4mR-Steuermann Lasse Klötzing lag nach fünf WM-Rennen auf Platz sechs.
Auf Platz drei hatte sich am Freitagabend Jens Kroker platziert. Der Paralympics-Sieger und ehemalige Sonar-Steuermann erkundet – erst am fünften Segeltag im neuen Boot unterwegs – die neue paralympische Klasse Hansa 303, die sich in den hohen Wellen allerdings als sehr offen erwies. Viele Hansas liefen voll. Die paralympischen Aktiven hatten reichlich damit zu tun, das Wasser aus ihren Booten zu bekommen. Eine britische Seglerin musste mit Unterkühlung ärztlich behandelt werden. Sie konnte ihr Boot nicht mehr leerschöpfen, war auf See nicht abzubergen, musste an Land geschleppt werden und wurde dort – begleitet vom engagierten Kieler-Woche-Team – umgehend ärztlich behandelt.